Comeback von Uli Hoeneß

Ude: Nach Strafe muss Neuanfang möglich sein

Bayernfans halten zum "Liaban Uli"
Viele Bayernfans haben dem verurteilten Steuerhinterzieher Uli Hoeneß immer die Treue gehalten, so wie diese Demonstranten während des Verfahrens vor dem Landgericht München. © picture alliance / dpa
Christian Ude im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 25.11.2016
Selbst frühere Kritiker wie der Ex-Oberbürgermeister von München, Christian Ude (SPD), begrüßen das erwartete Comeback von Uli Hoeneß an die Spitze des FC Bayern. Er habe seine Strafe für die Steuerhinterziehung abgesessen und eine neue Chance verdient.
Ungeachtet seiner früheren Kritik begrüßt der Ex-Oberbürgermeister von München, Christian Ude (SPD ), jetzt das erwartete Comeback von Uli Hoeneß an die Spitze des Fußballvereins FC Bayern. Es sei nach dessen Haftentlassung auf Bewährung allein die Sache von Hoeneß, wann er sich der Öffentlichkeit wieder präsentiere und es sei Sache des FC Bayern, wen er an der Spitze sehe wolle, sagte Ude im Deutschlandradio Kultur.

Die Strafe ist verbüßt

Der Fußballverein habe seinem früheren Präsidenten unglaublich viel zu verdanken. Hoeneß sei als Sportler, als Manager und als Präsident extrem erfolgreich gewesen und habe den FC Bayern zu dem gemacht, was der Verein heute sei. "Da soll man jetzt nicht mit Regeln kommen, von denen man früher in anderem Zusammenhang nie geredet hat", sagte Ude. "Wir haben immer gesagt, eine Strafe muss verbüßt werden, aber danach muss ein Neuanfang möglich sein." Er halte es für das gute Recht der Person Hoeneß wie auch des Clubs die Lösung zu wählen, die für sie die beste hielten.

Kontroversen nicht unter den Teppich gekehrt

"Ich habe mit Uli Hoeneß durchaus Kontroversen gehabt und will die nicht unter den Teppich kehren", sagte Ude. "Ich fand, dass er während seiner Amtszeit allzu ungeniert an Steuergelder herankommen wollte. Da musste man, wenn man ein öffentliches Amt hatte, mit ihm den Konflikt austragen." Ude erinnerte auch daran, dass manche Medien Hoeneß gefeiert hätten, als seine Steuerhinterziehung bekannt wurde. Auch Regierungen auch Landes- und Bundesebene hätten den Sportfunktionär in einer Weise gepriesen, wie es eigentlich nach der Aufdeckung eines millionenschweren Steuerhinterziehungsfalls nicht angemessen gewesen sei. "Das habe ich ebenfalls zu kritisieren gewagt." Am Anfang habe sich Hoeneß noch wie einen Popstar feiern lassen.

Debatte über Steuerhinterziehung nötig

Ude plädierte dafür, grundsätzlich mehr darüber zu debattieren, wie das innere Verhältnis zum Straftatbestand der Steuerhinterziehung sei. "Da habe ich in der Tat aus seinem Umfeld und seinem Unterstützerkreis viele gesehen, die das nur für einen peinlichen Fehler halten und nicht für eine Straftat." Diese Debatte über Steuerhinterziehung und die daraus folgende Ungerechtigkeit müsse geführt werden.

Das Interview im Wortlaut:

Korbinian Frenzel: Uli Hoeneß kommt zurück, der Mann, der einst wie kaum ein anderer für den FC Bayern stand, der ihm vorstand, der zurücktreten und ins Gefängnis musste wegen Steuerhinterziehung. Er betritt heute wieder die Bühne des FC Bayern München und er dürfte sie als das verlassen, was er vorher, vor seiner Strafe war: als Präsident des Vereins. Gelungene Resozialisierung also oder alles viel zu früh? Christian Ude ist am Telefon, lange Jahre Oberbürgermeister Münchens und – das muss man vielleicht ergänzen – Fan von 1860 München. Herr Ude, guten Morgen!
Christian Ude: Ja, guten Morgen!
Frenzel: Noch ist Uli Hoeneß ja nur frei auf Bewährung. Geht Ihnen das zu schnell, dass er wieder FC-Bayern-Präsident wird?
Ude: Also, ich würde tatsächlich sagen – und an kritischer Einstellung fehlt es mir ja nicht –, dass das wirklich allein Sache von Uli Hoeneß ist, wann er sich wieder der Öffentlichkeit präsentiert, und Sache des FC Bayern, wen er an der Spitze sehen will. Wobei man ja sagen muss, er hat diesem Mann unglaublich viel zu verdanken, er war als Sportler, als Manager und als Präsident extrem erfolgreich, hat FC Bayern zu dem gemacht, was dieser Club heute ist. Und da soll man jetzt nicht mit Regeln kommen, von denen man früher in anderem Zusammenhang nie geredet hat.
Wir haben immer gesagt: Eine Strafe muss verbüßt werden, aber danach muss ein Neuanfang möglich sein, da braucht man gar nicht das große Wort Resozialisierung bemühen. Ich halte es für das gute Recht sowohl der Person Hoeneß wie auch des Vereins, die Lösung zu wählen, die man in eigener Kenntnis und eigener Verantwortung für die beste hält.

Sauberer Schlussstrich

Frenzel: Also alles ganz in Ordnung?
Ude: Was diesen Abschnitt angeht: Ja. Ich habe mit Uli Hoeneß durchaus Kontroversen gehabt und will die nicht unter den Teppich kehren. Ich fand, dass er während seiner Amtszeit allzu ungeniert an Steuergelder herankommen wollte, da musste man, wenn man ein öffentliches Amt hatte, mit ihm den Konflikt austragen, und er wurde, als die Steuerhinterziehung bekannt wurde, von manchen Medien gefeiert und von Regierungen auf Landes- und Bundesebene gepriesen, wie es eigentlich nach der Aufdeckung eines millionenschweren Steuerhinterziehungsfalls nicht angemessen war. Das habe ich ebenfalls zu kritisieren gewagt. Aber jetzt ist die Strafe verbüßt und damit rechtsstaatlich ein sauberer Schlussstrich gezogen und jetzt hat jeder seine neue Chance.
Frenzel: Gepriesen wird er auch jetzt. Edmund Stoiber, der ehemalige Ministerpräsident hat sich zu Wort gemeldet, hat über Hoeneß gesprochen und gesagt, er habe auch den Eindruck, er habe sich geändert. Wir hören uns das gerade mal an.

Scherbenhaufen und Fehler

O-Ton Edmund Stoiber: Das Gefängnis hat natürlich seine Spuren hinterlassen. Die Strafe hat sicherlich ihn auch selber sehr herausgefordert und er ist sicherlich mit sich sehr unzufrieden gewesen, er war sein größter Kritiker persönlich. Aber er hat den Weg da herausgefunden.
Frenzel: Edmund Stoiber über Uli Hoeneß. Würden Sie auch so weit gehen, Herr Ude?
Ude: Ja, selbstverständlich, ich halte das für eine vollkommen richtige Beobachtung. Wenn man so lange Zeit buchstäblich hinter Gittern ist und auch in der öffentlichen Darstellung vor einem Scherbenhaufen steht, dann fragt man sich, was habe ich falsch gemacht, dann ärgert man sich darüber, dass man sich zu diesen Fehlern hat verleiten lassen. Und das ist ja auch sehr glaubwürdig und nachvollziehbar geschehen und auch geäußert worden. Ich fand nur am Anfang, als er sich noch feiern ließ wie ein Popstar, obwohl die Hinterziehung von doch sehr vielen Millionen bekannt geworden ist, das war noch ein unangemessener Zustand, ich kann mit dem Willen der Fans im Rücken alles durchstehen und auch so was vom Tisch wischen.
Aber das war doch nur in der Anfangsphase, jetzt hat er eine Haftzeit verbüßen müssen, was man keinem Menschen wünschen kann und darf, dass er durch eine solche Phase durchgehen muss, und danach ist eine neue Situation. Und das fordern wir für jeden Menschen. Es haben ja auch schon viele in der Wirtschaft, selbst in der Politik erlebt, dass sie nach einem schlimmen Fehler büßen mussten, aber anschließend wieder antreten durften. Und da, finde ich, muss auch eine Fairness herrschen beim Publikum.

Straftat und nicht nur peinlicher Fehler

Frenzel: Herr Ude, wenn jetzt alle so versöhnlich sind, selbst Sie als ehemals großer Kritiker, besteht da nicht die Gefahr, dass wir am Ende den Eindruck kriegen: Na ja, Steuerhinterziehung eher doch Kavaliersdelikt?
Ude: Das ist eine Frage, wie man auf andere Weise deutlich macht, dass man es nicht innerlich abhakt oder hoffähig machen will. Aber das kann man nicht daran festmachen, dass einer Person die Chance genommen wird, einen neuen Anfang zu machen. Darüber kann man sich wirklich kritische Gedanken machen, über das Thema, das Sie angesprochen haben, wie die innere Einstellung zur Steuerhinterziehung ist.
Und da habe ich in der Tat aus seinem Umfeld und seinem Unterstützerkreis viele gesehen, die das nur für einen peinlichen Fehler halten und nicht für eine Straftat. Diese Diskussion über Steuerhinterziehung und was sie an Ungerechtigkeit bedeutet und an sozial schädlichem Verhalten, die müssen wir führen. Aber nicht nach einer verbüßten Strafe mit dem, der dabei erwischt worden ist.

Die Lage bei 1860 München

Frenzel: Herr Ude, letzte Frage: Was machen eigentlich die 60er?
Ude: Ja, die haben zurzeit einen wirklich traurigen Zustand. Die kommen auch nicht in die Versuchung, Millionen an der Steuer vorbeizuführen, weil solche Gewinne nicht gemacht werden. Und ich halte auch den permanenten Trainerwechsel für einen Irrweg. In zwölf Jahren 18 Trainer zu haben, das allein sagt ja schon, was hier an Kontinuität fehlt. Ich denke, da könnte tatsächlich der Traditionsverein 60 ein bisschen von Bayern lernen, wie man nicht das Heil im permanenten Wechsel sieht, sondern auch in einer gewissen Tradition und auch Treue zu Personen, die den Verein groß gemacht haben, seien es Präsidenten – die werden ja bei 60 auch alle Nase lang in die Wüste geschickt – oder seien es Trainer oder sonstige Repräsentanten. Da muss ich einfach anerkennen: Der FC Bayern geht mit seinen Spitzenleuten besser um.
Frenzel: Der große Brückenschlag heute Morgen! Christian Ude, Münchens früherer Oberbürgermeister, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Ude: Ja, vielen Dank!
Frenzel: Uli Hoeneß auf dem Weg zurück an die Bayern-Spitze, heute Abend ist die Mitgliederversammlung in München.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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