Corona in Sachsen

Reicht ein Lockdown bis Mitte Januar?

09:45 Minuten
Ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht zur Collm-Klinik Oschatz.
Ein Rettungswagen fährt zur Collm-Klinik Oschatz in Sachsen. Die Klinik verhängte vor über zehn Tagen einen Besucher- und Aufnahmestopp. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas
Markus Scholz im Gespräch mit Axel Rahmlow · 17.12.2020
Audio herunterladen
Sachsens Regierung will doch keine Corona-Hotspots abriegeln. Der Epidemiologe Markus Scholz hält den Lockdown ohnehin für wichtiger. Allerdings sei die Zeit bis Mitte Januar zu knapp, um die Infektionszahlen in Sachsen hinreichend zu drücken.
Die Regierung in Sachsen will keine Landkreise oder Orte abriegeln, in denen es momentan besonders viele Corona-Neuinfektionen gibt: Entsprechende Berichte dementierte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der Freistaat ist schwerer als alle anderen Bundesländer von Corona betroffen, die 7-Tage-Inzidenz liegt bei über 400 pro 100.000 Einwohner.
Markus Scholz, Professor am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig, nennt mehrere Faktoren, die erklären könnten, warum es in Sachsen so viele Coronafälle gibt. Sachsen habe den höchsten Altersdurchschnitt, und gerade bei älteren Menschen habe es verstärkte Ansteckungen gegeben. Die Nähe zu Polen und Tschechien, Ländern mit einem starken Infektionsgeschehen, sei ein weiterer Aspekt. Außerdem könne eine Rolle spielen, dass die Bereitschaft zur Einhaltung der Corona-Regeln reduziert sei:
"Sachsen war ja in der ersten Welle kaum betroffen. Da kann man natürlich vermuten, dass das die Aufmerksamkeit für das Problem reduziert hat."
Dass die erste Welle in Sachsen so schwach ausgefallen sei, könnte in "trügerischer Sicherheit" wiegen. Ein laxer Umgang mit den Corona-Regeln reiche jetzt aber nicht mehr aus. In den vergangenen acht Wochen hätten sich die Fallzahlen verzehnfacht.

Mehr Infektionen in ländlichen Regionen

Vor allem in den ländlichen Regionen Sachsens gibt es viele Infektionen. Scholz sieht auch hier mehrere Aspekte, die dazu beitragen könnten: In den Städten lebten durchschnittlich weniger Menschen in einem Haushalt – und innerhalb von Haushalten sind Ansteckungen leicht möglich –, dazu hätten die großen Städte eine jüngere Bevölkerung. Möglicherweise werde sich im ländlichen Bereich auch mehr getroffen, so Scholz.
In Landkreisen, die derzeit besonders hohe Coronazahlen melden, wählen viele Menschen die AfD. Die Partei lehnt die Corona-Maßnahmen ab. Markus Scholz warnt allerdings davor, hier von einem Zusammenhang auszugehen. Denn wenn man diese Analyse vor zwei Monaten gemacht hätte, als besonders in Berlin und Bremen die Infektionszahlen hoch waren, hätte sich ein ganz anderes Bild ergeben, betont er.
"Aber man muss natürlich in der Tat schauen, ob die Maßnahmen ernst genug genommen werden und auch die Notlage verstanden wird in der Bevölkerung."

Maßnahmen einhalten und kontrollieren

Scholz rechnet mit einer "deutlichen Reduktion der Fallzahlen" durch den Lockdown. Allerdings sei, da auf einem sehr hohen Infektionsniveau begonnen wurde, die Bremswirkung der Maßnahmen geringer und es werde daher auch länger als während der ersten Welle dauern, bis man wieder zu akzeptablen Zahlen komme. Damals habe man gesehen, dass sich die Zahlen alle 14 Tage halbiert hätten. "Deshalb ist auf jeden Fall klar, dass es bis Mitte Januar nicht ausreicht, um die Zahlen hinreichend zu drücken in Sachsen." Er geht daher davon aus, dass die Maßnahmen auch danach fortgesetzt werden.
Landkreise abzuriegeln sei das letzte Verzweiflungsmittel, so Scholz. "Sehr viel wird das nicht bringen, auch wenn man da die Orte abriegelt. Wichtiger ist es, dass die Maßnahmen, die jetzt bestehen, eingehalten und kontrolliert werden."
(jfr)
Mehr zum Thema