Spielend lernen, wie Wirtschaft funktioniert
04:58 Minuten
Von Jürgen König · 13.06.2019
Die Wirtschaft ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Ein neues Museum in Paris will aufklären, die "Cité de l’économie et de la monnaie", kurz "Citéco" - ein wahres Juwel. Der Standort: Das frühere Zentralgebäude der Banque de France.
Wer nach Paris kommt, sollte unbedingt dieses neue Haus besuchen: Es ist großartig. Und weit mehr als nur ein "Wirtschaftsmuseum": die "Citéco", die "Stadt der Wirtschaft und des Geldes" ist ein Ort zum Staunen und Bewundern und mit seinen vielen interaktiven Möglichkeiten ein idealer Ort auch für all jene, die sich bisher nicht für Wirtschaftsthemen interessierten.
Die Wirtschaft macht ein bisschen Angst
Xavier Limagne, Museumswissenschaftler und maßgeblich an der Gestaltung des Hauses beteiligt, meint: "Die Wirtschaft macht ein bisschen Angst. Gleichzeitig ist aber den meisten Menschen klar, dass sie, wenn sie etwas von der heutigen Gesellschaft verstehen wollen, dass sie dazu auch wirtschaftliche Zusammenhänge kennen müssen. Denn auch wenn sie sich nicht für die Wirtschaft interessieren, interessiert sich die Wirtschaft doch für sie! Also: Wenn man aufgeklärte Bürger haben möchte, ist es unverzichtbar, diese Dinge zu verstehen."
Kaufen und verkaufen per Chat
An großen Tischen mit bis zu zehn Computerkonsolen können Besucher per Chat zu anderen Besuchern Kontakt aufnehmen, auch Mitarbeiter des Museums beteiligen sich, in der Regel Wirtschaftswissenschaftler.
Man kann zum Beispiel kaufen und verkaufen: von der einzelnen Hose über Rohstoffe und Aktien bis zu ganzen Unternehmen. Je nach Themenbereich werden auch verschiedene Rollen angeboten, zwei Spieler treten etwa als Unternehmer im Sportschuhgeschäft gegeneinander an.
"Die Spieler haben drei Möglichkeiten", so Nicolas Vinci von der "Citéco". "Sie können Neuerungen einführen, sie können Kosten senken oder intensives Marketing betreiben. Je nachdem, für welche Möglichkeit man sich entscheidet, gewinnt man Marktanteile oder auch nicht. Das heißt, einer der beiden Spieler wird gewinnen. Oder: Beide gewinnen, indem sie den ganzen Markt dominieren, weil sie sich auf verschiedene Spezialgebiete konzentrieren."
In einem perfekt nachgebauten Konferenzsaal können ganze Klimagipfel inszeniert werden: Neun Besucher übernehmen dabei jeweils die Rolle eines Staatsvertreters und treten, wie auf einer richtigen Konferenz, im Gespräch gegeneinander an.
Argumentieren die einen etwa, für ihr Land sei wirtschaftliche Expansion überlebenswichtig, halten andere vielleicht mit klimapolitischen Begründungen dagegen. Wo der Sachverstand fehlt, stehen wiederum Fachleute bereit zum Gespräch.
Fachjargon und Konzepte verstehen
"Wir wollen das Wirtschaftsgeschehen verständlich und interessant machen und zur Diskussion stellen", so Xavier Limagne. "Wirtschaft, das heißt ja auch, eine Wahl treffen zu können. Wenn man die Ökonomen im Fernsehen hört, hat man oft den Eindruck, wir alle hätten überhaupt keine Wahl! Außerdem sprechen sie oft in einem Fachjargon, den außer ihnen niemand versteht. Also konfrontieren wir sie mit den Ansichten der Besucher, bringen beide Seiten zusammen. Aber, um diskutieren zu können, braucht es ein Minimum an Wirtschaftskultur, man muss die Konzepte verstehen."
8500 Jahre Wirtschaftsgeschichte
Damit man "die Konzepte verstehen" kann, erzählt die Ausstellung wie nebenbei 8500 Jahre Wirtschaftsgeschichte von den ersten Tausch- und Handelsaktivitäten bis zu den komplexen globalen Wirtschaftsstrukturen unserer Zeit.
Sie erklärt Unternehmensformen, wirtschaftliche Mechanismen, Theorien zur Schaffung von Wohlstand, zum internationalen Handel, zur Geldpolitik, zur Ungleichheit der Einkommen, zur Rolle des Staates und der Gewerkschaften.
Dazu gibt es Schautafeln und Grafiken, Plakate, Fotos, Filme, Collagen, Skulpturen; eine ist meterhoch und zeigt Hunderte Objekte, die alle einmal, irgendwo auf dieser Welt, als Geld benutzt wurden: Perlen, Muscheln, Ketten, Amulette, Federn, Masken, Münzen, Banknoten.
Als Gebäude wurde ein architektonisches Meisterwerk der Neorenaissance wieder hergerichtet: Ein kleines Schloss, 1878 erbaut vom Bankier Emile Gaillard. Eine Villa aus Marmor, Backstein und Glas, mit verzierten, hohen Holzdecken und getäfelten Wänden.
1923 übernahm die "Bank von Frankreich" den Bau. Die Privaträume des Bankiers wie die Geschäftsräume inklusive Schalterhalle und Tresorraum bilden nun einen grandiosen Rahmen für die Auseinandersetzung mit den Wirtschafts- und Menschheitsfragen von heute. Paris hat viele herrliche Museen – nun ist noch ein wahres Juwel hinzugekommen.