Corona und die Tech-Szene

Was hilft New York aus der Krise?

06:22 Minuten
Eine Frau mit Schutzkleidung, Plexiglasmaske und gelbem Helm steht auf der Straße.
Plexiglasvisiere werden als Schutz in der Coronakrise dringend gebraucht - zwei kleine New Yoker Firmen haben sich zusammengetan, um sie herzustellen. © imago / ZUMA Wire / Prentice C. James
Von Thomas Reintjes · 04.04.2020
Audio herunterladen
Vergesst Elon Musk und das Silicon Valley! Autor Thomas Reintjes lebt in New York, der am stärksten von der Coronakrise betroffenen Stadt der Welt. Und hat festgestellt, dass Lösungsansätze derzeit wohl eher von lokalen Initiativen und Projekten kommen.
Ich habe schnelleres Internet bestellt, damit die Videokonferenzen im Homeoffice flüssiger laufen. Der Techniker, der die Glasfaser verlegt, darf zum Glück noch arbeiten. Die meisten anderen Menschen in New York müssen zuhause bleiben.
Der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio arbeitet auch. Eines der Dinge, die ihn seit Wochen am meisten beschäftigen, sind Beatmungsgeräte. Er hat Kieferorthopäden, Schönheitschirurgen und Tierärzte aufgerufen, ihre Beatmungsgeräte zur Verfügung zu stellen. Und ähnlich verzweifelt hat er versucht, bei Elon Musk Beatmungsgeräte zu bestellen. "@elonmusk New York City kauft!" schrieb er auf Twitter. "Klingt gut," antwortete der Chef von Tesla und SpaceX. Vorher hatte er geschrieben:
"Tesla baut Autos mit ausgefeilten Belüftungssystemen. SpaceX baut Raumfahrzeuge mit lebenserhaltenden Systemen. Beatmungsgeräte sind nicht schwierig, aber können auch nicht sofort produziert werden. Welche Krankenhäuser haben einen Mangel?"
Will sich da jemand als Retter aufspielen oder kann er wirklich eine Auto- oder Raketenfabrik in eine Produktionshalle für Beatmungsgeräte verwandeln? Elon Musk ist bekannt für seine Hybris, aber auch dafür, Probleme mit einer brutalen Kraft anzugehen. Und er hat eine tiefe Technikgläubigkeit. Allerdings sieht er das Problem vielleicht gar nicht. Jedenfalls hat er in mindestens einer seiner Fabriken versucht, weiter Autos produzieren zu lassen, als Firmen auf behördliche Anordnung wegen Corona schließen mussten.
Aber braucht New York, brauchen die Amerikaner jetzt mehr Autos?

Eine typische Silicon Valley Hype Story

Ich bin gerade mit dem Fahrrad ins Büro gefahren, zum ersten Mal seit anderthalb Wochen. Und es ist schon anders, als es war. Hier am Fahrradständer liegt ein Einweghandschuh auf dem Boden. Das sieht man jetzt auch überall, dass Leute ihre Einweghandschuhe wegschmeißen.
An der Tür meines Bürogebäudes hängen drei Zettel von Paketdiensten, die niemanden angetroffen haben. Ich bin auch nur hier, um mein Aufnahmegerät zu holen. Um besser dokumentieren zu können, wie die Menschen auf die Pandemie reagieren.
Auf eine helfende Reaktion der großen Technikfirmen im Silicon Valley hoffen auch immer wieder Verantwortliche. .
Donald Trump zum Beispiel: Trump hat am 13. März Google gedankt, obwohl Google noch gar nichts Nennenswertes geleistet hatte. Es stimmte nicht, dass 1700 Menschen an der Entwicklung einer Website arbeiteten, die helfen sollte zu ermitteln, ob jemand einen Test benötigt und wo man sich in der Nähe testen lassen kann. Zwei Tage später stellte ein Schwesterunternehmen von Google eine Seite ins Netz, mit der die Einwohner von zwei Landkreisen im Norden Kaliforniens ihr Coronarisiko abschätzen können. Inzwischen sind zwei weitere Landkreise hinzugekommen. Eigentlich eine typische Silicon Valley Hype Story: hohe Erwartungen, wenig dahinter.

Plexiglasvisiere statt Schilder

"Eigentlich ist das hier eine Veranstaltungshalle. Für Messen oder Modenschauen", erklärt Howard Silverstein. Vor zwei Wochen war er noch Produktionsleiter eines Druckers und Schildermachers in Brooklyn. Jetzt hat sich sein Arbeitgeber mit einer befreundeten Firma zusammengetan und hier mit Klapptischen, Plastikstühlen und 200 Arbeitern eine ganz andere Produktion aufgebaut.
"Vor einer Woche war das hier ein leerer Raum. Inzwischen haben wir hier 120.000 Schutzschilde hergestellt."
Eine Art Visier aus Plexiglas, das vor Tröpfcheninfektion schützen soll. Die Angestellten der beiden Firmen arbeiten hier, aber auch Musiker, Makler und andere New Yorker, die ihre Jobs verloren haben. Hier bekommen sie immerhin etwas mehr als den Mindestlohn und helfen der Stadt durch die Krise. Was für ein Kontrast zu dem, was die größten Unternehmen der Welt, wie Google, Apple oder Facebook bisher an Lösungen geliefert haben.
Am Ende meiner Tour fällt mir der Aufkleber auf, der auf den gepackten Kisten klebt: 48 Visiere, steht da, "Made in Brooklyn". Aber kein Markenname.
"Ich liebe meine Firma. Ich bin stolz, hier zu sein, und möchte nirgendwo anders sein", sagt Silverstein. "Aber ein Markenname darauf, wäre einfach falsch. Es ist egal, ob die Leute wissen, wer die Visiere herstellt. Wichtig ist, es zu machen."
Mehr zum Thema