Brücke zwischen Orient und Okzident

Von Frieder Reininghaus |
Im Zentrum von "Neda" steht eine emanzipationshungrige Sklavin. Das Auftragswerk des Theaters Osnabrück von Nader Mashayekhi will mit der Adaption eines persischen Dichters eine Brücke schlagen zwischen dem Orient und der reichen Festung Europa.
Es war ein Wochenende der Frauenstücke auf den Opernbühnen: Nachdem am Freitag in Köln Francis Poulencs "Voix humaine" und Béla Bartóks "Blaubart" serviert wurde, ging es am Samstag mit der Fokussierung auf Frauenfragen in Osnabrück weiter.

Dabei ist Nader Mashayekhis "Neda" nicht nur in Gender-Hinsicht wichtig für Quote und "Akzeptanz", sondern zugleich ein Werk, das Brücken schlagen will und soll zwischen einem funkelnden Orient und der Kultur in der reichen Festung EU-Europa. Motive einer uralten auratischen persischen Kultur des 12. Jahrhunderts verbinden sich mit moderner Musik und Theateranimation: Kulturpolitisch besser positioniert im offiziösen Geflecht der gegenwärtigen deutschen Kunstförderungskultur (politisch korrekter geht es gar nicht).

Die Handlung, die die Wiener Autorinnen Nadja Kayali und Angelika Messner entwickelten, rekurriert auf Überlieferungen von Nizami, einem persischen Dichter des 12. Jahrhunderts. Der Libretto-Poet bekommt von einem seiner hochadeligen Verehrer die Sklavin Apak geschenkt. Die hält erklärtermaßen nichts von Männern. Nizami behandelt die "Sexsklavin" mit Verständnis und Respekt. Seine Verzweiflung ist groß, als sie an einer Vergiftung stirbt (mutmaßlich haben die Mehrheitsmänner sie zur Strecke gebracht).

Die Trauer über ihren Tod sucht er durch Schreiben zu bewältigen: Zu ihrem Gedächtnis literarisiert er Figuren wie die Amazonenkönigin Nuschabe, die keine Männer an ihrem Hof duldete und auf den König wartete, der ihr gewachsen ist (Eva Schneidereit singt ihre Partie jetzt mit prächtiger Wucht). Des Dichters Fantasie entspringt auch jene chinesische Prinzessin Turandot, die ihre Freier umbringen lässt, bis endlich der kommt, der Hintersinn und Struktur ihrer Fragerei durchschaut und sie dann mit dem, was er für Liebe hält, zur Raison bringt.

Regisseurin Carin Marquardt inszeniert das alles sehr holzschnittartig – überhaupt erinnert die Produktion mitunter an das Lehrstück- und Agitprop-Theater eines vergangenen Jahrhunderts. So geht das (und vielleicht liegt auch eine leise Ironisierung des ideologischen Werkgehalts darin). Als herausragend im Ensemble erweist sich die zierliche Anja Meyer – mit stolzer und entschiedener Stimme bestreitet sie die emanzipationshungrige Apak. Und Marco Vassalli sekundiert ihr überzeugend als Nizami – er verkörpert tatsächlich einen sehr soft wirkenden Intellektuellen.

Nader Mashayekhi versah die frauenpolitisch gewürzte Textvorlage mit einem wechselhaften Soundtrack. Der entwickelt sich aus der Adaption traditioneller orientalischer Musik, entfaltet eine homophone und heterophone Lineatur, bedient sich beim Orchestergewebe verschiedener Muster der westlichen Avantgarde (und wahrscheinlich am massivsten bei den Partituren György Ligetis). Dass sie dergestalt kompilieren, ist guter Brauch der Theatermusikschaffenden seit alters her, zumal, wenn sie auch über hinreichend Kapellmeistererfahrung verfügen (wie dies bei Mashayekhi der Fall ist).

Oper "Neda - Der Ruf" am Theater Osnabrück

Programmhinweis: Die Oper "Neda - Der Ruf" wird am Samstag, 20. März 2010, von 19.05 bis 21 Uhr von Deutschlandradio Kultur übertragen.