Eine große Revue der Mutter-Bücher

Im Leben und über den Tod hinaus

56:09 Minuten
Eine Illustration zeigt eine Frau, die einen Jungen an einem Geschirr an der Leine führt.
Mutter und Kind: Eine ganz besondere Verbindung, die oft literarisch verarbeitet wird. © imago images/fStop Images
Von Tobias Lehmkuhl · 08.05.2022
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Die eigene Mutter lässt sich nicht abschütteln. Die Nabelschnur wird zwar gleich zu Beginn durchschnitten. Aber die unsichtbaren Bande halten ein Leben lang. Und darüber hinaus: Wenn die Mutter stirbt, gebiert sie manchmal – den Autor, der über sie schreibt.
Die Mutter lässt niemanden kalt. Man muss sie nicht (nur) lieben. Aber kühl kann kaum jemand über sie sprechen. Selbst über Mutter-Bücher lässt sich nur mit einiger Mühe sachlich und mit Distanz sprechen.
Man kann es natürlich versuchen wie in Tobias Lehmkuhls Revue der Mutter-Bücher und siehe da, eine Zeit lang klappt es, Distanz zu wahren. Eine Zeit lang ist der Versuch aufregend fruchtbar.

Mutterliebe und Kindesliebe

Es stellt sich zum Beispiel heraus, dass die Autorinnen und Autoren um genau diese Distanz ringen. Dass sie Abstand suchen und dieser Abstand ihren Stil prägt. Dass Bücher über die Mutter des Öfteren als Romane firmieren, aber keine sind. Dass die Mutter, auch wenn sie das Kind vernachlässigte oder sich ihm gar entzog, auf dessen Verständnis rechnen kann. Oder doch auf den Versuch, sie zu verstehen.
Es stellt sich zudem heraus, dass die Mutter auch eine Frau ist und anderen Lieben als der Mutterliebe nachgeht, manchmal sehr unbedingt. Was der Kindesliebe ebenfalls keinen Abbruch tut, sie im Gegenteil zuweilen noch befeuert. Wie überhaupt kaum etwas, was die Mutter an Unangenehmem, Schädlichem, Traurigem, Verurteilenswertem tut, ihr den Nimbus als die Eine – und alles – nehmen kann.

Verwickelte Liebeserklärungen

Mutter-Bücher sind oft Liebeserklärungen, allerdings verwickelte – wenn die Sache einfach wäre, wenn sie also eine Sache wäre, wenn sie einen kalt ließe, dann bräuchte es ja kein Buch. Von ihnen gibt es aber in jüngerer Zeit, seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine erstaunlich große Zahl. Immerhin 29 oder 30 finden sich in dieser Revue der Mutter-Bücher.
(pla)
Das Manuskript der Sendung können Sie hier herunterladen.

Es sprechen: Lisa Hrdina, Max von Pufendorf, Julika Jenkins und Michael Rotschopf
Ton: Hermann Leppich
Regie: Beatrix Ackers
Redaktion: Jörg Plath
Produktion Deutschlandfunk Kultur 2022

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