Catherine Lacey: “Das Girlfriend-Experiment”

Romantik, elektromagnetisch induziert

06:25 Minuten
Die Abbildung zeigt das Buchcover von "Das Girldfriend Experiment" und einen farbigen Hintergrund.
Niemand weiß wirklich, wie das geht mit dem Verlieben. In "Das Girlfriend-Experiment" will man der Liebe mit einer Versuchsanordnung auf die Spur kommen. © Aufbau Verlag /Deutschlandradio
Von Anne Kohlick · 10.08.2019
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"Wie liebt man am besten? Wie weiß man, mit Bestimmtheit, irgendetwas aus dem Herzen eines anderen?" Catherine Lacey widmet sich in ihrem neuen Roman den großen Fragen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein skurriles Beziehungsexperiment.
Mary Parsons lebt in New York, ist um die dreißig und verzweifelt. Seit einem Jahr leidet sie unter Schmerzen, die kein Arzt diagnostizieren kann. Eine esoterisch interessierte Freundin empfiehlt ihr, es mit PAKing zu versuchen: "Feng Shui für den energetischen Körper, Guerillakrieg gegen negative Vibes". Herrlich, wie Catherine Lacey in ihrem zweiten Roman "Das Girlfriend-Experiment" durch Überzeichnung die Skurrilität von Trends der Gegenwart sichtbar macht (PAKing ist übrigens frei erfunden).
Der Haken an der für Mary tatsächlich heilsamen New-Age-Therapie: Eine Sitzung kostet über 200 Dollar. Da kommt ein ominöser Aushang in einem Reformhaus, der eine hochbezahlte "einkommensschaffende Erfahrung" verspricht, gerade recht. Vor allem Diskretion wird verlangt. Kein Problem für die schweigsame Mary, die außer ihrem PAKing-Therapeuten kaum Kontakt zur Außenwelt hat. Sie bewirbt sich und wird Teil des titelgebenden Girlfriend-Experiments.

Der Mann als Abziehbild eines Narzissten

Hinter dem Ganzen steckt ein Filmstar, Kurt Sky, das Abziehbild eines Narzissten - vielschichtig sind in diesem Roman nur die Frauenfiguren - der herausfinden will, wie man die ideale Beziehung führt.
Zu diesem Zweck lässt er einen ganzen Harem von Frauen anstellen. Jede von ihnen bekommt eine andere Rolle zugewiesen: Da gibt es das "Intimitätsteam", zuständig für die sexuellen Bedürfnisse – oder aber die mütterliche Freundin, die Käsetoasts schmiert.
Mary wird als emotionale Freundin gecastet, die dem Schauspieler zuhören und ihn bestätigen soll. Lässt sich der Zauber der ersten Verliebtheit konservieren, indem man alle Eigenschaften, die eine geliebte Person vereinen soll, auf unterschiedliche Menschen verteilt?

Elektromagnetische Gefühle

Das Szenario wirkt leicht dystopisch - denn Wissenschaftler versuchen zudem, den Teilnehmerinnen des Experiments Gefühle elektromagnetisch zu induzieren. Aber auch in der Gegenwart ist es durchaus vorstellbar.
Im mittleren Teil des Buches überrascht die Autorin mit einem Perspektivwechsel: Plötzlich erleben wir die Geschichte nicht mehr aus Marys Ich-Perspektive, sondern folgen einem allwissenden Erzähler in die Köpfe der verschiedenen Teilnehmerinnen des Girlfriend-Experiments.

Schöne, erkenntnisreiche Sätze

Auf wenigen Seiten verdichtet die Autorin den Kosmos jeweils einer Figur. Catherine Lacey gelingen hier Miniaturen mit psychologischer Tiefe, voller schöner und erkenntnisreicher Sätze, die auch als Aphorismen allein stehen könnten: "Wie liebt man am besten? Wie weiß man, mit Bestimmtheit, irgendetwas aus dem Herzen eines anderen? So eine ernste Sache, die wir da tun, und niemand weiß wirklich, wie das geht."
In eleganter Prosa verpackt Catherine Lacey nicht nur Reflexionen über die Liebe, sondern auch über Glaube und Zweifel, Geschlechterrollen und Gewalt gegen Frauen.

Niemand verliebt sich so richtig

Ihr Roman sei ein Buch über Menschen, die Fragen beantworten wollen, auf die es keine Antworten gibt, hat Catherine Lacey in einem Interview gesagt. Das trifft den Kern dieses überzeugenden und ungewöhnlichen Romans, in dem sich am Ende zwar niemand so richtig verliebt - aber die Leser um viele Gedanken nicht nur über die Liebe reicher sind.

Catherine Lacey: "Das Girlfriend-Experiment"
Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell
Aufbau Verlag, Berlin 2019
320 Seiten, 22 Euro

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