Christenheit

Papsttum größte Hürde für vereinte Kirche

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In Mannheim wird es 2017 eine große Ausstellung über die Päpste geben. © dpa/Michael Kappeler
Von Ludger Fittkau · 19.10.2014
Dass Kirchengeschichte heute noch Zündstoff bietet, zeigte ein Kongress mit Wissenschaftlern und Vertreter beider Kirchen. Diskutiert wurde auch der Pluralismus der Religionen und das Ende des katholisch-protestantischen Doppel-Monopols.
Die schillernde Geschichte des Papstamtes kam erst einmal zu kurz bei einem Podium, das ja der Vorbereitung der großen Ausstellung über die Entwicklung päpstlicher Herrschaft dienen sollte. Geboten wurde stattdessen ein intellektueller Parforceritt entlang der großen Linien der allgemeinen Kirchengeschichte - und das in erstaunlicher Harmonie über die Konfessionsgrenzen hinweg. Die Kontroverse entzündete sich schließlich speziell an der Frage, wie man heute mit der Rückkehr religiöser Gewalt umgehen solle.
Der Berliner Bischof Wolfgang Huber beschrieb zunächst die Geschichte der lateinischen Christenheit als einen "Prozess der Pluralisierungen":
"Wobei die Pluralisierungen natürlich einen höchst unterschiedlichen Charakter haben. Es ist eine riesige Differenz, ob eine junge christliche Gemeinde als pluralisierender Faktor, als Minderheitsgemeinde in einer durch römische Staatsreligion beherrschten Situation eintritt und einen gewissen Pluralisierungsschub bewirkt. Oder Armutsbewegungen die Kirche ein Stück weit von Innen aufmischen oder vorreformatorische Bewegungen im Mittelalter auftreten oder das sich so zuspitzte, dass es sogar zur Bildung unterschiedlicher Kirchen kommt."
Diese Entwicklung hin zu mehr Vielfalt auch in religiösen Fragen schreitet weiter voran, so Huber. Heute seien etwa die "säkulare Option" auf der einen Seite sowie Islam oder orthodoxes Christentum auf der anderen Seite Realitäten, die längst das religiöse Doppel-Monopol von Katholiken und Protestanten in Deutschland beendet habe.
Alte und neue Verhältnisse von Staat und Kirche
Daraus folgt natürlich die Frage danach, in welchem Verhältnis alte und neue religiöse Optionen zu Staat und Gesellschaft stehen. Diesen Punkt griff der Mainzer Kardinal Karl Lehmann auf. Aus seiner Sicht ein Verhältnis, das in der Geschichte immer schon zwischen staatsferner Askese und Abgeschiedenheit und der Übernahme politischer Verantwortung changierte. Lehmann schilderte dies am Beispiel des Martin von Tours, eines der bekanntesten Heiligen. Zunächst ein weltabgewandter Asket, der im vierten Jahrhundert widerwillig eine römische Militärlaufbahn einschlägt und im heutigen Worms den Kriegsdienst ganz verweigert – mit dem Hinweis, er sei "Soldat Christi". Kardinal Lehmann beschrieb, wie es mit Martin weitergeht:
"Wird eingekerkert deswegen, weil er am anderen Tag nicht in die Schlacht ziehen will. In der Zwischenzeit am Stadttor teilt er den Mantel mit dem Bettler. Und als er dann im Alter in Tours ist, da muss er feststellen, staatliche Autorität ist zerfallen und man muss ganz elementare Dinge, die der Mensch braucht, regeln. Und er setzt sich dann zu Gericht und spricht Recht zum Beispiel."
Der Bischof wird zum Staatsmann aus purer Notwendigkeit – doch wie verhält es sich dann mit dem systematischen Griff nach der Macht durch die furchteinflößende römische Kirche? Im Verlauf der Diskussion kam er dann doch, der kurze Schwenk auf das Papsttum. Das Verhältnis der Protestanten zum Papst habe sich seit dem 19. Jahrhundert deutlich entspannt, konstatierte der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies.
"Wenn man die gemeinsame Geschichte anguckt, um ein bisschen zu unserem Papstthema zu lenken, man natürlich sieht: Niemand wird im 21. Jahrhundert Martin Luthers theologische Überzeugung, dass der Antichrist im Papst sich inkarniert – das wird man natürlich auch für theologisch problematisch halten, nicht nur für historisch (Lachen im Saal)."
Dennoch blieb in der Runde eine Einsicht weitgehend unwidersprochen: das Papstamt stellt weiterhin das größte Hindernis für eine Wiedervereinigung der lateinischen Christenheit dar.
Religionsfreiheit seit dem 2. Vatikanischen Konzil
Kurz für Zündstoff sorgte dann noch einmal der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, als er das Stichwort "Islamischer Staat" fallen ließ und forderte, dem Thema der Rückkehr religiöser Gewalt nicht auszuweichen. Wolf will dafür auf das sogenannte "Böckenförde-Theorem" zurückgreifen: Nach diesem könne der freiheitliche, säkulare Staat die ethischen Voraussetzungen nicht selbst schaffen, auf denen er aufbaue. Für den ehemaligen Verfassungsrichter Böckenförde und in seinem Gefolge für Hubert Wolf müssten deshalb die Kirchen dieses Fundament liefern. Wolfgang Huber wies das deutlich zurück: Eine von den Kirchen getragene "Bundesagentur für Werte" zur Sicherung etwa der Menschenrechte mache eben angesichts der beschriebenen Pluralisierung keinen Sinn.
Konsens dann wieder bei der Bewertung des 2. Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Haltung der katholischen Kirche zum Thema Religionsfreiheit. Bis in den 1960er-Jahre hinein habe Rom den Grundwert der Religionsfreiheit abgelehnt, hielt Hubert Wolf fest.
"Man muss sich einfach mal klar machen, die Katholische Kirche hat vorher seit der Französischen Revolution Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit mit schöner Regelmäßigkeit verurteilt. In diesem Jahr jährt sich zum 150. Mal der Syllabus Errorum. Da steht dann drin, die Religionsfreiheit ist ein pestillentissimus error. Ein pesthafter Irrtum."
Dass diese Haltung sich auf dem 2. Vatikanischen Konzil änderte, habe man vor allem den Bischöfen aus den USA zu verdanken gehabt, ergänzte Karl Kardinal Lehmann, der selber als junger Theologe an diesen entscheidenden Diskussionen teilgenommen hat.
Fazit: Im katholisch-evangelischen Blick auf die Kirchengeschichte stecken auch heute noch viele spannende und relevante Diskussionspunkte. Ein Abend war zur Vertiefung deutlich zu wenig, vor allem das eigentliche Hauptthema der Päpste kam unter dem Strich deutlich zu kurz. Tröstlich also, dass es im Jahr 2017 die große Ausstellung über das Papsttum (in Mannheim) geben wird. Die übrigens genau am Reformationstag endet, weil man im Lutherjahr in Deutschland den Protestanten nicht zu viel Konkurrenz machen will. So viel Respekt muss sein.
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