Tamika Campbell mit Denise Linke: Wie die Freiheit schmeckt - Wie ich einer Sekte entkam und das Leben entdeckte
Berlin Verlag, Berlin 2020
224 Seiten, 18 Euro
"Wenn es schmerzhaft ist, kann ich es immer funny machen"
32:55 Minuten
Tamika Campbell macht Comedy, obwohl sie als Kind sehr wenig zu lachen hatte. Aufgewachsen in einer Sekte, in der Gewalt und Missbrauch an der Tagesordnung waren, kam die US-Amerikanerin auf Umwegen nach Berlin – und zur deutschen Sprache.
Ihre erste Fremdsprache war Englisch, obwohl sie als Amerikanerin in New York City auf die Welt gekommen ist. Tamika Campbell wuchs mitten im "Big Apple" abgeschottet in einer muslimischen Sekte auf, in der nur Arabisch gesprochen wurde. Heute weiß sie, dass die wirren Vorstellungen, die ihr Sektenanführer "wie eine Suppe" zusammenmischte, herzlich wenig mit dem Islam zu tun hatten.
"Hier kann ich nicht bleiben, hier sterbe ich"
Indoktrination, Prügel, sexueller Missbrauch: So sah der Alltag in der Sekte aus. Tamika Campbell wollte schon als Kind nur eins - weg von ihren Peinigern, zu denen auch ihre Mutter gehörte: "Das war der einzige Gedanke, hier kann ich nicht bleiben, hier sterbe ich."
Mit 13 ergriff sie die Chance, sich von der Sekte zu trennen, sie kam bei einer Tante in einer der übelsten Gegenden Brooklyns unter. Auch im Ghetto dominierten Gewalt und Missbrauch ihr Leben: "Du wachst morgens auf, ißt ein Müsli, ein Mann b**st dich, dann gehst du zur Schule, das war einfach sehr normal."
Eine mütterliche Freundin half ihr aus diesem Sumpf heraus. Tamika Campbell jobbte, machte mehrere Ausbildungen. 1999 lernte sie im Internet einen deutschen Mann kennen und zog zu ihm nach Deutschland, in den USA hielt sie nichts. Die Beziehung ging in die Brüche, doch Tamika Campbell hatte Deutschland schätzen gelernt. Es dauere zwar, bis sich Deutsche öffnen, sagt sie, aber "dann ist es echt, wahr, tief und man kann sich drauf verlassen".
Erweckungserlebnis im Tierpark
Als Campell vor 13 Jahren bei einem Besuch im Berliner Tierpark herumalbert und sich plötzlich eine fröhlich beeindruckte Menschenmenge um sie bildet, hat sie ihren Beruf gefunden: Comedian. Sie entwickelt ein Bühnenprogramm, Fernsehauftritte folgen, 2018 dann die erste Solo-Tour durch Deutschland. Ihr Comedy-Stil ist direkt, oft derb, political correctness sei nicht ihr Ding, berichtet sie: "Es liegt mir auf der Zunge, ich kann nicht anders, es muss gesagt werden."
Früher war sie ein wütender, aber auch trauriger Clown, erinnert sich Tamika Campbell. Mit den Jahren werde sie ruhiger, milder - allerdings ohne ihre schlimmen Erfahrungen zu vergessen: "Wenn es schmerzhaft ist, kann ich es immer funny machen."
Über ihr bewegtes Leben hat Tamika Campbell ein Buch geschrieben: "Wie die Freiheit schmeckt". Unfreiheit schmecke nach grüner Paprika, die es in der Sekte dauernd gab. Der Geschmack der Freiheit für sie: Brathähnchen. Damit verbindet sie seltene, schöne Erinnerungen an ihre Kindheit.
(pag)
Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 2. Juni 2020.