Corona-Hotspot Sachsen

Keiner soll sich sicher wähnen

11:12 Minuten
Ein Notarzthubschrauber ist vor dem Klinikum Oberlausitzer Bergland im sächsischen Zittau gelandet.
Das Klinikum Oberlausitzer Bergland in Zittau: Die Triage-Äußerungen eines Arztes haben als Trigger gewirkt, sagt Christoph Schwennicke. © picture alliance/dpa/Daniel Schäfer
Christoph Schwennicke im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 17.12.2020
Audio herunterladen
Sachsen hat sich innerhalb kurzer Zeit zum Corona-Hotspot entwickelt. Das könne auch anderenorts schnell so sein, sagt Christoph Schwennicke vom "Cicero". Doch ist es legitim, AfD-Wahlergebnisse mit lokalen Ausbrüchen in Zusammenhang zu bringen?
Aus Sachsen kamen zuletzt dramatisch klingende Berichte: Ein Zittauer Arzt hatte in einem Bürgerforum geäußert, man müsse bereits entscheiden, wer mit Sauerstoff behandelt werde und wer nicht. Darauf entzündete sich eine Debatte um die so genannte Triage. Tatsächlich müssen nach Darstellung unseres Landeskorrespondenten Alexander Moritz Ärzte in Sachsen durchaus entscheiden, ob alte, schwerkranke Patienten beispielsweise noch zur Verlegung in andere Krankenhäuser fähig seien oder nicht.
Der Journalist Christoph Schwennicke im Porträt
Christoph Schwennicke, Chefredakteur der Zeitschrift Cicero.© imago / Horst Galuschka
Bundesweit wurde die Aussage des Arztes als Hilfe- oder Weckruf gewertet. "Ich glaube, im politischen Betrieb braucht hier keiner noch zusätzliche Weckrufe", sagt Christoph Schwennicke, Chefredakteur der Zeitschrift Cicero. "Da sind die Warnungen von Herrn Wieler vom Robert-Koch-Institut und von anderen auch Weckruf genug." Das Wort Triage sei aber "ein Triggerwort", bei dem man sofort "entsetzliche Bilder im Kopf" habe. Davon müsse man sich aber "ein Stück weit" freimachen: Auch bei anderen schweren Erkrankungen als COVID-19 müssten Ärzte jeden Tag entscheiden, was noch machbar oder geboten sei.

Das Virus ist kein Demokrat

Dass Sachsen sich in einen Corona-Hotspot verwandelt hat, zeigt nach Ansicht Schwennickes, "dass sich keiner da in Sicherheit wähnen" solle. Auch nicht Mecklenburg-Vorpommern, wo die Lage noch vergleichsweise gut sei. Der Journalist findet es zudem nicht abwegig, dass jetzt verstärkt in den sozialen Medien ein Zusammenhang zwischen AfD-Wahlergebnissen und starkem Infektionsgeschehen hergestellt wird. Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) habe eine Korrelation zwischen dem Auftreten von Corona-Skeptikern und lokalen Ausbrüchen angesprochen:
"Das ist legitim, damit stigmatisiert man, finde ich, niemanden. Das ist noch kein endgültiger Beleg. Aber wenn es diese Überlappungen gibt, dann darf man darauf hinweisen."
Zu einer von der AfD als "mittelalterlich" kritisierten möglichen Abriegelung einzelner Gemeinden meint Schwennicke: "Es ist eben auch ein archaisches Virus." Und in der Abwehr dessen greife man auch zu archaischen Methoden wie dem Abstandhalten. "Da ist gar nichts Schlechtes dran." Im Übrigen sei die Demokratie langsam: "Das Virus ist extrem schnell und kein Demokrat."
(bth)
Die gesamte Sendung mit Christoph Schwennicke hören Sie hier:

Audio Player

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des politischen Magazins "Cicero". Er wurde 1966 in Bonn geboren und studierte Germanistik, Politikwissenschaften sowie Journalistik in Bamberg. Von 2005 bis 2007 leitete er das Parlamentsbüro der "Süddeutschen Zeitung". Danach war er beim "Spiegel" stellvertretender Büroleiter der Hauptstadtredaktion.

Mehr zum Thema