Bundeswehr mit neuer Chefin

Doppelte Chance für die Armee

Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) spricht am 22.12.2013 in Masar-i-Scharif bei einem Frühstück mit Bundeswehrsoldaten.
Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) spricht am 22.12.2013 in Masar-i-Scharif bei einem Frühstück mit Bundeswehrsoldaten. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Gregor Mayntz |
Dass Ursula von der Leyen das Thema Vereinbarkeit von Familie und Truppe angestoßen hat, sei keineswegs ein Zeichen von Schwäche, sondern in einer sich verändernden Armee nötig, findet Gregor Mayntz von der "Rheinischen Post".
"Achtung! Stillgestanden!" Millionen junger Männer haben das während ihrer Bundeswehrzeit gehört. Viele von ihnen müssen das aber gründlich missverstanden haben. Dieser Befehl bereitet eine konkrete Handlungsanweisung vor und soll alle abschweifenden Gedanken darauf konzentrieren. Er bedeutet nicht: Stillstand des Denkens. Genau so wirken aber viele Reaktionen auf die ersten Schritte der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Alle klischeehaften Vorbehalte gegenüber Frauen an den Waffen brechen sich wieder Bahn. So als würde von der Leyen nun Kosmetikspiegel im Militärjet oder Einparkhilfen für Kampfpanzer vorschreiben. Wie lustig! Und dann setzt Frau Ministerin als erstes Thema auch noch die Vereinbarkeit von Familie und Soldatenberuf.
Männer als Angehörige des schwächeren Geschlechts
Harte Männer glauben, sie müssten das zum Prusten komisch finden. So als ginge es jetzt darum, die Kämpfe am Hindukusch an Kita-Öffnungszeiten anzupassen. Solche dröhnend belachten Kalauer entlarven diese Männer als Angehörige des schwächeren Geschlechts. Jedenfalls was die Stärke des eigenen Denkvermögens anbelangt.
Es ist schade, dass selbst Thomas de Maizière, der Richtung und Struktur in die Bundeswehrreform brachte, bei seinem Abschied in dieser Hinsicht kräftig daneben langte. Er versuchte, den auf Rekordwerte gewachsenen Frust in der Truppe mit dem Hinweis zu parieren, es sei nicht Ziel der Neuausrichtung gewesen, die Zufriedenheit der Soldaten zu erhöhen.
Natürlich wird keine Firma als Wellnessparadies für ihre Mitarbeiter gegründet. Für die anspruchsvollen Aufgaben der Streitkräfte gilt das in besonderer Weise. Aber wer sich die besten Köpfe aus einem immer kleiner werdenden Reservoir von Arbeitskräften sichern will, der sollte nicht so zynisch mit dem Faktor Berufszufriedenheit umgehen.
Ältere Soldaten haben andere Bedürfnisse
Es ist daher gut, dass von der Leyen umgehend die Signale umstellte und als erstes die Vereinbarkeit von Familie und Truppe mit mehr Flexibilität bei Dienstzeiten und Stationierungen in den Mittelpunkt rückte. Denn von der Leyens Bundeswehr unterscheidet sich von jener Wehrpflichtarmee, die in der Vergangenheit unsere Wahrnehmung vom deutschen Militär geprägt hat. In der Masse hatten wir es früher mit 18-, 19-, 20-jährigen Wehrdienstleistenden zu tun. Für die Realisierung ihrer Familienperspektive konnten sie leichter auf die Zeit nach dem "Bund" vertröstet werden. Das funktioniert heute mit deutlich älteren Zeit- und Berufssoldaten nicht mehr. Soldat sein darf aber nicht bedeuten, besser keine Familie haben zu sollen.
Richtig liegt von der Leyen auch mit ihrer Analyse, dass mehr Rücksicht auf familiäre Belange nicht automatisch auch mehr kosten muss. Jeder zweite der 185.000 Soldaten pendelt. Viele sehen ihre Familien nur am Wochenende. Das gibt es in der freien Wirtschaft auch. Aber dort ist geht es häufig um Karrieremotive. Bei der Bundeswehr ist die belastende Trennung jedoch oft Folge von Bequemlichkeit in der Personalplanung, verknüpft mit der Überzeugung, dass es bei der Struktur um die Effizienz der Aufgabenerfüllung, nicht um private Belange der Soldaten gehe. Eine attraktive Truppe aber muss beides ernst nehmen.
Mehr Interesse an den Streitkräften wünschenswert
Angesichts zunehmender Leere auf dem Arbeitsmarkt ist es vielleicht sogar ein Glück für die Bundeswehr, an der Spitze eine Frau zu haben, die in ihren vorangegangenen Verwendungen Regierungsverantwortung für Familie und Beschäftigung hatte. Und dass sie bisher keinerlei Ahnung vom Militärischen hatte, kann sogar eine zusätzliche doppelte Chance sein: Zum einen nutzt ein unvorbelasteter Blick, wenn es darum geht Mechanismen zu optimieren. Zum anderen steht die Bevölkerung - wie es Bundespräsident Horst Köhler einmal formulierte - mit "freundlichem Desinteresse" der Bundeswehr gegenüber. Wenn "freundlich desinteressierte" Menschen über die Neugierde an von der Leyens Agieren auch ein neues Interesse an den Streitkräften entwickeln, ist das nur zu begrüßen.
Dabei wird ihnen klar werden, dass die Familienverträglichkeit des Militärdienstes zwar ein wichtiger, aber nur ein Aspekt unter vielen im Job Ursula von der Leyens ist. Der Absturz des Tornado-Militärjets bringt eine Vorahnung von den bedrückenden Dimensionen ihres Amtes. Die Ministerin wird noch viel größere Herausforderungen stemmen müssen. So wie die Amtsinhaber vor ihr. Von diesen 16 Ministern haben sich sieben dabei verhoben. Sieben Männer.
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