Comic

Der Kapitalismus - ein Fehler

Euro und US-Dollar
"Das Überleben der Spezies" ist ein Plädoyer gegen den Finanzkapitalismus. © picture alliance / dpa / Foto: Kay Nietfeld
Von Philipp Schnee · 13.11.2014
In dem Comic "Das Überleben der Spezies" gehen der Sozialwissenschaftler Paul Jorion und der Zeichner Grégory Maklès kritisch mit dem Finanzkapitalismus ins Gericht. Das Unheil begann mit der Entlohnung des Managements durch Aktienoptionen.
Genug, es reicht. Es liegt nicht an Ihnen! Es liegt an der Welt! Der Protagonist in Paul Jorions und Grégory Maklès Wirtschafts-Comic "Das Überleben der Spezies" wird gleich zu Beginn mit dieser Einsicht konfrontiert. "Eine kritische, aber nicht ganz hoffnungslose Betrachtung des Kapitalismus" lautet der Untertitel. Der hier angesprochene Fehler der Welt ist folglich ihr Wirtschaftssystem, der Kapitalismus.
Die Entstehung des Kapitalismus ist schnell, auf wenigen Seiten erzählt. Erste Erkenntnis: Geld hat Gewalt ersetzt. Mit Gewalt respektive Geld werden "die 99 Prozent" gezwungen, Überschüsse zu erarbeiten, die schließlich "Im Großen Spiel von der Verteilung der Überschüsse" aufgeteilt werden. Um all zu platten Klischee-Bildern zu entgehen, entscheidet sich Zeichner Greogory Maklès für die offensichtliche Übertreibung, die totale Überzeichnung und bedient sich beim popkulturellen Gedächtnis: Das Heer der Werktätigen wird aus kantigen, fordistisch-gleichförmigen Lego-Männchen geformt, der Kapitalist wird, wie soll es anders sein, als Wiedergänger des Monopoly-Maskottchens im schicken Frack mit Zylinder gezeichnet.
Und dieser Kapitalist hat einen Sohn, dem der Sinn des Kapitalistendaseins erst noch erklärt werden muss. "Kapital muss wachsen" erklärt der Vater zu Beginn, und führt den Sohn durch eine phantastische Szenerie:
Profit durch sinkende Löhne
Am Ende hat der Sohn nur eins gelernt, er konstatiert: "Dass Kapital das Geld ist, das dort fehlt, wo es gebraucht wird", bei den Menschen, die es wirklich brauchen. Und die Autoren haben uns, den Leser, zur fundamentalen Erkenntnis geführt: Der Sündenfall der jüngsten Wirtschaftsgeschichte war die Entdeckung der "Stock Options", der Entlohnung des Managements durch Aktienoptionen. Die Manager wurden seitdem von den Geldgebern nicht mehr einfach entlohnt, sondern anteilig am Gewinn beteiligt. Seit diesem Zeitpunkt profitieren sie von sinkenden Löhnen. Und einer immer größeren Ungleichverteilung der Überschüsse.
"Das Überleben der Spezies" ist das Plädoyer des belgischen Sozialwissenschaftlers und Kolumnist Jorion gegen den Finanzkapitalismus. Das Buch gehört nicht zu jener neuen Art der "Erklärcomics". Besser verstehen tut man nach diesem Comic wahrscheinlich nichts: Vielmehr ist es ein Art Kommentar, vielleicht sogar eine Art Pamphlet-Comic. Jorion erklärt nicht, eher erklärt er sich, eine gewisse Vorkenntnis schadet für die kleinen, feinen Anspielungen, den bisweilen skurrilen Humor nicht. Und manchmal kommt dieser auch mit dem Holzhammer daher und liegt gründlich daneben. Erzählt wird jedenfalls immer in hohem Tempo, mit Sprüngen und Wendungen.
Beim Ritt durch den Kapitalismus muss der Leser auf der Hut sein. "Es liegt nicht an Ihnen." Am Ende reicht den Autoren ihre Botschaft vom Anfang nicht mehr ganz. Ein Appell, auch in schwärzesten Krisentagen nicht zu resignieren, sondern zu handeln, am Ende können Sie es sich nicht verkneifen.

Paul Jorion, Grégory Maklès: "Das Überleben der Spezies. Eine kritische, aber nicht ganz hoffnungslose Betrachtung des Kapitalismus"
Egmont Graphic Novel Köln
120 Seiten, 24, 99 Euro

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