Neda – eine Ruferin in der Oper

Es sei seine erste politische Oper, sagt der Komponist Nader Mashayekhi. Der iranische Künstler hat in Wien bei Roman Haubenstock-Ramati studiert, ist auch als Dirigent des Teheraner Symphonie Orchesters hervorgetreten und lebt seit der missglückten Wahl im Iran vom Juni 2009 im Exil.
Seine Oper bezieht indirekt und vor allem mit künstlerischen Mitteln zugunsten der iranischen Freiheitsbewegung Stellung – ihr Titel leitet sich vom Namen der Heldin vom vergangenen Sommer her, der YouTube-Twitter-Toten „NEDA“, einer Studentin, die im Juni 2009 vermutlich von Milizen des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad bei einer Demonstration in Teheran erschossen wurde und deren Ermordung binnen Minuten per modernster Kommunikationswege weltweit kundgetan wurde. Doch Mashayekhi hat sein Musiktheater sehr viel sublimer angelegt:

Die Geschichte spielt im Mittelalter: Der persische Dichter Nizami (1141-1209), dessen Dichtung „Sieben Geschichten der sieben Prinzessinnen“ die Vorlage zu Puccinis Oper „Turandot“ bildete, läßt außer Turandot, einer stolzen und grausamen Prinzessin, noch andere heldenhafte Frauengestalten auftreten, die nicht nur gut aussehen und die Männer zu verführen verstehen, sondern die auch ihre Vernunft und Weisheit in Taten umzusetzen verstehen. Mashayekhi und seinen beiden Librettistinnen Nadja Kayali und Angelika Messner geht es um die Art und Weise, wie Nizami diese Frauengestalten kreiert hat. Der Dichter liebte eine kluge Sklavin, konnte aber diese Liebe nicht mit ihr leben. Diese Frau musste sterben.

Die Märchenoper verwebt das reale Leben der Sklavin und des sie liebenden Dichters mit dem Leben seiner literarischen Figuren Turandot, Nushabe und Fitna. NEDA bedeutet übersetzt RUFERIN: In der Oper wird eine Frau zur Gebetsruferin und damit zur Vollzieherin eines religiös-musikalischen Akts, der eigentlich Männern vorbehalten ist. Nader Mashayekhi komponiert für westliches Orchester und westliche Sänger – die orientalische Klangwelt findet nur über Zuspiele Eingang ins Operngeschehen.



Theater am Domhof Osnabrück
Aufzeichnung vom 13.03.2010

Nader Mashayekhi
„Neda – der Ruf“ (Uraufführung)
Libretto: Nadja Kayali und Angelika Messner
Inszenierung: Carin Marquardt
Nesami – Marco Vassali
Der Freund – Marc Hamman
Turandot – Lina Liu
Nuschabe – Eva Schneidereit
Fitna – Natalia Atamchuk
Apak – Anja Meyer
Ältester – Genadijus Bergorulko
Gelehrter – Sang-Eun Shim
Chor und Damen des Extrachores des Theaters Osnabrück
Osnabrücker Symphoniker
Leitung: Daniel Inbal


anschließend:
Der Komponist Nader Mashayekhi im Gespräch mit Volker Michael
ca. 21:00 Uhr Nachrichten