Bundesminister beim Kirchentag

Schäuble legt die Bibel aus

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht spricht am 04.06.2015 bei einer Veranstaltung im Programm des deutschen evangelischen Kirchentags in Stuttgart in ein Mikrofon.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht am 04.06.2015 bei einer Veranstaltung im Programm des deutschen evangelischen Kirchentags in Stuttgart. Titel der Veranstaltung: "Klug handeln - mit dem Mammon?" © dpa / picture alliance / Wolfram Kastl
Von Kirsten Dietrich · 04.06.2015
Jeden Morgen wird beim Kirchentag ein Bibeltext ausgelegt. An diesem Donnerstag war neben einigen seiner Kollegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dran. Zu Jesu Gleichnis über schlechtes Wirtschaften und den Umgang mit Schulden meldete er Einspruch an - und kam auch auf Griechenland zu sprechen.
"Klug handeln mit dem Mammon – das ist das Thema."
Heimspiel für den Finanzminister: aus Baden-Württemberg, engagierter Protestant und dann noch ein Bibeltext übers Geld. Er war heute der Primus inter Pares bei den Ministerkollegen:
"Ich hoffe, dass nicht geht wie bei Haushaltsverhandlungen, wo die alle was anderes sagen als der Finanzminister."
Steilvorlage für den Bundesfinanzminister
Das Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium liefert eine Steilvorlage für den Finanzminister: Einem Verwalter droht die Entlassung – sein Chef hat mitbekommen, dass er in die Kasse greift und die Bilanzen manipuliert. Was tun? Der Verwalter tut, was er am besten kann: Bilanzen manipulieren. Er geht zu denen, die Schulden bei seinem Chef haben und hilft ihnen, die Schuldscheine zu ihrem Vorteil zu frisieren. Mit dem Gedanken: die werden mir aus Dankbarkeit auch helfen, wenn ich in Schwierigkeiten bin. Und was macht Jesus? Er sagt: klug gehandelt vom unehrlichen Verwalter. Wenn man sich einmal auf weltliche Geschäfte eingelassen hat, dann sollte man die nutzen, um sich Freunde zu verschaffen. Aber – und natürlich kommt noch ein aber – in die Welt Gottes kommt man so nicht. Niemand kann zwei Herren dienen, nicht Gott und dem Mammon. Einspruch Schäuble:
"Eigentlich ist mir schon Mammon in seiner Einseitigkeit zu negativ, skeptisch, und man könnte fürchten, dass er Ausdruck einer Art moralischer Überheblichkeit sein könnte, mit der gerade wir evangelische Christen es uns in Bezug auf Geld auch zu leicht machen oder einfach nicht ehrlich sind. Natürlich kann man klug handeln mit Geld, und man muss es sogar."
Und dann nutzt Schäuble die Bühne für das Lob des soliden Wirtschaftens. Das funktioniere in der Privatwirtschaft genau wie in europäischen und globalen Maßstab: Wer für seine eigenen Finanzen zuständig sein will, der darf nicht nur die Gewinne abschöpfen, die Risiken aber auf die Allgemeinheit abladen:
"Es können nicht andere unbegrenzt für die Folgen von Entscheidungen in jedem einzelnen Land zahlen. Sonst geht es schief." – Applaus
Nicht alle folgen Schäubles Interpretation
Jeder Schuldenerlass bedeutet quasi eine Enteignung der Sparer, die solide gewirtschaftet haben – damit traf Schäuble das Herz der Zuhörer. Entwicklungspolitische Initiativen beim Kirchentag sehen das anders. Friedel Hütz-Adams von Südwind:
"Da wird andersrum ein Schuh draus: Man hat erstmal keinen Anlass gehabt, vernünftig zu wirtschaften, weil so einfach an Kredite rankam und die Geldgeber keine Risiken sahen, so nach dem Motto: ein Staat geht nicht pleite, irgendwer springt schon ein. Im Moment aber haben wir das Problem, dass eigentlich jeder weiß, dass ein Land wie Griechenland seine Schulden nie wird zurückzahlen können. Das heißt wir haben eine jahrelange Hängepartie, weil es kein geordnetes Verfahren gibt, wie man damit umgeht."
Mara Liebal: "Die Entscheidungsträger denken sich immer, wenn eine Schuldenkrise ist, naja, jetzt kann man grad nichts machen, jetzt müssen wir schnell pragmatische Lösungen finden und irgendwie gucken, wie man damit umgeht. Und wenns keine Schuldenkrise gibt, dann tun sie so, als wären Schuldenkrisen was, was nie passiert, und bereiten sich auch nicht drauf vor. Aber keine Schuldenkrise im jetzigen System wird je die letzte sein."
Mara Liebal von der Initiative erlassjahr.de. Einen Schuldenerlass, eben das Erlassjahr, fordert schon das Alte Testament. Wolfgang Schäuble kennt natürlich die entsprechenden Texte – und ist skeptisch. Einen Schuldenerlass für schwer getroffene Staaten wie Nepal unterstütze er voll und ganz. Ein Staat wie Griechenland aber müsse das Entgegenkommen der anderen EU-Staaten zum Beispiel bei den Zinsen auch durch eigenes Verhalten honorieren:
"Sonst wird sich niemand mehr daran halten, und es wird sich auch keiner mehr drauf einlassen. Muss nicht 100 Prozent sein, 100 Prozent ist selten, aber wenigstens der Spur nach. Ohne das ist ein geordnetes Zusammenleben nicht möglich."
Gott dienen oder dem Mammon? Wolfgang Schäuble plädierte für das klug überlegte sowohl als auch. Nur wer seinen Haushalt in Ordnung hat, kann auch mit eigener Stärke weltweit für seine Werte einstehen.
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