Corona-Auflagen für die Weiße Flotte

Mit Mundschutz über den Bodensee

05:31 Minuten
Besucher der Blumeninsel Mainau verlassen das Motorschiff Graf Zeppelin über einen Steg, der über den Bodensee führt.
Saisonstart der Weißen Flotte: Wegen Corona musste die "Graf Zeppelin" bisher im Hafen bleiben. Nun fährt sie wieder, die Gäste sollen Abstand halten. © picture alliance / Thomas Warnack / dpa
Von Thomas Wagner · 10.06.2020
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Die Weiße Flotte des Bodensees stand während des Lockdowns still. Nun laufen die Schiffe wieder aus. Und die Fahrgäste auf dem Deck dürfen sich den Wind um die Nase wehen lassen.
Es ist ein majestätisch anmutendes Dahingleiten über die von leichtem Regen und Wind gekräuselte Wasseroberfläche. Unterwegs mit dem Fahrgastschiff "Graf Zeppelin" – ein weiß lackierter, mehrstöckiger Koloss auf dem Bodensee. Das mächtige Schiff durfte in diesem Jahr erst zwei Monate später als in all den Vorjahren auslaufen. Der Grund: der Corona-Lockdown.
Erleichterung bei Kapitän Johannes Schlunke, dass er nun wieder auf der Brücke stehen und das Schiff über die Weiten des Bodensees steuern darf:
"Man macht sich so seine Gedanken. Aber wenn man die Medien verfolgt hat, hat man gewusst, was los ist, und hat schon damit gerechnet, dass es später losgeht und dass wir nicht so einfach loslegen können, wie wir das gedacht hätten."

Mundschutz - auch auf dem Wasser

Die traditionelle Ausfahrt zu Saisonauftakt: ins Wasser gefallen. 
Die Aufnahme der regulären Linienfahrten vor Ostern: ins Wasser gefallen. 
Im Corona-Jahr 2020 ist vieles anders als in den Jahren zuvor – auch an Bord der Fahrgastschiffe der Bodenseeflotte.
So trägt Kapitän Schlunke, ein agil wirkender Endfünziger, zum ersten Mal in seinem Berufsleben Maske am Steuer – und nicht nur er:
"Zumindest mal wenn die Leute unterwegs sind, wenn Sie in der Toilette sind, also sobald die Abstände nicht eingehalten werden können, müssen wir Masken tragen. Auf den Freidecks und wenn die Leute genügend Abstand halten, können sie auf die Masken verzichten."
Und genau das hat sich auch unter den Fahrgästen herumgesprochen. Ein kühler Wind, ständig Regen – der Schwabe an sich bezeichnet so etwas als richtiges "Sauwetter" – keine wirklich tolle Bodensee-Ausflugsatmosphäre. Und so sitzen dann die Fahrgäste innen eher vereinzelt an den Tischen, blicken nach draußen – aus Sicht des Fahrkartenverkäufers eher suboptimal, aus Sicht derjenigen, die auf die Corona-Regeln achten müssen, aber ideal: So ergeben sich die Abstände zwischen den Passagieren fast von selbst.

Viel los auf dem Freideck

Doch ausgerechnet draußen auf dem Freideck ist an diesem Vormittag mindestens mal genauso viel los wie drinnen – und das, obwohl den Fahrgästen dort ein unangenehmer Wind um die Ohren weht.
"Das wollten wir so, wir wollten draußen sitzen", sagt Fahrgast Horst Fellmer aus München: "Die Freiheit. Einfach draußen, die frische Luft - egal ob Corona oder nicht."
Dort, wo ein frischer Wind weht, hat das gefährliche Virus kaum Chancen, anzugreifen – ganz im Gegensatz zum Innendeck. Und so sitzen die Gäste eingemummt in ihren Jacken auf einer Bank, blicken nach vorne, den näher kommenden Konstanzer Hafen im Blick. Zwei Frauen, Anfang 30, ist es so kühl, dass sie aneinander kuscheln.
"Ich mag’s trotzdem, hier beieinander zu sitzen. Der Wind ist gerade auch gar nicht so stark."

Nicht mehr so unbefangen

Obwohl sie draußen keine Maske trägt, nimmt die junge Frau die Schifffahrt doch mit einem ganz eigenartigen Gefühl wahr.
"Klar, man würde sich vielleicht auch noch mit mehr Leuten unterhalten. Kann man jetzt zum Beispiel auch nicht, wenn man einen gewissen Abstand einhalten muss. Und ansonsten kann man, denke ich, auch nicht seine gewohnten Aktivitäten so ausleben, wie man möchte."
Da muss die Sitznachbarin unwillkürlich lachen – und zustimmend nicken.
"Klar, du musst jetzt immer schauen, wenn du durchs Schiff läufst, den Mundschutz aufsetzen, dass du nicht einfach drauflos laufen kannst. Also man ist jetzt nicht mehr so unbefangen."

Das Virus verändert die Regeln an Bord

Das trifft auch auf Johannes Schlunke und seine Crew zu: Statt, wie erwartet, ein großes hölzernes Steuerrad bedient der Kapitän moderne Elektronik auf der Brücke. Allerdings: So vollständig unbefangen wirkt der Schiffsführer nicht – wegen Corona. Das unsichtbare Virus bestimme mittlerweile mit, was statthaft ist an Bord – und was nicht, sagt Schlunke:

"Hier auf dem Schiff – da wir nur ein Treppenhaus haben, haben wir die Treppe teilen müssen. Eine geht runter, eines rauf. Da wär’s schön, wenn die Fahrgäste sich dran halten würden. Abstandsregeln natürlich. Hände waschen natürlich. Wasser haben wir genug, ohne Ende."
Dabei blickt der Kapitän auf den Bodensee: Die Häuser am gegenüberliegenden Ufer sind nur schemenhaft erkennbar.
"Über die üblichen Regeln hinaus werden die Toiletten desinfiziert. Die Tische werden regelmäßig desinfiziert. Im Großen und Ganzen war’s das."

Registrieren - nicht notwendig

Registrieren mit Anschrift und Telefonnummer, wie beim Restaurantbesuch, müssen sich die Fahrgäste aber nicht. Unausgesprochen wird auch klar: Das Prinzip Hoffnung fährt immer mit, wenn die "Graf Zeppelin" aus ihrem Heimathafen ausläuft – Hoffnung darauf, dass an Bord schon nichts Schlimmes passieren wird, dass das Virus auf dem Bodensee mit seinen weiten Wasserflächen keine Chance hat, zuzuschlagen.
Gerade draußen, zumal bei Wind und Wetter, stehen die Chancen dafür gut. Doch wenn es mal zu einer nachgewiesenen Infektion an Bord kommen sollte – wer weiß, was dann passiert. Dann hilft auch der Rettungsring an der Reling nichts mehr.
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