Climate Engineering

Der Mensch als Klimamacher

New Yorker demonstrieren gegen Trumps Kabinett, zu dem auch Personen gehören, die bestreiten, dass es einen Klimawandel gibt. Eine Frau hält ein Schild in der Hand, auf dem steht: "Earth needs thinkers not deniers". Die Erde braucht Denker, keine Leugner.
New Yorker demonstrieren gegen Menschen, die den Klimawandel leugnen. © imago / Erik McGregor
Von Anja Krieger · 02.03.2017
Um die globale Erwärmung aufzuhalten, entwerfen Wissenschaftler Ideen, wie man das Klima technologisch beeinflussen kann: die Stratosphäre mit Kalk zu impfen oder mit Tischtennisbällen im Ozean das Sonnenlicht zu reflektieren. Manche Vorschläge sind riskant.
Die Erderwärmung muss gestoppt werden. Darauf haben sich Vertreter aus aller Welt mit dem Klimavertrag in Paris geeignet. Um weniger als ein Grad darf die Temperatur jetzt nur noch steigen, sonst könnte der Planet ins Klimachaos taumeln. Doch wie ist das zu schaffen?
Ein abenteuerlicher Plan wird wieder debattiert, das sogenannte Geoengineering. Die Kühlung der Atmosphäre mit künstlichen Mitteln wäre ein echter Notfallplan. Doch Wind- und Sonnenenergie, Emissionshandel und stromsparende Technik haben das Problem bisher nicht lösen können.

Sonnenlicht in höheren Luftschichten ablenken

Wie wäre es zum Beispiel, unzählige weiße Tischtennisbälle in den Ozean zu werfen und damit das Sonnenlicht zu reflektieren? Die Idee stammt aus 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Das war einer der ersten Vorschläge für Geoengineering. Heute forschen Wissenschaftler an der Harvard-Universität an der wohl umstrittensten Methode. Sie untersuchen, wie man das Licht der Sonne schon in höheren Luftschichten ablenken könnte.
Zu Besuch bei David Keith an der Paulson School of Engineering. Die Technologie, an der David Keith von der Paulson School of Engineering arbeitet, gilt als äußerst riskant. An öffentliche Gelder kommt er deshalb nur schlecht. Aber es gibt private Spender wie Bill Gates. Der reichste Mann der Welt unterstützt Keith und die Geoengineering-Forschung seit Jahren mit großzügigen Summen.
Zhen Dai im Labor von David Keith
Zhen Dai im Labor von David Keith© Deutschlandradio Kultur / Anja Krieger
Spätestens seit dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen ist bekannt, dass Schwefelpartikel in der Stratosphäre die Temperatur global senken können. Als der Vulkan im Juni 1991 ausbrach, schleuderte er Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre. Ein Schirm aus Schwefelsäuretropfen legte sich um die Erde und senkte die Temperatur um ein halbes Grad Celsius.
Damit machte ein einziger Vulkan den gesamten von Menschen verursachten Temperaturanstieg seit der Industrialisierung wett – zumindest für einige Monate, bis natürliche Prozesse die Partikel wieder herausgefiltert hatten.
Könnte man diesen Effekt nicht also nutzen, um den Planeten ganz bewusst zu kühlen? Das debattieren seitdem auch prominente Forscher. Leider hat die Idee, Pinatubo zu spielen, aber einen großen Haken: Die Partikel in der Atmosphäre führen zu Reaktionen, die die Ozonschicht abbauen.

Eine Idee: Kalkimpfung der Stratosphäre

Solche großtechnischen Eingriffe und ihre Konsequenzen untersucht auch Atmosphärenchemiker Frank Keutsch. Er beschäftigt sich mit der Frage, was der Mensch tun kann, wenn der planetarische Notfall eintritt. Wenn es sehr plötzlich zu heftigen Klimaveränderungen käme, könnten die ökonomischen Kosten, aber auch jene für Mensch und Umwelt sehr hoch sein, so Keutsch.
Im Dezember 2016 veröffentlichten Keutsch und David Keith neue Forschungsergebnisse. Auf der Suche nach einem Material, das die Ozonschicht schont, waren die Forscher fündig geworden. Keutsch:
"Es ist wirklich erstaunlich, dass ein so häufiges Material wie Kalziumkarbonat, und das auch so harmlos ist, eben genau die idealen oberflächenchemischen Eigenschaften hat, diese Ozon-Zerstörung zu verhindern, das heißt, es macht sogar das Gegenteil, wenn man wollte – und ich sage nicht, dass das ist, was man will – können wir damit unter Umständen sogar das Ozon in der Stratosphäre erhöhen. Prinzipiell ist der Ansatz natürlich, wir wollen so wenig wie möglich, so wenig Veränderung wie möglich im System haben, aber im Prinzip stünde diese Möglichkeit damit offen, zumindest in Modellen im Augenblick."
Bei den größten wissenschaftlichen Journalen konnten Keith und Keutsch damit nicht landen, die amerikanische Nationalakademie aber veröffentlichte ihre Ergebnisse. Doch auch die Forscher selbst sind noch nicht sicher, was eine Kalkimpfung der Stratosphäre noch an Folgen mit sich bringen könnte.
Am Computer und in der Glasröhre lässt sich nicht alles testen. Die Forscher plädieren deshalb für begrenzte Versuche in freier Natur. Dafür wollen sie Kalzit-Partikel mit Ballons oder Flugzeugen in die Stratosphäre sprühen. Keutsch:
"Dieses Einbringen dieser Partikel über einen Kilometer in der Stratosphäre oder ein paar Kilometer, hat für den Boden oder sogar für die Umwelt an sich überhaupt keinen Einfluss, weil das einen so kleinen Bereich der Stratosphäre darstellt, dass es überhaupt keinen signifikanten Einfluss hat – und von daher muss man sich in diese Richtung überhaupt keine Gedanken machen."

Vulkan spielen

Dan Cziczo ist Professor für Atmosphärenchemie und leitet das Wolkenlabor am MIT. Gemeinsam mit den Studierenden analysiert Dan Cziczo verschiedene Climate-Engineering-Konzepte. Dem neuen Vorschlag von David Keith und Frank Keutsch aus Harvard steht der Wissenschaftler skeptisch gegenüber.
"Ich habe noch keine überzeugenden Beweise dafür gesehen, dass es wirklich so einen Partikel gibt, den wir in die Stratosphäre einbringen können, der das Ozon nicht zerstören oder ihm sogar helfen würde – das wurde bisher noch nicht schlüssig bewiesen. Das ist Science Fiction und zurzeit Spekulation."
Auch die Forderung nach Versuchen in der Natur sieht der Atmosphärenforscher kritisch. David Keith von der Harvard-Uni hat zwar selbst ein Moratorium gefordert, das riskantere Experimente in großem Maßstab ausschließt. Doch dabei entsteht genau der Spielraum für die kleineren Experimente, die Keith und sein Team gern durchführen möchten. Dan Cziczo:
"Ich verstehe nicht, was der Zweck eines solchen "klein-skaligen" Einsatzes sein sollte. Man müsste den Versuch ja groß genug anlegen, um den Effekt zu beobachten, den man erzielen will – also die Minderung der Temperatur auf der Erde. Wenn man ein Resultat haben will, muss der Versuch so groß sein, dass sich die Temperatur auf fühlbare Weise ändert, ein Zehntel Grad, zwei Zehntel Grad und so weiter. Das ist kein klein-skaliger Einsatz! Und damit riskiert man, dass es zu ersten Nebenwirkungen kommt."
Der Weltklimarat IPCC beschreibt Wolken und Partikel in der Atmosphäre als die großen Unbekannten der Klimaforschung. Sie sind komplizierte Objekte, die mal zur Erwärmung, mal zur Abkühlung führen können. Um zu verstehen, welche und wie viele Partikel überhaupt in der Atmosphäre sind, und wie sie sich verhalten oder etwa Wolken bilden, forscht Dan Cziczo in seinem Labor an den Grundlagen. Und genau deshalb ist er gegen die Experimente.
"Wenn man solche Partikel in die Atmosphäre gibt, kann das zur Wolkenbildung führen. Das heißt, Auswirkungen auf die Niederschläge. Damit greift man in die Balance des Planeten ein. Man verursacht Regen, wo keiner war, oder verhindert ihn, wo es bisher geregnet hat. Das heißt, man verursacht Dürren und Überschwemmungen."

Das Funktionieren einer Technologie ist nicht alles

Das solare Geoengineering könnte so das globale Gefälle zwischen Arm und Reich vertiefen. Wenn es einmal im Einsatz wäre, könnte es die Menschheit abhängig machen von einer Technologie, die doch nur einen Aspekt des Klimawandels bekämpft, nämlich die erhöhte Temperatur, erklärt Dan Cziczo:
"Kohlendioxid hat aber noch andere Effekte auf unseren Planeten. Zum Beispiel macht es die Ozeane saurer, was schwerwiegende Folgen für marine Ökosysteme hat. Wenn man also die eigentliche Temperatur verschleiert und gleichzeitig zulässt, dass das Kohlendioxid weiter ansteigt, dann ist das, wie wenn man eine Schmerztablette für einen gebrochenen Arm nimmt. Dann fühlt man sich vielleicht besser, aber der Arm wird dadurch auch nicht geheilt. Das ist keine wirkliche Lösung."
Sheila Jasanoff ist Sozialwissenschaftlerin an der Harvard-Universität. Sie meint:
"Also, ich glaube, wir nehmen alle an einem riesigen Experiment teil – dem Experiment des Anthropozän, das seit der industriellen Revolution einschneidende Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur hervorgebracht und die Umwelt verändert hat. Und nun befinden wir uns in einem weiteren gigantischen Experiment, dem Versuch die schlimmsten Nebenwirkungen wieder rückgängig zu machen."
Und sie sagt: "Die Erfinder solcher technologischen Systeme verfangen sich oft in einer Denkweise, die sich vor allem auf das Funktionieren der Technologie selbst beschränkt. Sie werden in gewisser Weise fast verführt von der Tatsache, dass sie etwas zum Laufen bringen – und das Kriterium für Erfolg und Scheitern besteht dann darin, ob das Ding richtig läuft oder nicht."
Sollen wir wirklich, ganz bewusst ins Klimasystem eingreifen? Kennen wir unsere Welt gut genug, um die Folgen einschätzen zu können? Sheila Jasanoff untersucht die Wechselwirkungen zwischen Technologie und Gesellschaft und plädiert für mehr Bescheidenheit.
"Ich glaube es ist einfacher für Sozialwissenschaftler, bescheiden zu sein, unter anderem, weil wir nicht so viel verdienen. Bill Gates wird mir niemals fünf Millionen Dollar geben, um meine Gedankenexperimente und tiefen Reflextionen über die technologische Gesellschaft durchzuführen. Aber er investiert diese Millionen gerne in ein Projekt, das ein globales Problem aus seiner Sicht mit einem Schlag technisch lösen könnte."

Fragen und Risiken diskutieren

Die Nebenwirkungen solcher technologischen Lösungen treten immer wieder zu Tage, erklärt Jasanoff. Man müsse nur in die Vergangenheit schauen, etwa als die Bio-Treibstoffe aufkamen. Der Anbau der Treibstoff-Pflanzen beanspruchte kostbaren Boden, der für die Produktion von Nahrungsmitteln gebraucht wurde – vor allem in armen Ländern.
"Wenn man das zynisch betrachten will, hat das die Mobilität der entwickelten Gesellschaften aufrechterhalten, auf Kosten von Hunger dort, wo weniger Technologie vorhanden war. Solche Beispiele für die Fehleinschätzung der Folgen eines technologischen Systems finden sich überall."
Sollte man Geoengineering als Lösungsweg deshalb vielleicht besser gar nicht erst diskutieren?
Sheila Jasanoff: "Ich glaube nicht, dass es was bringt, die Hände in den Schoß zu legen und nicht darüber zu sprechen. Aber es gibt große Fragen: Wer alles sollte an dieser Diskussion teilnehmen und wie? In welcher Sprache sollte man darüber reden und wer sollte wie zuhören?"
(mia)
Das komplette Manuskript des Zeitfragen-Features: "Climate Engineering - Notwendige Eingriffe in das Klimasystem?"
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