Bundeswehr

Militärexperte fordert klare Regeln für Kampfdrohnen

Moderation: Christopher Ricke |
Zum Schutz der eigenen Soldaten kann der Einsatz von Kampfdrohnen sinnvoll sein, sagt Karl-Heinz Kamp von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Für solche Einsätze seien jedoch klare ethische, rechtliche und moralische Regeln notwendig.
Christopher Ricke: Den Gegner attackieren, ohne die eigenen Soldaten in zu große Gefahr zu bringen, diesem militärischen Ziel könnte man mit Kampfdrohnen näher kommen, argumentieren die Befürworter. Und die Gegner der Kampfdrohnen verweisen darauf, dass Töten ohne eigenes Risiko, mit dem Joystick, die Hemmschwelle deutlich senken könnte. Bei der Bundeswehr hätte man gerne Kampfdrohnen; man nutzt das erste Argument, die Sicherheit der Soldaten. Ich spreche jetzt mit Karl-Heinz Kamp, er ist akademischer Direktor an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Guten Morgen, Herr Kamp!
Karl-Heinz Kamp: Einen schönen guten Morgen aus Berlin!
Ricke: 2014 ist ja das Jahr, in dem sich die Bundeswehr größtenteils aus Afghanistan zurückzieht, und genau in diesem Jahr diskutiert man jetzt über ein neues Waffensystem, das bis zum Abzug überhaupt nicht beschafft werden kann. Warum kommt denn diese Forderung gerade jetzt?
Kamp: Diese Forderung wird eigentlich immer wieder aufkommen, weil natürlich unbemannte Flugkörper sind da. Sie gibt es, sie gibt es und sie wird es in weiteren Formen geben. Insofern stellt sich schon die Frage, welche Aufgaben, militärisch oder zivil, man an unbemannte Flugkörper verbringen wird. Oder Sie können andersherum fragen, wird man überhaupt noch mal ein bemanntes Flugzeug wie den Eurofighter bauen? Wahrscheinlich nicht. Und damit stellt sich natürlich die Frage auch, unter welchen Umständen, wann kann man das, und wann darf man ein solches Gerät bauen. Weil Drohne ist ja nicht gleich Drohne. Also ob nun bewaffnet oder unbewaffnet, macht ja einen großen Unterschied. Insofern, diese Frage wird uns in den nächsten Monaten immer wieder von allen Seiten vorgebracht werden.
Ricke: Die Frage, was man kann, ist ja schon in Teilen beantwortet. Die Frage, was man darf, ist in der Diskussion. Denn man schaut ja zum Beispiel auf Afghanistan, wo die USA Kampfdrohnen einsetzen und wo die Kritiker sagen, die werden als Hinrichtungsinstrumente verwendet, ohne vorherigen rechtsstaatlichen Prozess. Da sind wir doch schon mitten in der ethischen Debatte.
Kamp: Da sind wir mitten in der ethischen Debatte, und da haben wir auch noch eigentlich keine wirklichen Antworten bei allen, die solche Drohnen nutzen, und das sind ja eine Vielzahl von Staaten. Ich glaube, dass niemand ernsthaft sich dem Schutzargument widersetzen wird und sagen, wenn wir Soldaten ins Ausland schicken, müssen wir ihnen den größtmöglichen Schutz zukommen lassen. Wann man damit allerdings in einem Land, vielleicht in einem Land, mit dem gar keinen Krieg führt, wie die USA im Jemen oder in Pakistan, dort Taliban-Führer oder wen auch immer erschießen darf, das ist eine Frage, wo wir noch keine Regeln haben. Das heißt, da ist die Technologie schneller, als wir es mit unseren ethischen, rechtlichen und moralischen Regeln sind.
Eindämmung von Terror dank Drohnen
Ricke: Aber geben da die USA mit ihrem Verhalten nicht eigentlich schon die Antwort, dass man so etwas nicht tun sollte, und dass man es deswegen in Deutschland bei der Bundeswehr auch tunlichst unterlässt?
Kamp: Es gibt ja große Unterschiede, was man macht und was man nicht macht. Fakt ist, dass dadurch natürlich eine große Anzahl von Taliban-Führern physisch ausgeschaltet, sprich erschossen worden sind. Damit haben sie natürlich das Potenzial derer, die gewaltsame Angriffe auf Amerikaner, auf andere Soldaten in Afghanistan ausführen können, dramatisch reduziert. Das heißt, die Tatsache, dass wir heute Al-Qaida nicht mehr als ein weltweit strategisches, agierendes Terrornetzwerk haben, ist nicht zu einem geringen Teil auch den Drohnen geschuldet. Also insofern gibt es eine ganze Menge, was militärisch damit gemacht worden ist, was nach allen Regeln der Kriegsführung auch Sinn macht. Die Frage ist halt nur, wer entscheidet und unter welchen Regeln wird entschieden, weil wir ja nach wie vor in einem Rechtsstaat sind, wo auch solche Entscheidungen – das sind ja ganz schwierige Entscheidungen – konkreten Regeln unterliegen müssen.
Ricke: Zu diesen Regeln, die geschaffen werden müssen, gehört natürlich vorher auch noch mal die ethische Debatte. Das sagt auch der Wehrbeauftragte Helmut Königshaus. Der ist im Prinzip für Kampfdrohnen, sagt, alles was die Bundeswehr bekommt und einsetzt, muss aber letztlich die moralische Unterstützung der Bevölkerung haben. Wird diese moralische Debatte in der Bevölkerung aus Ihrer Sicht bereits ausreichend geführt?
Kamp: Der ehemalige Verteidigungsminister De Maizière hat das ja versucht, indem er sich in einer ganzen Reihe von Artikeln auch sehr pointiert dazu geäußert hat und sich damit auch Angriffen ausgesetzt hat. Ich glaube übrigens, dass wir eine völlig andere Debatte hätten in Deutschland, wenn es nicht zu dieser unsäglichen Euro-Hawk-Sache gekommen wäre, wo einfach ein Waffensystem aufgrund von Entwicklungen im Verteidigungsministerium in ein negatives Licht gerückt wurde. Hätten wir das nicht, würden wir anders darüber diskutieren.
Zum Zweiten ist es interessant, dass es ja eine ganze Menge Umfragen gibt, die sagen, dass die Deutschen in bestimmten Umständen zur Abwehr aktueller Gefahren, und da können wir lange streiten, was eine aktuelle Gefahr ist, durchaus bereit sind, solche Waffen einzusetzen. Und noch einmal: Wir nutzen ja Drohen bereits unbewaffnet. Es geht eigentlich nur die Frage, ob wir sie mit einem Waffensystem ausstatten oder nicht. Ein grundsätzlicher qualitativer Unterschied ist das ja kaum, sondern wir benutzen unbemannte Flugobjekte zu militärischen Zwecken, weil es einfach sicherer ist, als die eigenen Soldaten in Gefahr zu bringen.
Ricke: Ich glaube schon, dass es einen qualitativen Unterschied gibt, ob man eine Kamera an einer Drohne montiert oder einen Raketenwerfer.
Kamp: Ja, aber eine Waffe ist ja nicht im Prinzip schlecht als Waffe, sondern sie ist dann schlecht, wenn sie ungerechtfertigt gebraucht wird. Insofern stimmt ja auch das Argument nicht, zu sagen, ja, mit einer Drohne sitzt irgendwer am Joystick und löst dann irgendwo Katastrophen aus wie an einem Bildschirm. Auch ein Pilot sieht das Weiße in den Augen seines Gegners nicht mehr. Das heißt, auch er hat einen Joystick, das heißt, ein großer Teil der Kriegsführung ist bereits automatisiert, wo Sie nicht mehr dem physischen Kampf Mann gegen Mann haben. Also, insofern ist es nur ein bedingter qualitativ neuer Schritt. Schwierig wird es dann, wenn wir in der Computertechnologie so weit sind, dass wir vielleicht mit künstlicher Intelligenz gar nicht mehr den Menschen als den Entscheidenden haben, sondern vielleicht, in nicht allzu langer Zeit, könnten das Maschinen selber machen. Und dann haben wir einen weiteren Schritt, wo wir auch noch keine Antwort drauf haben.
Soldaten optimal schützen
Ricke: Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ja den Soldaten bei ihrer ersten Afghanistanreise versichert, dass sie alles für ihren Schutz tun und dabei auch keine Kosten scheuen wird. Zur Anschaffung von Kampfdrohnen hat sie sich allerdings nicht geäußert, und ich glaube, sie hat ja in Afghanistan sogar vermieden, sich mit einer Aufklärungsdrohne fotografieren zu lassen. Braucht es vielleicht von der politischen Ebene aus dem Verteidigungsministerium da etwas mehr Klarheit?
Kamp: Na ja, es ist natürlich auch die Frage, was Sie jetzt machen in einer aufgeheizten Situation, und was Sie machen, nachdem, wie gesagt, durch diese Euro-Hawk-Sache das ganze Waffensystem in Verruf geraten ist. Ob nun Aufklärung, ob nun bewaffnet oder unbewaffnet – das ist eine politische Frage, wie Sie etwas sehr Heikles anfassen. Der frühere Verteidigungsminister hat sich ja auch danach, auch nach dem Euro-Hawk-Skandal noch sehr explizit dazu geäußert. Ich denke, das ist der richtige Weg, die unbequemen Fragen aufzuwerfen. Sie lösen sie ja nicht dadurch, dass Sie einfach sagen, wir machen das nicht, weil letztendlich das Schutzargument, was man immer so abtut, na ja, das ist halt eines unter vielen.
Sie schicken, Sie als deutscher Verteidigungsminister/Kanzler/Kanzlerin schicken deutsche Soldaten in den potenziellen Tod, indem Sie sie in ein Ausland schicken. Menschen, die ein solches Risiko auf sich nehmen, haben alles Recht der Welt, optimal geschützt zu werden, auch waffentechnisch. Und das ist ein Argument, was ich so stark finde – das überlagert nicht alles andere, aber das ist nicht etwas, was man so en passant abtut und sagt, na ja, da müssen wir mal etwas für tun, sondern das ist eine Aufgabe der Politik. Wie man das dann macht, und in welchem Zeitraum, ist eine andere Frage. Ob wir das im Moment bezahlen können, ist auch eine ganz andere Frage.
Ricke: Karl-Heinz Kamp, er ist der akademische Direktor an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Vielen Dank, Herr Kamp!
Kamp: Sehr gerne!
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