Bildungschancen

Die Bedeutung von Vorbildern für den sozialen Aufstieg

Aus einer Menschenmenge gehen einzelne Personen voran.
Sehr wertvoll für einen Aufstieg durch Bildung: ein Vorbild, das diesen Weg schon bewältigt hat. © Getty Images / fStop / Malte Mueller
Akin Elkol hat einen Migrationshintergrund, Britta Goldbach ist Müllerstochter vom Dorf. Beide haben den Aufstieg durch Bildung geschafft - noch immer selten bei Menschen aus bildungsfernen Familien in Deutschland. Auch weil oft Vorbilder fehlen.
Akin Elkol ist in einer fränkischen Kleinstadt aufgewachsen. Er sagt von sich: „Ich bin ein klassisches Gastarbeiterkind der dritten Generation.“
Zum Abschluss der Grundschule heißt es in der Empfehlung seiner Lehrer: Nicht geeignet für die Realschule. Akin fragt sich: Warum wird einigen in der Klasse, die ähnliche Noten haben wie er, empfohlen, in die Realschule zu gehen - und ihm nicht?
Eine Antwort auf diese Frage hat Akin nie erhalten. Doch sein Vater schickt ihn trotzdem auf die Realschule. Auch wenn er selbst nie die Chance hatte, das Gymnasium zu besuchen, will er seinem Sohn und den Töchtern diese Türe öffnen. Er unterstützt sie auf ihrem Bildungsweg. Eine richtige, aber untypische Entscheidung.
Akin studiert schließlich. Er verlässt die Universität mit einem Master in Automobilwirtschaft. Doch ihm fehlt etwas, das für Akademikerkinder selbstverständlich ist: ein Vorbild in der Familie - jemand, der diesen Weg schon bewältigt hat.
Trotzdem hat Akin Elkol in seinen Eltern Vorbilder: als Menschen, die in ein fremdes Land kamen und sich eine ganz neue Existenz aufbauten, mit Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen.

Verinnerlichte Zweifel und Scham über die Herkunft

Britta Goldbach* nennt ihren Bildungsweg im Rückblick eine Odyssee. Sie stammt aus einem Dorf in der Weinregion Württembergs, ihr Vater ist Müller für Tiernahrung und Nebenerwerbswinzer, ihre Mutter Hausfrau. Sie wünscht sich, dass ihre drei Töchter ihren Bildungsweg selbst bestimmen.
Doch ist die Freude in der Familie verhalten, als Britta in der vierten Klasse eine Gymnasialempfehlung nach Hause bringt. Obwohl Britta sich diesen Weg für sich wünscht, wechselt sie auf die Realschule und macht eine Ausbildung zur Grafikdesignerin.
Der Hauptgrund: Das Gymnasium traut sich Britta nicht zu. Erst viel später macht sie das Fachabitur nach und findet eine Universität, an der sie mit diesem Abschluss Japanologie studieren kann. Dabei begleitet sie immer das Gefühl, anders zu sein, irgendwie nicht dazuzugehören.
Bei Britta bleibt die Angst: Schaffe ich das überhaupt?
Brittas Selbstzweifel verlassen sie erst, als sie mit einem Stipendium einen internationalen Studiengang belegt und auch in Korea und Japan studiert. Plötzlich ist sie eine Gaststudentin unter vielen. Im Ausland ist sie nicht mehr das „Mädchen aus dem Dorf“.
Heute arbeitet Britta Goldbach als Übersetzerin. Sie will nun auch einen Roman schreiben. Dafür hat sie sich auch auf einer Plattform für Schriftsteller vernetzt. Der Austausch mit anderen Menschen auf einem ähnlichen Weg, die Erfahrung, dass sie nicht allein ist mit ihren Selbstzweifeln – das ist für sie wichtig.
Da auch Akin Elkol diese Erfahrung gemacht hat, bietet er sich heute als Vorbild für Jüngere an, bei der Organisation Arbeiterkind. Dort erzählt er seine Geschichte - um jungen Menschen Mut zu machen. Inzwischen ist er bei einem großen Automobilkonzern angestellt. Er sagt: Hier sind alle gewohnt, im Weltmaßstab zu denken. Herkunft sollte keine Rolle mehr spielen. Seine Unsicherheit ist trotzdem immer noch da - aber sie wird weniger mit zunehmender Erfahrung.

*) Britta Goldbach ist ein Pseudonym. Der Klarname ist der Redaktion bekannt.
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