Chance zur Integration nutzen

Gabriel Höfle im Gespräch mit André Hatting · 18.04.2013
Viele der Arbeitsmigranten aus Rumänien und Bulgarien wollen sich dauerhaft hier niederlassen, glaubt Gabriel Höfle, Quartiersmanager in Mannheim-Neckarstadt-West. Nun müsse man mit Sprachkursen die erste Generation Zuwanderer integrieren und sie als Integrationslotsen begreifen.
André Hatting: Im Januar verschickte der Deutsche Städtetag einen Brandbrief. "Die Zuwanderung bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger gefährdet den sozialen Frieden in den Städten in hohen Maßen", stand darin. Die Folge: Wir sahen immer wieder Bilder vom "Arbeiterstrich" in Duisburg, von überfüllten, heruntergekommenen Behausungen in Dortmund, Müll auf dem Hof, empörte Anwohner und verzweifelte Politiker. Die weisen auf den Januar 2014 hin, denn dann sind Rumänen und Bulgaren allen anderen EU-Bürgern gleichgestellt, auch was Arbeitserlaubnis und Sozialleistungen angeht.

Hat die Warnung des Deutschen Städtetages den besonders betroffenen Kommunen etwas genützt, Mannheim-Neckarstadt-West zum Beispiel? Dort arbeitet Gabriel Höfle seit 2007 als Quartiersmanager, kümmert sich also im Auftrag der Stadt um diesen sozialen Brennpunkt. Guten Morgen, Herr Höfle!

Gabriel Höfle: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Hat sich denn irgendwas verändert in der täglichen Arbeit bei Ihnen?

Höfle: Bezüglich des Brandbriefes, auf den Sie zu Anfang hinwiesen, hat sich nichts geändert. Leider gab es außer diversen Aussagen von der Bundespolitik keinerlei Reaktionen, die jetzt in unsere praktische Arbeit einmünden. Das muss man leider so deutlich sagen. Hingegen hat die Kommune, also die Stadt Mannheim, hier einen Integrationsfonds aufgelegt, der Direkthilfen für die Zuwandergruppe ermöglicht.

Hatting: Auf den komme ich noch mal zu sprechen. Vorab vielleicht erst mal die Situation. Es ist ja immer wieder von einer wahren Flut die Rede, täglich würden Busladungen mit Roma und Sinti ankommen. Stimmt das so?

Höfle: Deutschlandweit ist das sicherlich der Fall. Für die einzelnen Kommunen, also für die einzelnen Stadtteile jeweils, merkt man, dass es immer zur Woche hin ein, zwei, drei Busse gibt, in denen neue Zuwanderer ankommen.

Hatting: Haben Sie den Eindruck, das ist professionell organisiert?

Höfle: Semiprofessionell. Es mag da gewisse Netzwerke geben, die von der Armutszuwanderung sehr stark profitieren und die das organisieren. Dass man da jetzt von mafiösen Strukturen oder ähnlichen Strukturen reden kann, das ist mir nicht bekannt.

Hatting: Ich habe mal gelesen, dass die Roma weniger von der Mehrheitsgesellschaft als von der eigenen Ethnie ausgebeutet würden. Es seien oft die eigenen Clans, die Frauen in die europäischen Bordelle schickten, Kinder betteln lassen und so weiter und so fort. Können Sie das bestätigen?

Höfle: Dieses Phänomen haben wir in Mannheim nicht. Des weiteren möchte ich da etwas differenzieren, weil Sie von Roma sprachen. Wir reden hier generell von bulgarischer Zuwanderung und in der Regel von ethnischen Minderheiten aus Bulgarien, und das sind nicht nur Roma, sondern das sind auch türkischstämmige Minderheiten etc.

Hatting: Ein oft gehörter Vorwurf von deutscher Seite ist ja, die wollen sich gar nicht integrieren. Was ist denn Ihre Erfahrung aus dem Alltag?

Höfle: Man muss das so sehen: In der Anfangsphase nach 2007 – zu diesem Zeitpunkt lebten hier in der Neckarstadt-West 77 gemeldete Bulgaren – kamen sie als saisonale Kräfte vor allen Dingen für den landwirtschaftlichen Bereich. Auf die Dauer hat man dann festgestellt, dass man natürlich in anderen Bereichen wie auf dem Bau etc. als Selbstständiger auch Geld verdienen kann, und das hat man sich dann zunutze gemacht. Inzwischen ziehen auch die Familien nach und mit dem Familiennachzug findet hier auch ein Settlement statt.

Das heißt, diese Menschen signalisieren klar und deutlich, sie wollen hier bleiben. Sie schicken ihre Kinder auf die Schulen und hoffen, dass ihre Kinder eine bessere Zukunft haben, und gehen dafür auch häufig sehr schlimme Lebensalltage ein, nur damit für die Kinder eine Zukunft gewährleistet werden kann.

Hatting: Was sind denn die größten Probleme bei der Betreuung von Bulgaren und Rumänen im Alltag?

Höfle: Im Prinzip die Sprachbarriere, das ist das größte Problem, und Fachkräfte zu finden, die die bulgarische Sprache beherrschen.

Hatting: Allein bei Ihnen in Mannheim rechnet man mit sieben Millionen Euro Mehrkosten für die Unterbringung in Notunterkünften. Sie haben den Integrationsfonds schon angesprochen. Ist Geld die beste Lösung für das Problem?

Höfle: Programme, die sich aus dem Geld herauskristallisieren können, das ist die beste Lösung. Das Geld allein hilft natürlich nicht weiter. Was ich dabei betonen möchte ist: Wir haben bis vor kurzem noch eine Debatte über unsere Integrationspolitik hinsichtlich der türkischen Zuwanderer, italienischen Zuwanderer etc. geführt und hatten damals bei deren Zuwanderungswelle versäumt, integrative Maßnahmen explizit für diese Zuwanderergruppe zu installieren. Wir haben nun die Chance, bei einer neuen Zuwanderungswelle aus Rumänien und Bulgarien diesbezüglich endlich Instrumentarien zu entwickeln, die es uns gewährleisten, die erste Generation, die erste ankommende Generation hier in Deutschland vollständig zu integrieren. Dafür brauchen wir natürlich auch das notwendige Geld.

Hatting: Welche Instrumentarien sind das zum Beispiel?

Höfle: Es fängt bereits bei der Schule an. Wenn Eltern ihre Kinder, Zuwanderereltern aus Bulgarien ihre Kinder an der Schule anmelden, sei es Grundschule oder weiterführende Schule, dann stößt das natürlich bei den Schulen auf besondere Herausforderungen, da häufig diese Kinder aus Bereichen in Bulgarien kommen, wo es so gut wie keinen vernünftigen Schulunterricht gibt. Hierfür benötigt es neben den sonstigen Förderschulen, die es immer gibt, oder Förderklassen, in denen eigentlich nur die deutsche Sprache gelernt wird, natürlich besonderer pädagogischer Bereiche, damit die Schule in ihrem Alltagsleben nicht überfrachtet wird.

Und dieser Alltagsbereich könnte muttersprachlich erfolgen. Des weiteren kann man direkt an der Schule, auch wieder als Beispiel genannt, die Eltern abholen und kann den Eltern niedrigschwellige Sprachkurse anbieten.

Man könnte darauf aufbauen, sobald die ersten Zuwanderer die Sprache beherrschen, diese weiterbilden zu Integrationslotsen oder Stadteillotsen, so dass sie Informationen direkt an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger weiterreichen können und ihnen klar und deutlich machen, wie hier das Rechtssystem funktioniert und dass sie häufig, wenn sie normalerweise hier ankommen, auf ein ausbeuterisches System treffen, das nur darauf abzielt, die Armutssituation dieser Menschen gnadenlos auszunutzen.

Hatting: Gabriel Höfle, Quartiersmanager in Mannheim-Neckarstadt-West, einem Viertel mit besonders vielen Bulgaren und Rumänen. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Höfle.

Höfle: Danke, Herr Hatting.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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