Citizen Science am Naturkundemuseum Berlin

Singt die Nachtigall im Dialekt?

06:14 Minuten
Eine Nachtigall sitzt mit geöffnetem Schnabel auf einem Ast zwischen grünen Blättern.
Über den Gesang der Nachtigall können Rückschlüsse auf ihr Verhalten gezogen werden. © Eyeem / Maren Winter
Silke Voigt-Heucke im Gespräch mit Nicole Dittmer · 11.11.2019
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"Forschungsfall Nachtigall" heißt das Projekt, in dem das Naturkundemuseums Berlin zusammen mit Laien den Gesang der Vögel erforscht. Über 7000 Aufnahmen haben Bürger hochgeladen. Biologin Silke Voigt-Heucke sagt, welche Erkenntnisse sie gewonnen hat.
Der Gesang der Nachtigall taucht immer wieder auf in der Literatur, der Kunst und nun auch in der Wissenschaft. Das Berliner Naturkundemuseum gibt Einblicke in das Citizen-Science-Projekt "Forschungsfall Nachtigall", bei dem Bürgerinnen und Bürger aufgerufen waren, die Gesänge der Nachtigall in Gärten und Parks aufzuzeichnen. Silke Voigt-Heucke, Biologin am Naturkundemuseum, erklärt, worum es in dem Projekt geht:
"Zum einen wollen wir besser verstehen, welche Bedeutung die Nachtigall für die Menschen in Deutschland hat, also welche Emotionen und Gefühle sie mit ihr verbinden, und vor allem auch, welche Geschichten und Gedichten es zur Nachtigall gibt." Daneben gehe es darum, besser zu verstehen, wo die Nachtigall überall vorkomme und ob sie von Region zu Region unterschiedlich, womöglich in Dialekten, singt.
Aufnahmen aus ganz Europa
Mit der App "Naturblick" des Naturkundemuseums konnten Menschen die Gesänge aufzeichnen. Über 7000 Aufnahmen nicht nur aus Deutschland, sondern aus ganz Europa, wurden auf diese Weise gespeichert und liegen dem Museum nun vor.
Silke Voigt-Heucke hat sie alle gehört und stellt fest, dass es tatsächlich Unterschiede gibt: "Nachtigall-Männchen lernen – genauso wie wir Menschen – ihre Gesänge. Und beim Lernen passieren Fehler oder man lernt von seinen Eltern und so können sich auch bei Vögeln und auch bei der Nachtigall Unterschiede im Gesang herausbilden."
Nachtigallen singen Bayerisch
Was die Nachtigall höre, nehme sie in ihr Sprachgedächtnis auf, bestätigt die Biologin. Die Männchen blieben am Ort ihres Schlupfes, wo sie später auch ihr Revier verteidigten. Über die Jahre könnten auf diese Weise Nachtigall-Gesangskulturen entstehen.
Bei der Auswertung der Aufzeichnungen analysierte das Museum, ob bestimmte Elemente im Gesang in bestimmten Regionen häufiger vorkommen, um dann von Dialekten sprechen zu können. Es habe sich gezeigt, dass Nachtigallen in der Tat anders singen könnten, je nachdem, aus welcher Gegend sie kommen. So klinge etwa das sogenannte Schluchzen in München anders als in Berlin.
Zudem könnten über den Gesang auch Rückschlüsse auf das Verhalten gezogen werden, so Voigt-Heucke: "Zum Beispiel, wenn eine Nachtigall mit einer sehr hohen Frequenz singt, sehr, sehr vehement, dann weiß man, dass sie sich gerade eventuell von einem Rivalen bedroht fühlt." Bei anderen Sequenzen, beispielsweise bei einem sehr variablen Gesang, könne man schlussfolgern, dass der Gesang an ein Weibchen gerichtet ist.
Ein Wörterbuch für Nachtigall-Gesang
Aktuell wertet das Museum gemeinsam mit Bürger-Forschern die Gesänge aus und arbeitet daran, ein Wörterbuch, einen Strophenkatalog des Gesangs der Nachtigall zu erstellen. "Da sitzen wir den Winter über dran. Aber im Frühjahr geht es im Museum für Naturkunde in Berlin weiter, damit die Berlinerinnen und Berliner und auch alle Menschen, die Berlin besuchen kommen, sich weiterhin am Gesang der Nachtigall so erfreuen können wie wir."
(asi)
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