Comedytruppe in Paris

Wir wollen doch spielen

Nach den Terroranschlägen kommen Menschen in einem Restaurant in Paris zusammen.
Viele Menschen haben nach den Terroranschlägen Angst, in Paris weiter in Restaurants zu gehen. © afp / Adrien Morlent
Von Johannes Kulms · 19.11.2015
Wie geht die Bevölkerung in Paris mit den Attentaten um? Wie schwer oder einfach fällt den Leuten der Gang ins Theater oder ins Café? Eine französische Comedytruppe begegnet dem Schrecken mit Humor.
Mittwochabend, 11. Pariser Arrondissement, Kreuzung rue Jean-Pierre Timbaud/ rue Saint Maur. Die Gegend ist beliebt bei jungen Leuten, viele Kneipen und Restaurants. Und auch nun, wenige Tage nach den Terroranschlägen sitzen dort Leute drin, lachen und trinken. Oder stehen vor der Tür, um eine zu rauchen. So wie diese Gruppe von vier, fünf jungen Männern, die gerade vor der Bar "La Boucherie" steht - die Metzgerei. "Ein Radioreporter aus Deutschlanland? Haha, wir haben euch abgezogen beim Länderspiel, nä."
Fängt ja gut an. Dabei soll hier doch eine ernsthafte Frage gestellt werden: "Habt ihr Angst wenn ihr raus geht?"
"Heute sei das mit dem Weggehen OK, am Wochenende sei es anders gewesen", meint Rémy. Aber nun sei es fast normal. Und dann fängt er plötzlich an zu lachen und macht sich über die Situation lustig. "Er ist ein Lügner!", wirft Rémys Kumpel Djimo ein. Alles laufe gerade mies."
Rémy kommt in Fahrt: "Das hier ist alles totale Scheiße." Und außerdem hätte er da ein paar Forderungen. "Ich glaube, wir werden bald ein Rückspiel bekommen", meint Djimo. Und sagt dann: "Oh, das war nicht lustig."
Seltsamer Humor. Aber eben auch eine Art mit dem Thema umzugehen. "Noch mal, habt ihr Angst, wenn ihr rausgeht?" "Nein", sagt Djimo. Etienne ist sich nicht sicher. Das Leben müsse doch weitergehen. Und Rémy findet diese journalistische Frage einfach bescheuert:
"Jetzt ist mal Schluss mit diesem Bild: Ich leiste Widerstand, nur weil ich rausgehe um was zu trinken. Die Journalisten halten uns doch echt für Deppen. Die interviewen dich auf der Café-Terrasse und fragen: Halten Sie sich für Jean Moulin? Und ich sage, äh nee, ich trinke doch nur einen Pastis. Aber der Alkoholismus ist ja wohl keine Forderung, die man stellen kann."
Bei Tinder läuft es nicht mehr
Und dann klingen sie etwas versöhnlicher: Nein, die Frage eines Journalisten danach, sei nicht doof. Aber die Antwort sei doof. Djimo weist unterdessen auf ein anderes Problem hin, dass es seit den Anschlägen gäbe:
"Bei Tinder läuft es überhaupt nicht mehr. Man kriegt gar keine Likes mehr. Das ist unglaublich! Das ist Terrorismus, empört sich Rémy. Aber man müsse doch vögeln, sagt Djimo. Und Etienne wirft ein: "Es gab 135 Tote, wir müssen uns doch wieder vermehren. Dann fängt Rémy an zu kichern: "Vielleicht läuft es für Rémy auf Tinder nicht mehr, weil er schwarzer Hautfarbe ist?"
"Das sehen die doch gar nicht im Radio", antwortet Djimo. "Also, jetzt schickt uns endlich mal eure Likes, wir sind junge gut aussehende Männer."
"Was ist das hier bitte für ein Gespräch?"
"Wir haben halt Humor", meint Rémy. Und Etienne sagt: "Also, über die Terroristen darf man durchaus Witze machen. Der Attentäter vor dem Stade de France, über den kann man doch lachen. Der hat sich zwischen zwei Müllkörben in die Luft gesprengt. Hat man eigentlich Anspruch auf eine Jungfrau, wenn man einen Müllkorb erledigt?"
Keiner traut sich raus
Und dann nimmt dieses völlig absurde Interview plötzlich eine unerwartete Wendung. "Wir lachen viel, weil das das Einzige ist, was wir tun können. Sie stehen gerade einer Komikertruppe gegenüber. Der Humor ist unser Geschäft. Lustig, dass wir Ihnen das erst jetzt sagen. Aber unsere Vorstellung wurde gerade annulliert."
"Bitte?" Der Reporter ist nun verunsichert. Etienne beteuert:
"Wir machen Standup-Comedy. Aber unsere Vorstellung um 19 Uhr wurde abgesagt - weil sich niemand mehr raustraut. So sieht jetzt unser Leben aus. "
Das Panam-Café sei ihre Spielstätte, erzählen die Vier. Das liegt in der Rue de la Fontaine au Roi. Ein paar Schritte entfernt haben die Terroristen in zwei Restaurants und einem Waschsalon gleich drei Mal zugeschlagen. Plötzlich wird das Gespräch ernst. Todernst! Er habe Angst, wenn er auf der Straße sei, sagt Djimo, er würde sich immer wieder umschauen nach möglichen Fluchtwegen.
"Ich kann das gut nachvollziehen, dass die Leute Angst haben, zu einem Konzert oder ins Theater zu gehen. Ich selber hab diese ganzen Bilder im Kopf und weiß: Auch mich hätte es im Bataclan treffen können. Und natürlich kommt auch mir da bei einem Konzert ganz schnell der Gedanke: Wo verdammt noch mal ist hier der Notausgang?"
Es sei schwierig, nun als Komiker mit der Situation umzugehen, sagt Jean-Michel. Ein Witz untereinander, klar, das gehe, aber vor einem Publikum sei das viel sensibler. Etienne glaubt, dass man nun erst mal ein, zwei Wochen abwarten müsse ehe sich der Schock etwas beruhigt habe. Und sehen Sie Grenzen bei Ihrer Arbeit? Haben Sie vielleicht Angst, selber zum Ziel eines Attentats zu werden, endlich wie zum Beispiel die Mitarbeiter von Charlie Hebdo?
"Wir sind nicht sehr bekannt. Aber Ihre Frage ist schon schwer zu beantworten", sagt Djimo. Eine Grenze sei dann überschritten, wenn man Leute persönlich beleidige. Und Etienne ergänzt: "Man darf nicht den Punkt überschreiten, wo man die Leute verletzt."
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