"Coastal Cleanup Day"

Kleine Müllsammler mit großem Bewusstsein

04:40 Minuten
Kinder in Kiel sammeln Müll am Strand auf.
In Kiel sammeln Kinder Müll am Strand, die Aktion ist Teil des "Coastal Cleanup Day". © Johannes Kulms / Deutschlandradio
Von Johannes Kulms · 19.09.2019
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Beim Coastal Cleanup Day in Kiel helfen schon Kita-Kinder mit, die Strände vom Müll zu säubern. Wer sie begleitet merkt, wie sensibilisiert Kinder heute für die Klimakrise sind.
Der Falckensteiner Strand ist der Hausstrand der Kieler. Bei schönem Wetter fallen die Leute schnell in Scharen ein. Und hinterlassen dabei leider auch viel Müll. Der Strandkindergarten Falckenstein liegt nur ein paar Schritte entfernt von der weitläufigen Sandfläche an der Ostsee. Die Drei-bis Sechsjährigen kommen fast jeden Tag hierher. Zum Baden, Spielen. Und zum Müllsammeln. Auch an diesem Donnerstagmorgen stehen sie bereit. Mit gelber Weste, Eimern und Zangen, die manchmal größer erscheinen als die Kinder selber. Gleich machen sie sich auf die Suche.
"Ich glaube, vielleicht ein paar Glasscherben, Plastik", sagt ein Mädchen.
Die Leute seien wohl zu faul, zum nächsten Müllkorb zu gehen, meint ein Ortskenner. Doch wie ließe sich das ändern?
Das kleine Mädchen hat eine Idee: "Indem man allen Leuten das sagt!"
Ein Junge entgegnet: "In dem man demonstriert!"

Tradition Küstenreinigungstag

Seit mehr als dreißig Jahren gibt es weltweit den "International Coastal Cleanup Day". Die Idee ist simpel: Menschen treffen sich, um zusammen Müll zu sammeln. An Flüssen, Seen und natürlich den Meeresküsten.
Seit 2013 finden solche Aktionen auch an der Kieler Förde statt. Das ist vor allem Kathrin Knickmeier zu verdanken. Die Meeresbiologin leitet die Kieler Forschungswerkstatt – das Schülerlabor der Christian-Albrechts-Universität.
Der "Coastal Cleanup Day" ist ein Citizen Science Projekt. Das bedeutet: Der Müll wird am Ende der Aktion sortiert und genau erfasst. Die Zahlen fließen dann in eine internationale wissenschaftliche Auswertung.
Kinder in gelben Warnwesten sammeln Müll am Strand auf. 
Die Kinder des Strandkindergartens in Kiel sammeln Müll.© Johannes Kulms / Deutschlandradio
"Unser Hauptziel ist der Bildungsaspekt dabei. Und die Handlungsoptionen. Ein Ausweg für die Schülerinnen und Schüler zu zeigen aus all den schlechten Nachrichten", sagt Knickmeier. Plastikverschmutzung ist ja nur eines der aktuellen Probleme, die wir haben, das weiß jeder: Klimawandel, Meeresspiegelanstieg und so weiter. Hier ist aber etwas, das sie selbst verändern können: Den Müll beseitigen und darüber nachdenken, wo kommt der her?"

Großes Lernpotenzial

Fragt sich nur: Ist so eine Aufweckaktion eigentlich noch notwendig, wo wir doch seit Monaten vor allem dank der Bewegung Fridays For Future über den Klimawandel diskutieren und damit auch über unseren Lebensstil? Ja, meint Kathrin Knickmeier. "Im Moment haben wir noch gesagt, dass das einfach so viel Potenzial hat, das Thema auch in die Schulen zu bringen: als ein Beispiel der anthropogenen Einflüsse, dass wir dabei weitermachen."
Mehrere Schulklassen sind inzwischen am Falckensteiner Strand eingetroffen. Allein oder in Grüppchen ziehen die Jugendlichen an der Ostsee entlang. Direkt an der Wasserkante überlegen mehrere Grundschülerinnen und Grundschüler, wie jetzt mit dem Haufen zurückgelassener Pistazienschalen zu verfahren ist.

"Umweltklima: Wenn man soviel Müll wegschmeißt, dass das Klima sich entwickelt."

Junge: "Was ist das?"
Ein anderer antwortet: "Das sind Nussschalen."
Mädchen: "Nein, das sind Muscheln."
Junge: "Das sind Nüsse. Nussschalen ist Müll!"
Die Kinder sind sich einig, dass viele Leute Wissenslücken beim Umgang mit Müll haben. Das Thema spielt auch für sie im Sachkundeunterricht eine Rolle. Trotzdem würde sie gerne noch mehr wissen über die Umwelt, beziehungsweise das "Umweltklima", wie es ein Viertklässler nennt. "Umweltklima ist, wenn man soviel Müll wegschmeißt, dass das Klima sich entwickelt."

Anschaulich sortierte Müllhaufen

Ein paar Meter liegt auf dem Strand eine dunkelgrüne Kunststoffplane. Zwanzig verschiedene Häuflein und Haufen werden hier in den nächsten Stunden emporwachsen.
Zigarettenkippen, Luftballons, Spielzeug, Fischereiausrüstung, Flaschen, Styroporteile, Getränkedosen – das sind einige der Kategorien, die hier erfasst werden. Die Sammelstelle wird betreut von Oberstufenschülerinnen und Schülern der Gemeinschaftsschule Friedrichsort.
Beim letzten Sammeltag seien hier vor allem viele Zigaretten und Styroporreste abgegeben worden, sagt die 18-Jährige Lena. Auch in Zeiten von Fridays for Future seien solche Aktionen wichtig: "Ja, das ist noch nötig", sagt sie. "Sonst würde hier ja kein Müll mehr liegen!"

Schlagwort-Diskussion

Doch Lena ist nicht nur genervt vom Müll. Sondern zunehmend auch davon, wie manche Diskussion zwischen Anhängern und Kritikern der schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg inzwischen geführt wird. Es sei eben nicht so, dass alle Menschen ihrer Generation Thunbergs Anliegen unterstützen.
"Also, wenn mir jetzt jemand sagt, ich finde das schlecht, was du machst, das ist irgendwie linksgrünversifft, nur weil man seinen Müll nicht irgendwo auf die Straße schmeißt – dann fühle ich mich persönlich nicht angegriffen!", sagt Lena. "Dann sage ich, ‚Hey, das sehe ich nicht so‘ – und sage dann auch, warum ich das so mache!"
Vielleicht werden die jüngsten Müllsammler aus dem nahen Strandkindergarten solche Diskussionen eines Tages gar nicht mehr führen. Wenn sie mit den Kindern an den Strand oder in den Wald gehe, sagt Sabine Rehn-Geppert, würden die jedes Mal automatisch anfangen, den Müll einzusammeln. "Ich brauche eigentlich nichts mehr sagen", so die Erzieherin.
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