China und die Demokratiebewegung in Hongkong

Der Westen muss Position zum Wong-Urteil beziehen

06:55 Minuten
Der Demokratie-Aktivist Joshua Wong und seine Mitstreiterin Agnes Chow bei einer Demonstration in Hongkong, im Sommer 2019, auf einer Straße. (AP Photo/Kin Cheung)
Joshua Wong und Agnes Chow kämpfen seit Jahren für mehr Demokratie in Hongkong. © picture alliance /AP Photo / Kin Cheung
Ralf Fücks im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 02.12.2020
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China greift in Hongkong hart durch. Gerade wurden der Demokratie-Aktivist Joshua Wong und zwei Mitstreiter zu Gefängnisstrafen verurteilt. Hier werde Völkerrecht gebrochen, sagt der Publizist Ralf Fücks. Das Stillhalten des Westens empört ihn.
Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong ist von einem Gericht zu dreizehneinhalb Monaten Gefängnis verurteilt worden. Auch die Mit-Aktivisten Agnes Chow und Ivan Lam erhielten Haftstrafen von zehn und sieben Monaten.
Für unseren Studiogast Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne ist dies ein weiterer Schritt Richtung Gleichschaltung Hongkongs. Hier werde eindeutig Völkerrecht gebrochen, sagt der Publizist. Es gebe einen Vertrag mit Großbritannien, der Hongkong auch nach der Rückübertragung an China wirtschaftliche und politische Freiheiten garantiere.

Der Westen verhält sich unklar

"Das wird jetzt Schritt für Schritt und mit großer Härte zurückgenommen." Seit Beginn der Proteste seien bereits 10.000 Menschen verhaftet worden – im Namen des Gesetzes für nationale Sicherheit, auf dessen Grundlage China nun praktisch gegen alle und alles vorgehen könne.
Fücks kritisiert den Westen für seine unklare Haltung in dieser Situation. Deutschland und die EU reagierten "viel zu lauwarm". Es gehe um eine Demokratiebewegung, "die sich auf unsere ‚Werte‘ beruft und die darauf hofft, dass der Westen nicht einfach gleichgültig zuschaut, wie diese demokratische Insel Hongkong abgewürgt wird".
Hongkong sei vermutlich "ein Testfall Chinas, wie der Westen reagiert, wenn die chinesische Regierung sich entscheidet, Taiwan anzugreifen", vermutet der Publizist. Das sei eine reale Option. Man müsse protestieren und China klarmachen, "dass so etwas nicht geht".

Freibrief für die Unterdrückung der Demokratie?

Fücks räumt ein, dass die realpolitischen Möglichkeiten begrenzt seien. "Aber diese Vorstellung von Einflusssphären, in der Großmächte schalten und walten können, wie sie wollen, die würde ich nicht mehr akzeptieren." Es dürfe keinen Freibrief für die Unterdrückung von demokratischen Rechten geben. So etwas sei zum Beispiel ein Fall für den Sicherheitsrat.
Ralf Fücks ist geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne in Berlin.
Ralf Fücks ist geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne in Berlin.© picture alliance / Robert Schlesinger
Und es gebe durchaus ökonomische Möglichkeiten, China in die Schranken zu weisen, etwa im Zusammenhang mit dem Mobiltelefonhersteller Huawei und dem 5G-Netz, betont Fücks. Es sei vor diesem Hintergrund naiv und "traumtänzerisch" von Deutschland, "einem vom chinesischen Staat kontrollierten Konzern sozusagen das Herzstück des Internets in der Bundesrepublik und in Europa zu öffnen".
(mkn)

Ralf Fücks ist geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne in Berlin. Er war zuvor Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, wo er für die Inlandsarbeit der Stiftung sowie für Außen- und Sicherheitspolitik, Europa und Nordamerika verantwortlich war. 1989/90 war Fücks Co-Vorsitzender der Grünen und Senator für Umwelt und Stadtentwicklung in Bremen. Er hat zahlreiche Bücher publiziert, zuletzt erschien der Sammelband "Soziale Marktwirtschaft ökologisch erneuern".

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