Corona und die Pflege

Die Not der Alten, der Kranken und ihrer Betreuenden

33:47 Minuten
Auf einem Balkon eines Pflegeheims sitzt eine ältere Dame, Neben ihr steht eine Pflegerin mit Mundschutz.
Die Folgen für die Menschen in Pflegeheimen sind oft grausam: Sie vereinsamen, weil Angehörige sie zum Schutz vor Ansteckung nicht mehr besuchen dürfen. © imago images / Hans Lucas
Moderation: Nicole Dittmer · 24.04.2020
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Pflegeeinrichtungen melden immer mehr Corona-Tote, das Personal muss sich Schutzkleidung aus Müllsäcken basteln, alte und kranke Menschen vereinsamen wegen der Kontaktsperren: Das Virus bringt unser Pflegesystem ans Limit. Was tun?
In der Corona-Krise gibt es immer mehr alarmierende Nachrichten aus Alten- und Pflegeheimen. Trotz aller Schutzmaßnahmen stecken sich Bewohner und Pflegepersonal mit dem Virus an, oft mit schlimmen Folgen: In einem Diakonie-Heim in Wolfsburg sind mehr als 40 Pflegebedürftige an Covid-19 gestorben, um nur einen Fall zu nennen. Caritas-Präsident Peter Neher sagt zur aktuellen Situation in der Pflege: "Es geht um das nackte Überleben". Und der Bremer Pflegewissenschaftler Stefan Görres warnt, dass Pflegeheime durch das Virus zur Falle werden können.

Bundeswehrsoldaten in Pflegeheimen

Die Gründe dafür sind vielfältig: Menschen, die wegen ihres Alters oder schwerer Krankheiten Pflege brauchen, sind durch das Virus besonders bedroht. In Heimen und bei der ambulanten Pflege fehlt es an Schutzkleidung, Masken, Desinfektionsmitteln. Viele Einrichtungen waren personell schon am Limit, bevor die Pandemie kam. Die Pflegekräfte arbeiten bis zur Erschöpfung, unter großem Infektionsrisiko. Immer mehr fallen wegen Krankheit oder Quarantäne aus, inzwischen helfen in einigen Heimen Bundeswehrsoldaten aus.
Die Folgen für die Menschen, die Pflege brauchen, sind oft grausam: Sie vereinsamen, weil Angehörige sie zum Schutz vor Ansteckung im Heim nicht mehr besuchen dürfen. Selbst Sterbende müssen ihren letzten Weg oft allein gehen, Angehörige dürfen nicht Abschied nehmen. Hätten wir mehr Schutzmaterial für Bewohner und ihre Besucher, könnten wir die Besuchsverbote lockern, meint Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe.

"Ein warmer Händedruck wird nicht reichen"

Wie konnte es soweit kommen? Trifft das Virus in der Pflege auf ein System, das ohnehin unterfinanziert und schlecht organisiert ist? Und was ist zu tun? Mehr Geld für die Pflege, für Schutzausrüstung und für mehr Personal? Vielleicht sei die Corona-Krise ja auch eine Chance, die Pflege "neu zu erfinden", hofft der Pflegeforscher Stefan Görres: weg von den großen Heimen hin zu kleineren Wohneinheiten für Pflegebedürftige, die nicht nur humaner seien, sondern wahrscheinlich auch weniger gefährdet, wenn die nächste Krise kommt.
Und wie können die Pflegeberufe attraktiver werden, damit sich für erforderliche zusätzliche Stellen genügend Interessenten finden? Bessere Bezahlung, besserere Arbeitsbedingungen, mehr Wertschätzung? "Ein warmer Händedruck wird nicht reichen", sagt Johanna Knüppel. Wer soll das bezahlen, brauchen wir eine Bürgerversicherung, um die Pflegekassen auf ein solideres Fundament zu stellen?
Und wie kann Pflegebedürftigen kurzfristig geholfen werden gegen die Gefahren des Virus und der Isolation?

Darüber diskutieren:
Prof. Stefan Görres, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen
Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe

(pag)
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