Bücher zu Kommerz und Fußball

Zweimal Kritik, nur einmal brillant geschrieben

Cover des Buchs: Das wunde Leder, im Hintergrund ein Mini-Fußball auf Geldscheinen. Quelle: Cover: Suhrkamp / Hintergrund Imago
Kommerz im Fußball: Kurzes, knappes, brillantes Klagelied © Cover: Suhrkamp / Hintergrund: Imago
Von Hanns Ostermann · 02.06.2018
Zwei Bücher beklagen den Kommerz im Fußball. Das eine Buch ist klischeehaft geschrieben und in der Analyse naiv. Das andere ist brillant: kurz, knapp und clever. Unser Sportredakteur Hanns Ostermann verrät Ihnen, welches Sie lesen sollten.
Schon wieder zwei Bücher über Fußball und Kommerz – mein erster Gedanke lautete: Es wurde doch vieles schon x-fach beschrieben, wenn auch nicht von jedem.
Natürlich waren die Weltmeister von 1954 oder ein Idol wie Uwe Seeler andere Typen als die Messis, Ronaldos oder Özils unserer Zeit. Das Geld spielte damals nicht dieselbe Rolle, die es heute einnimmt: dank des Farb-Fernsehens, der horrenden Fernsehverträge und des Interesses von Wirtschaft und Politik, einen Teil des Kuchens abzubekommen. Diese Entwicklung der letzten sechzig Jahre spielt in beiden Büchern eine entscheidende Rolle. Allerdings gehen die Autoren unterschiedlich vor – ihre Perspektive ist eine andere.

Ich-Perspektive: klischeehaft und naiv

Andreas Hock wählt in "Ein Spiel dauert 90 Millionen" die "Ich-Perspektive". Er outet sich als Fan des 1. FC Nürnberg, schildert das Leiden seines Vaters und sein eigenes angesichts der wechselhaften Geschichte des Clubs. Am Beispiel von Max Morlock entwickelt er eine seiner steilen Thesen, wobei steil eher ironisch gemeint ist.
Vorab: Morlock, gelernter Mechaniker, Weltmeister 1954, blieb bescheiden und bodenständig, betrieb später eine Lotto-Annahmestelle. Und Hock lernte ihn voller Respekt und Bewunderung als Kind kennen. Und dann begegnet er 2006 an einer Tankstelle in Österreich Oliver Kahn. Minutenlang standen sie nebeneinander. "Ich hätte ihn so vieles fragen können", schreibt Hock, "Kahn war und ist sicher ein interessanter Mann, der viel zu erzählen hätte. Aber ich stand nur sprachlos da. Vielleicht dachte ich ja, dass er fliegen kann."
Hock erklärt, warum er weder Max Morlock noch Oliver Kahn ansprach: "Nicht, weil ich zu großen Respekt vor Morlock hatte oder er unnahbar auf mich wirkte. Der Grund ist viel simpler: Morlock hatte, anders als die Fußball-Popstars von heute, schlichtweg permanent etwas zu tun." – Das aber ist wirklich keine sonderlich tiefsinnige Erkenntnis. Zumal Kahn immerhin als Fußballer ein Fernstudium erfolgreich abgeschlossen hat.
Andreas Hock arbeitet an dieser Stelle jedenfalls zu klischeehaft. Hier schreibt ein Fan, der sicher richtig beobachtet. Aber der ständige Rückgriff auf spezielle Fußball-Ereignisse hat mich auf die Dauer gelangweilt. Und das Resümee ist schlichtweg naiv. "Vielleicht gibt es ja ein Wunder", schreibt er, "und der Fußball besinnt sich zurück auf seine Wurzeln; auf das, was ihn bei unzähligen Menschen so beliebt werden ließ. Denn eines ist klar: Ganz ohne uns, ohne Fans, wird es nicht gehen. Das ist meine große Hoffnung."

Gmünder und Zeyringer schreiben kurz, knapp, clever

Stefan Gmünder und Klaus Zeyringer wollen, so heißt es auf dem Klappentext, die Zustände des Fußball-Feudalismus zur Diskussion stellen. Die Machenschaften, die sozialen Ungerechtigkeiten aufdecken. Sie kritisieren, dass der Fußball staatliche Hoheitsrechte aussetzt – wie bei zum Beispiel bei Weltmeisterschaften. Der Fußball liefert nur die Bühne dafür, dass Gesellschaften dringend darüber nachdenken müssen, welchen Kompass sie haben wollen.
Diese beiden Autoren beschreiben dieselben Phänomene wie auch Hock: den teilweise unerträglichen Kommerz, wie sich Transfers und Spielergehälter entwickelt haben, die Spirale der Fernsehgelder und so weiter. Ihr Buch kommt ohne persönliche Anekdoten aus: es ist kurz, knapp, brillant.
"Die Gier bedroht das schönste aller Spiele", zitieren sie an einer Stelle. "Der Fußball hat sich zu einem echten Industriezweig mit Milliardenumsätzen entwickelt. Es ist an der Zeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Auswüchse einzudämmen und dafür zu sorgen, dass der Sport seine Wurzeln schützen kann." Das Clevere: Von wem die Sätze stammen, verraten die Autoren erst später. Es ist Sepp Blatter, der sich 2005 so leidenschaftlich äußerte. Zehn Jahre später wurde er als Fifa-Präsident von der Ethikkommission des Verbandes aus dem Verkehr gezogen.
Ihr Fazit ist zwar nicht neu – aber auf den Punkt gebracht. "Das Geschäft mit Träumen, das der Fußball betreibt, dient nicht zuletzt der Ablenkung, dem Trost und der Flucht in eine Parallelwelt. Es ist nicht schlimm, dass es diese Träume gibt. Die Realität sollte trotzdem nicht aus dem Blick geraten."
Ein sehr lesenswertes Buch, bei dem mich nur eins stört: Es fehlen die Quellenangaben.

Andreas Hock: "Ein Spiel dauert 90 Millionen: Wie der Kommerz unserem Fußball die Seele raubt"
Riva, München 2018
176 Seiten, 16,99 Euro

Stefan Gmünder/Klaus Zeyringer: "Das wunde Leder: Wie Kommerz und Korruption den Fußball kaputt machen"
edition suhrkamp, 2018
128 Seiten, 12 Euro

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