"Colonia Dignidad", "Midnight Special", "Hail Caesar"

Düstere Gesellschaftsszenarien - und glanzvolle

"Hail Caesar!"-Darsteller George Clooney bei der Eröffnung der Berlinale
"Hail Caesar!"-Darsteller George Clooney bei der Eröffnung der Berlinale © dpa / picture alliance / Kay Nietfeld
Von Christian Berndt · 17.02.2016
In den Kino-Neustarts der Woche werden sowohl düstere als auch glanzvolle Gesellschaftsszenarien entworfen. Der Thriller "Midnight Special" und der Berlinale-Eröffnungsfilm "Hail Caesar" überzeugen unseren Kritiker. "Colonia Dignidad" dagegen nicht.

"Colonia Dignidad": Das Publikum für dumm verkauft

Stewardess Lena ist gerade im Taxi unterwegs ins Hotel, da sieht sie ihren Freund Daniel. Natürlich ist der deutsche Linksaktivist bei einer Demonstration für den sozialistischen Präsidenten Allende dabei. Es ist das Jahr 1973, in Chiles Hauptstadt Santiago ist die politische Stimmung aufgeheizt. Die deutsch-französische Koproduktion "Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück" beginnt stimmungsvoll in braunstichigem Siebzigerjahre-Flair. Lena und Daniel, gespielt von Emma Watson und Daniel Brühl, sind verliebt und genießen ihr Zusammensein - bis sie ein alarmierender Anruf erreicht:
"Ja, danke. Wir müssen weg! Pinochet hat die Macht übernommen, es gab einen Militärputsch. Sie verhaften Allende-Anhänger, sie haben meine Poster an der Uni konfisziert, die werden jeden Moment hier sein. Wir müssen weg." -
"Und wo sollen wir hin?"
"Keine Ahnung."
Die beiden eilen durch die Straßen, überall ist Militär. Es sind beklemmende Bilder, die "Colonia Dignidad" für diese bedrohliche Situation findet. Daniel wird verhaftet und verschleppt, Lena versucht ihn zu finden und erfährt von der Colonia Dignidad - einer Sekten-Gemeinschaft, in die Gefangene des neuen Regimes verschleppt worden sein sollen. Dorthin macht sie sich auf den Weg.
Hatte zu Beginn der Film noch ein spannendes historisches Thema versprochen, ertränkt Regisseur Florian Gallenberger fortan die Geschichte in plakativen Klischees. Statt etwas über Machtstrukturen einer Sektengemeinschaft zu erzählen, wird nur die naiv-überzeichnete Horror-Version eines Gefangenenlagers mit streng bebrillten Aufseherinnen und diabolischem Sadisten-Anführer entworfen. So erlebt man wieder mal das traurige Beispiel einer deutschen Großproduktion, die ihr Publikum zu dumm für komplexere Darstellungen hält.

"Midnight Special": Düster-dystopisches Szenario

Wie man Bedrohung darstellen kann, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen, ist im amerikanischen Science-Fiction-Thriller "Midnight Special" zu erleben. Es beginnt in einem verdunkelten Hotelzimmer, derweil im Radio eine Suchmeldung läuft:
"Die Polizei meldet einen 8jährigen Jungen als vermisst. Er wurde vergangene Nacht aus seinem Wohnhaus ..." "Es ist Zeit, bist Du soweit?"
"Ja."
Während man im Radio vom Verschwinden eines Kindes hört, verlässt ein Mann mit einem Jungen nachts das Hotel. Eine Entführung? Der sonnenempfindliche Junge scheint besondere Kräfte zu haben, den es gibt eine Sekte, die ihn verehrt, und die Regierung ist hinter ihm her. Regisseur Jeff Nichols, der schon mit "Take Shelter" das düstere Bild einer von Paranoia gezeichneten Gesellschaft gezeichnet hatte, entwirft auch in "Midnight Special" ein düster-dystopisches Szenario. Weltuntergangs-Hysterie liegt in der Luft angesichts eines Phänomens, das niemand zu erklären vermag, und Nichols erweist sich abermals als subtiler Interpret gesellschaftlicher Stimmungslagen.

"Hail Caesar": Intelligentes und starbesetztes Spektakel

Aus einer düsteren Gegenwart in eine glanzvolle Vergangenheit. Der amerikanische Film "Hail Caesar", der die diesjährige Berlinale eröffnet hat, lässt schillernd das Hollywood der Fünfzigerjahre wiederauferstehen. In den fiktiven "Capitol Studios" arbeitet Eddie Mannix als Krisenmanager. Er wird gerufen, wenn es brennt - zum Beispiel als der große Schwimmballett-Star DeeAnna Moran ein uneheliches Kind erwartet:
"Noch irgendeine Idee, wen Du heiraten könntest?"
Nicht noch mal, danke, ich hatte schon ..."
"Wie ist es mit Arne Seslum, er ist der Vater oder nicht?"
"Ja, ja."
"Diana, wenn Du ein Kind ohne Vater bekommst, ist das ein Pubilc-Relations-Problem fürs Studio. Das Publikum liebt Dich, weil es weiß, wie unschuldig Du bist."
"Ja, das ist wahr."
"Ich fühl Arne mal auf den Zahn, was er von einer Ehe hält. Und er ist sicher der Vater?"
"Ja, ja, aber klar ist er der Vater, ja. Ziemlich sicher."
Schwieriger wird der Fall, als der Star des Monumentalschinkens "Hail Caesar" Baird Whitlock, gespielt von George Clooney, entführt wird - wie sich später herausstellt von kommunistischen Drehbuchautoren unter der geistigen Führung des marxistischen Philosophen Herbert Marcuse. Ethan und Joel Coen haben nicht nur eine grandiose Hommage auf die Goldene Ära Hollywoods inszeniert - mit unglaublichen Revue-Szenen, wie einer Tanznummer mit schwulen Matrosen im Gene-Kelly-Stil, die noch umwerfender choreographiert ist als das Original.
"Hail Caesar" ist auch ein philosophisches Spiel mit Hollywood-Mythen - von der Kommunistenangst der McCarthy-Ära bis zur Bibelfilm-Obsession. Ein intelligentes, starbesetztes und lustiges Spektakel, wie man es nur alle paar Jahrzehnte geboten bekommt.
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