Bügeln statt Yoga

Über das meditative Potenzial einer Hausarbeit

Bügeleisen, VEB Elektrogerätewerk Suhl, um 1980, Metall, Plaste
Bügeleisen, VEB Elektrogerätewerk Suhl, um 1980, Metall, Plaste © Foto: Esther Hoyer / Grassi Museum für angewandte Kunst Leipzig
Von Louise Brown  · 04.11.2017
Viele Promis beginnen den Tag mit einer Meditation. Für viele Menschen ist das unrealistisch. Zum Glück gibt es inzwischen Stimmen, die sagen, man könne genauso gut bei alltäglichen Tätigkeiten wie Abwaschen oder Bügeln zu sich finden.
Bügeln als Entspannungsübung? Louise Brown hat Amina Wohlfahrt getroffen. Sie ist Kinderkrankenschwester in Lübeck und amtierende deutsche Bügelmeisterin und meint:
"Für mich ist Bügeln die Tätigkeit im Haushalt, die am meisten Spaß macht. Dieses produktive Gefühl, dass man das direkte Ergebnis seiner Arbeit sieht, finde ich sehr angenehm. Und dass man nebenbei auch Dinge machen kann, was beim Staubsaugen oder Spülen nur bedingt möglich ist. Und es ist nicht so schmutzig oder man wird nicht schmutzig."
Louise Brown: "Du hast natürlich den Vorteil, dass du den Titel hast. Vielleicht magst du etwas erzählen darüber?"
Amina Wohlfahrt: "Ja, ich habe bei einem Wettbewerb mitgemacht, der damals auf der Ifa stattgefunden hat, der Internationalen Funkausstellung in Berlin. Da habe ich den Vorentscheid ganz unverhofft gewonnen und bin zum Finale eingeladen worden. Da musste man sich etwas überlegen. Es wurde die Geschwindigkeit bewertet, die Qualität der gebügelten vier Teile und der Show-Effekt, und ja, da war ich am Ende des Tages die Siegerin."

Brown: "Okay, vielleicht kannst du mich überzeugen, dass Bügeln entspannend und schön ist. Was brauchen wir dafür?"

Eine Mußestunde für sich

Wohlfahrt: "Also es steht und fällt alles mit einem qualitativ guten Bügelbrett - und der dementsprechenden Zeit, die man einfach hat. Es bringt nichts, wenn man sich unter Druck setzt, dass man eben schnell einer Minute das Teil bügeln muss, sondern wenn man sich das als Mußestunde für sich selber mit einem schönen Ambiente macht, dann bügelt es sich schon von selbst. Auf einem klassisches Bügelbrett bügelt es sich am angenehmsten."
Brown: "Ich fange am liebsten mit dem Ärmel an, das liegt daran, das ich das am wenigsten mag, dann kann man sich den angenehmeren Teilen widmen.
Wenn du anfängst zu bügeln, was machst du als erstes, kochst du dir einen Tee, machst du Musik an?
Wohlfahrt: "Es kommt darauf an, wie viel Teile ich zu bügeln habe. Wenn es nur zwei, drei Dinge sind dann telefoniere ich gerne. Wenn es mehr ist, dann höre ich in der Tat Hörbücher oder schaue mir etwas im Fernsehen an."

Brown: "Wie können wir uns Euren Bügelnachmittag vorstellen?"

Das ist wie Autofahren

Wohlfahrt: "Je häufiger man das macht je schneller und automatischer sind die Bewegungen. Ich denke das ist eher wie beim Autofahren, da denkt man auch nicht darüber nach wenn man schaltet. Beim Fernsehen muss man schauen, dass man nicht zu abgelenkt ist."
Brown: "Hast du schonmal was ruiniert bei einer Serie?"

Wohlfahrt: "Tatsächlich noch nie. Ich habe mit Taschentüchern angefangen als kleines Mädchen im Hause meiner Mutter. Das schult ganz gut."

Empfehlung für Bügeleinsteiger: Eigentlich einleuchtende Dinge wie die Hemden vorher gut aufhängen, damit man weniger Falten hat. Die Sachen befeuchten bevor man loslegt. Vorbereitung ist alles. Und das Hemd immer möglichst straff halten, sonst hat man Faltenalarm.

Wohlfahrt: "Ich glaube, das muss man ein bisschen spirituell sehen. Der stete Tropfe höhlt den Stein. Die stete Bügelbewegung glättet das Hemd."

Bügelrunde als Meditationsstunde?

Wohlfahrt: "Also ja, wenn es um Genauigkeit und dieses zur Ruhe kommen, sich selber zu fokussieren gleichzeitig, dann ist Bügeln glaube ich auf jedenfall geeignet dazu. Ich kann das sehr akkurat machen und mich selber darauf schulen, mich selber darauf fokussieren. Ich glaube, dass es eine Frage des Blickwinkels ist. Ich glaube, wenn man das Bügeln so macht, dass es eine Mußestunde sein kann, dann glaube ich, dass es etwas ist, was einer Art Meditation gleichkommt. Ich kann mich beim Bügeln zum Beispiel auf meine Atmung konzentrieren."
Das Fazit von Louise Brown: "Ich fand es am Ende unserer Bügelsession immer noch nervig zu bügeln. Ich würde zum Entspannen lieber Spazieren gehen. Aber es gibt ja tatsächlich Leute, die beides kombinieren, wie der Brite Phil Shaw, dem es leid war, den Tag mit Hausarbeit zu verbringen und sich vor einigen Jahren entschloss, eine Bergtour samt Bügelwäsche und Bügeleisen zu unternehmen. Seitdem gibt es immer mehr Menschen, die Extreme Ironing betreiben, also das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und draußen plätten, im Wald und am Berg und gar unter Wasser. Ich habe leider keinen kabellosen Bügeleisen oder was auch immer es heute gibt. Also habe ich mich an einem schönen Herbsttag bei mir zuhause in Altona in den Vorgarten an die Straße hingestellt. Auf jeden Fall. Die meisten Leute sind schnell vorbeigelaufen. Aber wenn man Menschen darauf anspricht, dann hat fast jeder etwas zum Bügeln zu sagen."

Hören Sie hier die ganze "Echtzeit"-Sendung vom 4. November 2017:
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