Corona und die Sterne-Gastronomie

Neue Erfolgsrezepte nach dem Lockdown

07:25 Minuten
Douce Steiner im Restaurant an einen Stuhl gelehnt, mit der Karte in der Hand
Mit viel Fleiß und Talent hat sich Douce Steiner den zweiten Michelin-Stern erarbeitet. Doch Fleiß und Talent halfen im März 2020 nicht weiter. © picture alliance / Rolf Haid
Von Sandra Helmeke · 06.08.2020
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Hohe Kosten, wenig Rendite. Corona ist für die Sterne-Gastronomie eine harte Prüfung. Die Macher reagieren unterschiedlich. Sterneköchin Douce Steiner und Hotelchefin Katja Newman haben jeweils ihr Rezept für Sterneküche in Coronazeiten gefunden.
Douce Steiner, burschikoser Kurzhaarschnitt, strahlend-braune Augen, wirkt entspannter denn je. Die Küchenmannschaft, darunter Ehemann Udo und Tochter Justine sind sichtlich gut aufgelegt. Corona war ein Glücksfall, sagt Douce Steiner, denn sie hatte endlich Zeit rauszufinden: "Was will ich, was will ich nicht mehr."
Zunächst empfand sie den Lockdown aber als Katastrophe. Als sie Mitte März die Homepage geändert, Kurzarbeit angemeldet und die Mitarbeiter informiert hatte, "war alles erledigt, dann sind wir raus aus dem Restaurant, dann habe ich die Tür abgeschlossen und dann sind mir echt die Tränen gekommen."

Corona, Vollbremsung und gelungener Neustart

Nichts in ihrem Leben hat sie so erschüttert, auch nicht der Verlust des zweiten Michelin-Sterns vor zwölf Jahren, als sie das Restaurant vom Vater übernommen hatte. Mit viel Fleiß und Talent hat sie sich den zweiten Stern zurückgeholt. Doch Fleiß und Talent halfen im März 2020 nicht weiter: "Dann hab ich zu meinem Mann gesagt: Udo, das ist eigentlich das erste Mal im meinem Leben, wo ich nicht weiß, wie es weitergeht."

Leben und Arbeiten – bei Familie Steiner ist das eins: Drei Koch-Generationen wohnen zumindest zeitweise in dem barocken Bürgerhaus in Sulzburg. Unten das Sterne-Restaurant mit zwei Gasträumen, oben die Gästezimmer und die privaten Wohnungen. Morgens um acht steht Douce Steiner in der Küche, abends spät gehen die letzten Gäste.
Im März also die Vollbremsung und die Erkenntnis, "dass ich völlig fertig war, vorm Urlaub oder sonntags oder abends – ich hatte keine Lust mehr, jemanden zu treffen, mit jemandem zu reden. Ich konnte auch gar nicht mehr reden, ich habe zum Teil nicht mal mehr Sätze rausgebracht am Sonntag nach der Woche. Und ich habe mich gefragt, woran das liegt, dass alle so am Rad drehen, die ganze Welt eigentlich."

Alles, was Stress macht, flog raus

Die Coronavorgaben halfen beim Gesundschrumpfen. Alles, was Stress macht, musste raus. Zum Beispiel zwei Tische pro Gastraum.
Auch die Speisekarte hat sie entrümpelt: Es gibt keine Einzelgerichte mehr, sondern nur noch zwei Menüs: "Also wir arbeiten jetzt in Ruhe, haben die zwei Menüs, es bringt so insgesamt Ruhe und Konzentration und ich finds geschmacklich auch intensiver. Weniger Gäste im Restaurant, das heißt, der Service ist viel besser, viel entspannter und die Gäste sitzen ja auch viel entspannter."
Allerdings zahlen sie auch mehr Geld. Rund 200 Euro für sieben, 150 Euro für fünf Gänge. "Ja, ich habe zehn Euro aufgeschlagen. Und ich habe mir glaub ich drei Tage den Kopf zerbrochen, ich bin nachts aufgewacht über die Preisgestaltung. Das war eigentlich umsonst!"
Zehn Euro mehr pro Menü, diesen Respekt zollen ihr die Gäste gern. Sie kommen aus der ganzen Welt, aber auch aus der Umgebung.
Und sie kommen inzwischen verstärkt auch unter der Woche – darum hatte die Zwei-Sterneköchin auf ihrer Homepage gebeten, um das Wochenende zu entzerren. "Die Menschen sind so froh, dass sie ausgehen können und respektieren die Regeln."

Michelin-Stern zum ungünstigsten Zeitpunkt

Vom Markgräfler Rebland in den Hochschwarzwald. Auch hier, im postkartenschönen Hinterzarten, hat Corona einer Küchenmannschaft eine Gefühlsachterbahn beschert. Wir sind im Fünf-Sterne-Parkhotel Adler, einem der traditionsreichsten Hotels Deutschlands.
Es lockt mit mehreren historischen Gebäuden, luxuriöser Wellness-Anlage und Anfang März kam eine weitere Attraktion dazu – eine kulinarische. "Wir haben den Stern bekommen, kurz vor Corona." Einen Michelin Stern zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Hotelchefin Katja Newman erzählt die Geschichte vom 'Oscars', einem der Hotel-Restaurants. Ihre Küchenmannschaft hatte die begehrte Auszeichnung zum ersten Mal ergattert. "Man wusste, der Guide Michelin kommt raus und online kommt's aber schneller als das Buch. Und die Jungs waren natürlich ganz heiß drauf, wer hat einen Stern bekommen, wer hat wie viele Sterne bekommen und dann haben sie erfahren, dass das 'Oscars' einen Stern bekommen hat und haben es gleich gepostet
So habe sie von der Auszeichnung erfahren, sagt Newman: "Dann konnten wir uns auch nur über WhatsApp gratulieren, weil wir uns gar nicht mehr gesehen haben – ich hatte ja das Hotel sowieso im März wegen Renovierung geschlossen. Dann kam Corona." Und der Lockdown.
Katja Newman sitzt in einem Sessel. Hinter ihr ein Sofa und ein Couchtisch.
Katja Newmans Küchenmannschaft hat den begehrten Michlin-Stern zum ersten Mal ergattert. Die Nachricht kam, als Küche und Restaurant geschlossen waren.© Sandra Helmeke
Katja Newman führt das Haus in 16. Generation. Sie investierte gerade mehrere Millionen Euro in ihr Hotel und musste sehr schnell eine Entscheidung treffen. Unter Corona-Bedingungen, rechnete sie sich damals aus, konnte sie sich das Sterne-Restaurant nicht mehr leisten.

Romantischer Abend mit Maske – schwer vorstellbar

"Das 'Oscars' hat acht Tische. Durch die Abstandsregelungen wären es noch vier gewesen. Ich habe sechs Mitarbeiter fürs Oscars und da ist die Relation schon immens. Dann gab es Auflagen von der Dehoga wie du dich zu verhalten hast im Restaurant. So wenig wie möglich an den Tisch zu gehen. Das finde ich alles sehr widersprüchlich für ein Sterne-Restaurant, wo du vielleicht einen romantischen Abend verbringen willst, dann sitzt du da mit Maske."
Die Information, Gäste müssten am Tisch Maske tragen, entpuppte sich zwar als Gerücht. Aber das ließ sich im April, als die Entscheidung fiel, nicht absehen. Um unter Corona-Bedingungen das Parkhotel wirtschaftlich zu halten, erdachte Katja Newman ein ganz neues Gastro-Konzept: Früher konnten Gäste spontan entscheiden, ob sie auswärts essen oder in einem der Hotelrestaurants – das geht jetzt nicht mehr. Heute sind die Mahlzeiten im Zimmerpreis inbegriffen. Fünf-Sterne. All-inclusive?

Keine Mitarbeiter entlassen

"Nee, all-inclusive ist furchtbar, das klingt ja so nach Bändel und Buffet und in der Früh vielleicht ankreuzen, was man essen möchte, das ist es nicht. Es ist immer noch auf ganz hohem Niveau. Es sind drei bis vier Menüs die jeden Tag wechseln. All-inclusive, da weigere ich mich, das so zu nennen. Wir nennen es eine Genusspension."
So kann die Küche einfach besser planen. Katja Newman ist nicht nur eine eindrucksvoll elegante Erscheinung, auch ihr Optimismus beeindruckt. Sie wird das Parkhotel Adler aus der Corona-Krise steuern, ohne Mitarbeiter zu entlassen. Nach wie vor an ihrer Seite: Der junge Starkoch, der die begehrte Auszeichnung des Guide Michelin ergatterte. Er kocht jetzt für die große Hotelküche. Wie lange er bleibt, ist allerdings ungewiss. Im Gegensatz zu seiner Hotelchefin trauert er dem im März ausgezeichneten – und geschlossenen - "Oscars" noch immer nach.
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