Industriewald Rheinelbe – Neue Natur auf alten Brachen
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Strauch um Strauch, Baum für Baum hat sich auf dem Gelände einer riesigen Industriebrache ein ganzer Wald entwickelt – ein Refugium für den Artenschutz mitten in der Stadt Gelsenkirchen. Die Zeche Rheinelbe nahe der Stadtgrenze Bochum-Gelsenkirchen-Essen fand nach Ende des Steinkohlenbergbaus vor bereits 90 Jahren keine weitere Nutzung. Der neue Forst überwuchert Meter um Meter das ehemalige Zechengelände. Ein Beitrag von Kai Rüsberg.
Helfen Miniwälder gegen den Klimawandel?
07:05 Minuten
In Hamburg pflanzt der Verein Citizens Forests dicht an dicht Bäume und will damit etwas Gutes fürs Klima und die Stadt tun. Die Methode geht auf den japanischen Pflanzensoziologen Akira Miyawaki zurück. Waldexperten sind hingegen skeptisch.
Neulich am Ortsrand von Bönningstedt: An einem Sonntagnachmittag im Herbst treffen sich hier rund 60 Menschen und machen etwas, was für die meisten von ihnen ganz neu ist: Sie pflanzen Bäume – viele zusammen mit ihren Kindern.
"Ich bin Ärztin, ich bin Kinderärztin. Aber Bäume gepflanzt … Wir haben bloß ausgebuddelt im Garten bei uns, bei meinen Großeltern und vielleicht da ganz normal Gartenarbeit gemacht. Aber so einen richtigen Baum gepflanzt … noch nicht. Premiere!"
Was hier gepflanzt wird, ist aber kein normaler Wald. Viel zu eng und auf viel zu kleinem Raum stehen die Setzlinge. So dicht, wie kaum ein Forstwirt sie jemals pflanzen würde. Außer, wenn er nach der Miyawaki-Methode arbeitet.
"Wir schaffen in einem Bruchteil der Zeit, wofür die Natur sonst 200 Jahre brauchen würde. Und so entsteht mit dem maximalen Tempo ein neuer Urwald, der mit dem Klimawandel sehr gut zurechtkommt."
Auch Pascal Girardot kannte sich bis vor ein paar Jahren mit Bäumen und Wäldern nicht aus. Bis er von der Miyawaki-Methode las – entwickelt von dem japanischen Pflanzensoziologen Akira Miyawaki. Die Idee, Bäume ganz anders als bisher zu pflanzen, damit sie schneller wachsen und dadurch schneller beim Klimaschutz helfen können, diese Idee ließ ihn nicht mehr los – genauso wenig wie seinen Mitstreiter Boris Kohnke.
"Ich bin Lebensmittelchemiker, habe zwar immer schon etwas den grünen Daumen gehabt, aber wir lernen auch mit jeder Aktion dazu, und wir haben natürlich auch externes Fachwissen. Am Anfang, um es ehrlich zu sagen, wussten wir, dass das Grüne nach oben gehört vom Baum, inzwischen wissen wir deutlich mehr nach zwei Jahren. Unser Prinzip ist: Wir fangen erst mal an, auch wenn wir nur 80, 85 oder 90 Prozent des Wissens haben. Wenn wir erst anfangen, das Wissen anzueignen, dann fangen wir erst mal an, drei Jahre Studien zu betreiben und zu forschen, und dann passiert nichts."
"Ich bin Ärztin, ich bin Kinderärztin. Aber Bäume gepflanzt … Wir haben bloß ausgebuddelt im Garten bei uns, bei meinen Großeltern und vielleicht da ganz normal Gartenarbeit gemacht. Aber so einen richtigen Baum gepflanzt … noch nicht. Premiere!"
Was hier gepflanzt wird, ist aber kein normaler Wald. Viel zu eng und auf viel zu kleinem Raum stehen die Setzlinge. So dicht, wie kaum ein Forstwirt sie jemals pflanzen würde. Außer, wenn er nach der Miyawaki-Methode arbeitet.
"Wir schaffen in einem Bruchteil der Zeit, wofür die Natur sonst 200 Jahre brauchen würde. Und so entsteht mit dem maximalen Tempo ein neuer Urwald, der mit dem Klimawandel sehr gut zurechtkommt."
Auch Pascal Girardot kannte sich bis vor ein paar Jahren mit Bäumen und Wäldern nicht aus. Bis er von der Miyawaki-Methode las – entwickelt von dem japanischen Pflanzensoziologen Akira Miyawaki. Die Idee, Bäume ganz anders als bisher zu pflanzen, damit sie schneller wachsen und dadurch schneller beim Klimaschutz helfen können, diese Idee ließ ihn nicht mehr los – genauso wenig wie seinen Mitstreiter Boris Kohnke.
"Ich bin Lebensmittelchemiker, habe zwar immer schon etwas den grünen Daumen gehabt, aber wir lernen auch mit jeder Aktion dazu, und wir haben natürlich auch externes Fachwissen. Am Anfang, um es ehrlich zu sagen, wussten wir, dass das Grüne nach oben gehört vom Baum, inzwischen wissen wir deutlich mehr nach zwei Jahren. Unser Prinzip ist: Wir fangen erst mal an, auch wenn wir nur 80, 85 oder 90 Prozent des Wissens haben. Wenn wir erst anfangen, das Wissen anzueignen, dann fangen wir erst mal an, drei Jahre Studien zu betreiben und zu forschen, und dann passiert nichts."
Die Bäume wachsen schneller als sonst
Am anderen Ende von Bönningstedt, gegenüber vom Schulzentrum, an einer dicht befahrenen Durchfahrtsstraße, haben Boris Kuhnke und Pascal Girardot vor gut zwei Jahren ihren ersten Miniaturwald gepflanzt. Auf einem nicht mehr genutzten Spielplatz, versteckt hinter hohen Hecken. Und tatsächlich: So schnell wachsen Bäume sonst nicht. Einige Erlen sind jetzt schon fünf Meter hoch – etwas anderes bleibt ihnen auch kaum übrig.
"Die Bäume machen das unter sich aus, wer das Ganze nun am besten hier abkann, das Mikroklima und den Standort. Die, die auf der Strecke bleiben, die sorgen aber dafür, dass Nahrung für die nachfolgenden überbleibt, die erzeugen auch Nährstoffe durch Fotosynthese auf dem Weg dorthin. Und letztendlich setzt sich dort der Stärkere durch."
"Die Bäume machen das unter sich aus, wer das Ganze nun am besten hier abkann, das Mikroklima und den Standort. Die, die auf der Strecke bleiben, die sorgen aber dafür, dass Nahrung für die nachfolgenden überbleibt, die erzeugen auch Nährstoffe durch Fotosynthese auf dem Weg dorthin. Und letztendlich setzt sich dort der Stärkere durch."
"Das ist also so ein richtiges Survival-of-the-fittest-Prinzip?"
"Genau. Und die größten Bäume werden überleben, aber es werden auch welche von den Kleinen überleben. Das Unterholz, dass sonst erst nach und nach entstehen würde, ist hier von Anfang an mit angelegt."
"Unter Wald versteht man ja landläufig etwas, wo man Spaziergänge durchmacht. Das hier ist ja eher Gestrüpp."
"Na ja, auf den ersten Blick vielleicht. Aber wenn man sich die Urwälder in Deutschland angucken würde, die sahen genauso aus."
Citizens Forests: Wälder von Bürgern für Bürger
Citizens Forests nennen Boris Kuhnke und Pascal Girardot ihren Verein – also Bürgerwälder. Zusammen mit einem Projekt in der Uckermark waren sie die Ersten, die diese Idee 2019 nach Deutschland brachten. Hunderte, Tausende dieser Wälder könnten nach dem Vorbild gepflanzt werden.
"Es geht vor allem darum, dass wir als Gesellschaft anpacken sollen und anpacken müssen, weil wir anpacken können. Und spannend mit der Methode ist, dass wir auch auf den kleinsten Flächen loslegen können. Und die Vision von Citizen Forest ist wirklich, überall, in jeder Stadt Gruppen von Bürgern ins Leben zu rufen, die dauerhaft aufforsten."
"Es geht vor allem darum, dass wir als Gesellschaft anpacken sollen und anpacken müssen, weil wir anpacken können. Und spannend mit der Methode ist, dass wir auch auf den kleinsten Flächen loslegen können. Und die Vision von Citizen Forest ist wirklich, überall, in jeder Stadt Gruppen von Bürgern ins Leben zu rufen, die dauerhaft aufforsten."
Darmstadt, Bochum und Köln. München, Berlin und Hamburg: Überall in Deutschland gibt es bereits Bürgerinnen und Bürger, die diese Kleinstwälder pflanzen möchten. In Hamburg ist dafür ein besonders prominenter Ort im Gespräch – die Hafencity. Denn dort gibt es immer noch zu wenig grün, sagt Marianne Wellershoff vom Netzwerk Hafencity:
"Die Hafencity ist zentral innerstädtisch. Und damit auch eine Quelle fürs Abkühlen der inneren Stadt. Dafür brauchen wir dringend Bäume. Und Tiny Forests, also Citizens Forests, hat mit den kleinen Wäldern gezeigt, dass man auf sehr kleinen Flächen schon sehr viel erreichen kann."
Das sieht auch Monika Egerer so. Sie ist Professorin für "urbane produktive Ökosysteme" an der technischen Universität München. Egerer forscht an der Schnittstelle von Stadtökologie und städtischer Landwirtschaft. Eine Stadt brauche nicht nur große Parks wie den Englischen Garten, sondern auch viele kleine grüne Oasen:
"Wir stellen uns vor, dass sie die Biodiversität fördern, dass sie die Klimaanpassungen für die Stadt fördern und auch Orte der Begegnung für eine Gesellschaft und eine Gemeinde sind. Es ist dieses Gesamtpaket von Grünflächen in der Stadt, die diese Vorteile schaffen können."
"Die Hafencity ist zentral innerstädtisch. Und damit auch eine Quelle fürs Abkühlen der inneren Stadt. Dafür brauchen wir dringend Bäume. Und Tiny Forests, also Citizens Forests, hat mit den kleinen Wäldern gezeigt, dass man auf sehr kleinen Flächen schon sehr viel erreichen kann."
Das sieht auch Monika Egerer so. Sie ist Professorin für "urbane produktive Ökosysteme" an der technischen Universität München. Egerer forscht an der Schnittstelle von Stadtökologie und städtischer Landwirtschaft. Eine Stadt brauche nicht nur große Parks wie den Englischen Garten, sondern auch viele kleine grüne Oasen:
"Wir stellen uns vor, dass sie die Biodiversität fördern, dass sie die Klimaanpassungen für die Stadt fördern und auch Orte der Begegnung für eine Gesellschaft und eine Gemeinde sind. Es ist dieses Gesamtpaket von Grünflächen in der Stadt, die diese Vorteile schaffen können."
Wie effektiv ist diese Pflanzmethode?
Egerer zählt zu den ganz wenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland, die schon etwas über die Tiny-Forests sagen wollen. Eine klare Meinung hat aber Georg Schirmbeck. Er ist Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates. Diese Kleinstflächen, sagt Schirmbeck, seien für das Klima nur nebensächlich – es gebe schlichtweg wichtigere Probleme und Themen.
"So ein Waldumbau dauert 100 Jahre. Und in diesen 100 Jahren wird es auch weitere neue Erkenntnisse geben. Wenn jetzt jemand behauptet, aber ganz toll wäre das alles auf den Kleinstflächen, weil da wachsen die Bäume ja viel schneller und da wird viel mehr fürs Klima gemacht: Da sage ich erst mal: Das ist wissenschaftlich überhaupt nicht belegbare Behauptung."
Die Menschen, die in Bönningstedt und anderswo die neuen Kleinstwälder pflanzen, dürfte diese Fundamentalkritik relativ kalt lassen. Denn mit klassischer Forstwirtschaft haben sie wenig zu tun – ihre Wälder sollen nicht bewirtschaftet werden, sondern sich selbst überlassen werden.
"So ein Waldumbau dauert 100 Jahre. Und in diesen 100 Jahren wird es auch weitere neue Erkenntnisse geben. Wenn jetzt jemand behauptet, aber ganz toll wäre das alles auf den Kleinstflächen, weil da wachsen die Bäume ja viel schneller und da wird viel mehr fürs Klima gemacht: Da sage ich erst mal: Das ist wissenschaftlich überhaupt nicht belegbare Behauptung."
Die Menschen, die in Bönningstedt und anderswo die neuen Kleinstwälder pflanzen, dürfte diese Fundamentalkritik relativ kalt lassen. Denn mit klassischer Forstwirtschaft haben sie wenig zu tun – ihre Wälder sollen nicht bewirtschaftet werden, sondern sich selbst überlassen werden.
Ein viel größeres Problem für die junge Pflanz-Bewegung sind dagegen die Grundstückspreise in den Städten wie Hamburg: Die Planer in der Umweltbehörde finden die Idee zwar grundsätzlich gut. Aber sie sehen kaum eine Möglichkeit, dass zum Beispiel in der Hafencity ein Tiny Forest gepflanzt wird – eben wegen der hohen Preise dort.