St. Afra-Kirche Prenzlauer Berg

Beten statt Maske tragen

08:15 Minuten
Symbolbild zum Kirchenbesuch während der Coronapandemie, auf dem Kirchenboden liegt eine FFP2-Maske
Eigentlich gelten auch in der Sankt Afra Kirche Coronaregeln, doch am Einlass wird nicht kontrolliert. (Symboldbild) © imago images / Rolf Poss
Von Manfred Götzke · 10.01.2022
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Wir stecken mitten in einer Pandemie. Auch Kirchen versuchen, bei der Eindämmung zu helfen – bis auf die St.-Afra-Gemeinde in Berlin. Dass dort nicht kontrolliert wird, sorgt für regen Zulauf bei der Messe.
Freitagabend im Innenhof der Kirche St. Afra in Prenzlauer Berg in Berlin. Es ist kurz vor sechs, peu à peu trudeln die Gemeinde-Mitglieder zum allabendlichen Gottesdienst ein. Eine der Gläubigen ist extra aus Potsdam angereist, seit drei Jahren kommt sie regelmäßig her, erzählt sie.
Ähnlich geht es einer italienischen Gläubigen, die gerade ihr Fahrrad in den Hof der Kirche schiebt, die sich hinter einer Hausfassade zu verstecken scheint. Auch sie wohnt nicht hier im Kiez, ist extra aus Reinickendorf hergefahren, knapp zehn Kilometer entfernt. Sie kommt her, weil hier die Messe auf Latein gehalten wird.
Seit ein paar Monaten nimmt die Italienerin den langen Weg aber wesentlich häufiger auf sich, erzählt sie. Wegen Corona. Denn anders als in anderen Berliner Gemeinden müssen die Gläubigen in der Sankt Afra Kirche keine Maske tragen. Und das, obwohl die aktuelle Corona-Verordnung des Landes Berlin Maskenpflicht beim Gemeindegesang vorsieht und das Erzbistum Berlin Masken generell vorschreibt.
Abgesehen von der Maskenpflicht gilt wie in allen Berliner Kirchen auch in dieser 3G. Doch niemand kontrolliert an diesem Abend irgendwelche Nachweise.

Der Probst provoziert gerne

18 Uhr. Der Gottesdienst beginnt und Pater Marco Pieranti zelebriert die Messe in Latein. Er betet, singt vor und die Gläubigen folgen ihm. Lediglich Lesung und Predigt werden hier auf Deutsch gehalten. Die Kirchenbänke sind zur Hälfte gefüllt, teilweise halten die Gläubigen Abstand, teilweise nicht. Maske trägt an diesem Abend jedenfalls so gut wie niemand.
Die Kirche ist Teil des katholischen Instituts Philipp Neri. Kurz vor der Messe empfängt der Leiter und Gründer des Instituts, Probst Gerald Goesche, zum Gespräch. Goesche nippt an seinem Cappuccino, dann erklärt er, was seine Gemeinde ausmacht – und vor allem, was sie von anderen katholischen Gemeinden hier in Berlin unterscheidet:
 "Wenn man es ein bisschen markentechnisch sagt, ist es ein klares Produkt, wo man weiß, was einen am Sonntag erwartet. Sie wissen, Sonntag für Sonntag gibt es den kompletten lateinischen gregorianischen Choral, der für sich ein hohes Kulturgut ist."
„Zeitgemäße Pastoral in einer neuheidnischen Großstadt, in der man öfter eine Muslima in Burka als einen Priester in der Soutane sieht“: So beschreibt Goesche auf der Website das Konzept seiner Gemeinde. Er möge solche Zuspitzungen, sagt der Probst.

Der Verzicht auf Kontrollen sorgt für Zulauf

Auch sonst provoziert Goesche gern, aktuell vor allem, wenn es um Corona geht. Masken zum Beispiel hält er im Gottesdienst geradezu für ein Sakrileg. Und auch von Impfungen hält der Probst wenig:
"Wie häufig wollen Sie sich noch impfen lassen? Also die Leute sind schon beim dritten Mal und es ist abzusehen, dass es gegen Omikron nun wieder nicht hilft. Ein Weg wäre, wenn wir resistenter wären – und hinter der Maske kann ich die ja schlecht entwickeln."
In seiner Gemeinde gelte 3G, sagt Goesche. Theoretisch jedenfalls. Denn anders als in den anderen Berliner Gemeinden werden die entsprechenden Nachweise hier nicht überprüft.
Kirchenrechtlich gesehen ist das Institut Philip Neri eine Gesellschaft apostolischen Lebens. Das bedeutet, es ist direkt dem Papst unterstellt und damit unabhängig vom Erzbistum Berlin. Doch das gilt nicht für die Gottesdienste, erläutert Stefan Förner, Sprecher des Erzbistums Berlin. Dass weder Masken getragen werden, noch 3G kontrolliert wird, widerspreche klar dem Hygienekonzept des Bistums.
Goesches Gemeinde hat der eher laxe Umgang mit den Hygienevorschriften bislang jedoch nicht geschadet. Im Gegenteil: Seit Corona kämen deutlich mehr Gläubige, erzählt der Geistliche:
"Unsere Solidarität ist natürlich auch, dass wir für das Bistum, für den Bischof, für das Land und für die Politiker beten. Eigentlich sollten sie froh darüber sein. Aber das ist eine andere Ebene, das ist keine rein materielle hygienische Ebene. Das ist mir schon klar."
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