Brian Greene: "Bis zum Ende der Zeit"

Von der Vergänglichkeit und Schönheit des Lebens

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Buchcover "Bis zum Ende der Zeit" mit der Langzeitbelichtung des Sternenhimmels, vor einem Aquarell-Hintergrund
Mit Hilfe von Wissenschaft und Kunst versucht Brian Green in "Bis zum Ende der Zeit", Antworten auf Fragen zum Leben zu geben. © Siedler / Deutschlandradio
Von Gerrit Stratmann · 11.08.2020
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Der Physiker Brian Green erzählt in seinem Buch "Bis zum Ende der Zeit" inspirierend und anschaulich die Geschichte des Kosmos über unfassbare Zeiträume hinweg. Er macht deutlich: Wir sollten jede Sekunde unseres Lebens genießen.
Wir werden alle sterben – so könnte der Titel von Brian Greenes aktuellem Buch lauten. In Wahrheit heißt es "Bis zum Ende der Zeit", und der Mathematiker und Stringtheoretiker, der sich beruflich mit den allerkleinsten Bestandteilen des Universums beschäftigt, nimmt darin das große Ganze in den Blick: die Entwicklung des Kosmos über unfassbare Zeiträume hinweg. Die Zukunftsaussichten für Leben und Geist sind darin alles andere als rosig.

Das Leben ist endlich

Niemand weiß, ob das Leben eine selbstverständliche Erscheinung im Universum ist. Aber mit einiger Sicherheit wird das Leben endlich sein. Nicht nur unser eigenes oder das auf unserem Planeten. Ungeschminkt bringt Brian Greene es gleich im ersten Satz auf den Punkt: "In der Fülle der Zeit wird alles Lebendige sterben."
Ein unverstandenes Rätsel ist, wie solche selbstreflektierenden Wesen, wie wir es sind, überhaupt entstehen konnten – der Mensch mit seiner Sprechfähigkeit, seinem Hang zum Erzählen, zum Erfinden von Mythen und Betreiben von Religion, mit seiner kreativen Schaffenskraft und seiner Wissenschaft.

Physik, Glauben, Fantasie und Gefühle

Als Reduktionist ist Brian Greene überzeugt: Kein Gott, kein immaterieller Geist ließ alles Lebendige entstehen, sondern die Gesetze der Physik. Aus diesem Blickwinkel wirft er in seinem Buch eine Reihe interessanter Fragen auf: Wie verläuft der Weg von den Atomen zum Leben und zum Bewusstsein? Wie frei ist unser Wille? Hat das Betreiben von Religion oder Kunst einen evolutionären Nutzen? Und wie geht die Entwicklung des (intelligenten) Lebens weiter?
Nicht alle diese Fragen lassen sich auf der Ebene der Physik sinnvoll beantworten. Deshalb widmet sich Brian Greene auch nicht nur dem physikalischen Prinzip der Entropie, das die Auflösung aller komplexen Strukturen im Laufe der Zeit beschreibt, sondern auch der Biochemie, der Evolution, dem Glauben, der Kultur und Fantasie sowie unserer subjektiven Gefühlswelt.

Die Zukunft des Denkens

Brian Greene betrachtet Wissenschaft und Kunst nicht mehr als unvereinbare Gegensätze. Beide beschreiben die Wirklichkeit auf einer anderen Ebene und geben so zusammen ein vollständigeres Bild. Das komplett bilderlose Buch ist dabei großartig in seiner Argumentation: schlüssig, nachvollziehbar, anschaulich und ausgewogen stellt es seine Gedanken zur Entwicklung des Lebens und zur Zukunft des Denkens dar.
"Bis zum Ende der Zeit" ist ein Buch, das berührt. Es erinnert unmissverständlich an die Vergänglichkeit aller Dinge. Statt Melancholie dominiert jedoch der nüchterne und mitunter persönliche Blick des Forschers, der staunend den Wert dessen betont, was wir während unserer kurzen Existenz erleben dürfen.

Brian Greene: "Bis zum Ende der Zeit. Der Mensch, das Universum und unsere Suche nach dem Sinn des Lebens"
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel
Siedler Verlag, München 2020
445 Seiten, 28 Euro

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