Coronavirus

Eine Krankheit als Spiegel der Gesellschaft

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Model Kader Loth trägt einen Mundschutz.
Schreckgespenst Corona: Selbst auf der Berlinale diente der Mundschutz als Modeaccessoire, nicht nur bei dem Model Kader Loth. © picture alliance/dpa-Zentralbild/ZB/Jens Kalaene
Kathrin Röggla im Gespräch mit Joachim Scholl · 02.03.2020
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Klimakrise, Finanzkrise und jetzt auch noch eine Pandemie: Der Ausnahmezustand scheint zum Standard zu werden. Kathrin Röggla hat die ständige Alarmbereitschaft literarisch erkundet. Jetzt erstaunt es sie, wie Menschen auf das Coronavirus reagieren.
Weltweit 90.000 Corona-Ansteckungen, 150 in Deutschland. Leere Supermarktregale, Angstgeplagte im Hamsterkaufrausch. Die Pandemie ist in einer Reihe von Krisen die jüngste. Krise scheint auch in Umwelt, Migration und Wirtschaft zum Dauerzustand zu werden.
Bereits vor acht Jahren veröffentlichte die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla mit "die alarmbereiten" sieben Erzählungen mit Katastrophenszenarien. Damit scheint sie in diesen Wochen, in denen 'Corona' viral geht, den Nerv der Zeit getroffen zu haben.

Aufgeheizte Stimmung

"Die Krankheitssituation ist Spiegel unserer Gesellschaft", sagt Röggla. Die Gerüchte, die Hysterie, die Reaktion der Aktienmärkte – diesen Sog finde sie bedenklich. Die aufgeheizte Stimmung um das Coronavirus zeige auch, wie nervös wir miteinander funktionierten und wie unfähig wir zu vernünftigen Reaktionen seien. Die Nervosität könne auch sekundäre Probleme wie eine Weltwirtschaftskrise hervorrrufen.
Die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla ist Vize-Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, aufgenommen am 19.10.2016 auf der Buchmesse in Frankfurt/Main.
Die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla hat ein Buch über Katastrophen geschrieben - und den Nerv der Zeit getroffen.© picture alliance / dpa / Erwin Elsner
Die Medien heizten die Stimmung mit der häufigen Taktung der neuen Informationen an. "Die ganze Situation wird zu einer Art Live-Erlebnis gemacht", sagt Röggla. Das erzeuge dann den Sog. Bei der Diskussion um das Coronavirus beobachtet sie eine Choreografie und eine Dramaturgie, aber die werde wahrscheinlich in Wochen oder Monaten vergessen sein.
Bestürzt habe die Autorin der Rassismus gegen Asiaten. In der Ukraine seien etwa Busse mit Rückkehrern aus Wuhan angegriffen worden. "Das hätte ich nicht erwartet in der Schnelligkeit und Heftigkeit."
Ein erstaunlicher positiver Nebeneffekt: Durch den Stillstand von Industrie und Verkehr, den das Virus verursache, werde der Klimawandel gebremst. Der Fall zeige: "Wenn wir wollten, ginge es ja auch."
(leg)
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