Cosa Nostra

Die sizilianische Mafia in der Krise

Polizisten präsentieren 2006 insgesamt 52 Mafia-Mitglieder, die im Rahmen der Operation "Ghota" verhaftet
Diese 52 Mafia-Mitglieder wurden 2006 verhaftet. Kann sich die kriminelle Organisation von diesem Schlag erholen? © picture-alliance/ dpa
Von Aureliana Sorrento · 20.02.2014
Cosa Nostra, die sizilianische Mafia, durchläuft derzeit eine schwierige Phase. Trotzdem warnen Experten und Staatsanwälte davor, ihre Wendigkeit zu unterschätzen: Die Wirtschaftskrise eröffne ihr neue Geschäftsmodelle.
Von einer tiefen Krise der Cosa Nostra sprechen die Staatsanwälte der Nationalen Antimafia-Behörde Italiens. Cosa Nostra, die sizilianische Mafia, durchlaufe eine schwierige Übergangsphase, sagen sie, sie versuche gerade, sich neu aufzustellen.
Seit den Morden an der Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 sind Hunderte sizilianischer Mafiosi ins Gefängnis gewandert. Darunter die Führungsriege der Cosa Nostra und der 2006 verhaftete Oberboss Bernardo Provenzano.
Die streng hierarchisch aufgebaute Organisation verfügt heute weder über die "Cupola", ihr oberstes Gremium, noch über ein Oberhaupt. Traditionell stammen die Oberhäupter der sizilianischen Cosa Nostra aus Palermo - in unsicheren Zeiten halten die italienischen Mafias an den Traditionen noch strikter als üblich fest.
Außerdem, sagt, Staatsanwalt Francesco Del Bene, habe die Cosa Nostra infolge der vielen Verhaftungen enorme Kosten zu bewältigen. Nicht zuletzt, weil sie die Familien der Häftlinge unterhalten und deren Anwälte bezahlen muss. Dabei sprudeln die Erträge aus der Schutzgelderpressung in Zeiten der Wirtschaftskrise, in denen mittelständische Unternehmen reihenweise pleite gehen, nicht mehr so üppig wie früher.
Cosa Nostra hat auch ein "politisches" Problem
Als wäre es nicht genug, hat die sizilianische Mafia momentan ein "politisches" Problem: Ihr ist der Bündnispartner in der italienischen Politik abhanden gekommen. Vorbei die Zeiten, in denen sie mit der Christdemokratischen Partei die Geschicke Italiens mitbestimmte.
Trotzdem wäre es naiv zu glauben, die Cosa Nostra wäre am Ende. Das hieße, ihre Wendigkeit und ihren Geschäftssinn zu unterschätzen. Einer Organisation, die nach wie vor über das Kapital aus den goldenen Jahren des Drogenhandels verfügt, eröffnet die Wirtschaftskrise auch Chancen.
Wo die Banken Privatkunden wie auch Klein- und mittelständischen Unternehmen den Hahn zugedreht haben, gewährt die Cosa Nostra jetzt Kredite zu Wucherzinsen - und kann am Ende die Betriebe, die sie damit in den Bankrott treibt, mühelos übernehmen. Große Gewinne wirft gerade in Krisenzeiten auch das Glücksspiel ab, das sich obendrein hervorragend dazu eignet, Geld zu waschen.
Auf der lokalen Ebene unterhalten die sizilianischen Mafiosi immer noch enge Verbindungen zur Politik. Nützliche Verbindungen: Durch die Komplizenschaft oder durch Einschüchterung von Lokalverwaltern können sie sich den Zuschlag für große Bauaufträge sichern – was ihnen mittlerweile nicht nur auf Sizilien, sondern auch in den nördlichen italienischen Regionen gelingt.
Die vom Gesetz vorgesehene Zertifizierung, dass ein an öffentlichen Ausschreibungen beteiligtes Unternehmen keine Kontakte zur Mafia hat, lässt sich durch Strohmänner und Strohfirmen umgehen. So bleibt die Beeinflussung öffentlicher Ausschreibungen und das Abzweigen staatlicher Subventionen ein wesentliches Element der sizilianischen Mafia-Wirtschaft.
In Windkraft- und Solaranlagen Stil investiert
Sicherlich auch wegen der Fördermittel, mit denen die Branche unterstützt wird, hat Cosa Nostra zuletzt das Geschäft mit den erneuerbaren Energien entdeckt und in Windkraft- und Solaranlagen im großen Stil investiert. Zugleich ist sie in den Müllhandel eingestiegen, obwohl die neapolitanische Camorra, die inzwischen die fruchtbaren Böden Kampaniens mit Giftmüll vollständig verseucht hat, da die Vorherrschaft behält.
Auf dem globalen Drogenmarkt haben die Sizilianer hingegen der kalabrischen Ndrangheta das Primat abtreten müssen, versuchen aber nun, Terrain zurück zu gewinnen. Mit den Kalabresern wurden Vereinbarungen getroffen, um das Monopol auf den Straßenhandel in Sizilien zu erhalten. Neuerdings, so die Antimafia-Staatsanwälte aus Palermo, machen sizilianische Mafiosi auch Anstalten, alte Kontakte zur amerikanischen Cosa Nostra aufzufrischen. Das wäre ein erster Schritt, um im Drogenhandel irgendwann wieder das große Rad zu drehen.
Die Staatsanwälte beunruhigt aber vor allem Anderes: Demnächst werden viele der Bosse, die in den 1990er-Jahren verhaftet und verurteilt wurden, ihre Haftstrafe verbüßt haben und auf freien Fuß kommen. Mit Sicherheit werden sie ihre früheren Ämter in der Cosa Nostra wieder besetzen, die Organisation wird ihre Spitze zurückbekommen. Und wenn sie schon führungslos trotz aller Widrigkeiten alles anderes als gebändigt ist, was dann?
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