Bremm: "1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger"

Die Frage nach dem Status Quo in Mitteleuropa

Bismarckstatue in Berlin
Bismarck-Statue in Berlin: "Wir atmen einer dem anderen die Luft vor dem Munde fort", sagte der damalige Ministerpräsident von Preußen, Bismarck, über Österreich. © picture alliance / dpa / Thalia Engel
Rezensiert von Matthias von Hellfeld · 07.05.2016
"Einer muss weichen oder vom anderen gewichen werden“, sagte Bismarck damals über Österreich. Um 1866 prägte der Dualismus zwischen Preußen und Österreich die deutsche Geschichte. Der Historiker Klaus-Jürgen Bremm hat dem Jahr ein Buch gewidmet.
Ironie der Geschichte: Der Feldwebel Johann Konrad Adenauer geriet am 3. Juli 1866 in der Nähe von Königgrätz in österreichisches Abwehrfeuer und überlebte den Tag nur knapp. Er hätte es sich bestimmt nicht träumen lassen, dass sein gleichnamiger Sohn 83 Jahre später als erster Bundeskanzler eines westdeutschen Staates zum Nachlassverwalter eben jenes Deutschen Reichs werden würde, das der geschundene preußische Feldwebel aufzubauen mitgeholfen hatte.
Er war nicht der Einzige, der diesen Tag in schmerzlicher Erinnerung behalten hat. Den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck (1815 bis 1898) sah man nach dem Kampf über das Schlachtfeld reiten, Trost und Zigarren zu verteilen. Angesichts der vielen Verletzten und Toten soll in seinen Augen das Wasser gestanden haben. Diese Anekdoten findet man in der Studie über den deutsch-österreichischen Krieg von 1866, die der Duisburger Militärhistoriker Klaus-Jürgen Bremm verfasst hat.
Das Ende der Ordnung von 1815
Bremm beginnt seine Studie mit dem Ende des "Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation" und dem als "Rheinbund" getarnten französischen Protektorat über Deutschland. Nach dem Ende der französischen Hegemonie über Europa, sollte die alte Ordnung "restauriert" werden. Aber Revolutionen, nationale Befreiungskämpfe und eine schleichende Liberalisierung pulverisierten diese Absicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Deutschen waren in dieser Zeit in einem "Deutschen Bund" organisiert, der der Aufrechterhaltung des Status Quo in Mitteleuropa dienen sollte und unter dem Dualismus zwischen Preußen und Österreich zu leiden hatte. Angesichts dieser politische Situation fasste Bismarck sein politische Credo 1853 in einem Brief an den preußischen Infanteriegeneral so zusammen:" Unsere Politik hat keinen anderen Exerzierplatz als Deutschland (…) und gerade diesen glaubt Österreich auch für sich zu gebrauchen. (…) Wir atmen einer dem anderen die Luft vor dem Munde fort, einer muss weichen oder vom anderen gewichen werden." Insofern war für Bismarck die militärische Auseinandersetzung um die Dominanz in Deutschland zwischen Österreich und Preußen schon lange eine Option.
Klaus-Jürgen Bremm: 1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger
Klaus-Jürgen Bremm: 1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger© Konrad Theiss Verlag
Der "alternativlose" Norddeutsche Bund?
Bremm zeichnet detailliert die Schlachten nach, die 1866 nicht nur in Königgrätz stattgefunden haben. Oft zu detailliert breitet er dabei Bewaffnung, Mannstärken oder Verlustzahlen aus. Die Gründung Norddeutschen Bundes am 1. Juli 1867 wird zutreffend als Durchgangsstation zur Gründung des Deutschen Reichs am 17. Januar 1871 gesehen. In kleinen "Exkursen" beispielsweise über den preußischen Generalstab, die Lage in Österreich oder die britische Appeasementpolitik ergänzt Bremm das Bild über die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, die aus deutscher Sicht in der Gründung des Norddeutschen Bundes münden. Dabei behält Bremm die Frage im Blick, ob es eine Alternative gegeben und die Chance auf eine deutsche Föderation oder gar die "großdeutsche Lösung" der 48er-Revolution bestanden hat.
Die Antwort gibt Bremm am Ende seiner Darstellung: Nein – jedenfalls nicht ohne einen europäischen Krieg zu riskieren. Und den wollte Bismarck um jeden Preis verhindern. Für ihn ging es nicht um einen Nationalstaat oder irgendwelche deutschtümelnde Parolen. Er war Rationalist, dessen Ziel der Machtzuwachs Preußens war. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich waren Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie. Insofern ist Bremms Schlussfolgerung zuzustimmen: "Zeit seines Lebens war (Bismarck) als preußischer Patriot dem Nationalismus mit kritischer Distanz begegnet, hatte ihn 1864 hintergangen und 1866 für seine Zwecke einzuspannen versucht."

Klaus-Jürgen Bremm: 1866 – Bismarcks Krieg gegen die Habsburger
Konrad Theiss Verlag 2016, 312 Seiten

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