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Zwischen Sicherheit und Freiheit

51:59 Minuten
28.11.2015
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Nur kurz nach den Anschlägen in Paris setzte das Bundeskriminalamt einen geheimen Plan in Kraft.
Nur kurz nach den Anschlägen in Paris setzte das Bundeskriminalamt einen geheimen Plan in Kraft. Detailliert wird darin vorgeschrieben, wie die deutschen Sicherheitsbehörden auf einen großen Terroranschlag im Ausland reagieren sollen: Auf Bahnhöfen und Flughäfen werden schwer bewaffnete Beamten aufgestellt, vor allem aber werden alle als gefährlich eingeschätzten Islamisten gründlicher überwacht.
Die genauen Punkte des Plans sind geheim, insgesamt aber weiten sie die Befugnisse der Geheimdienste aus. Von einer »schwierigen Balance zwischen Sicherheit und Freiheit« schreibt die SZ in diesem Zusammenhang. Das Thema Sicherheit wird nach den Anschlägen in Paris heiß diskutiert: In Deutschland werden Rufe nach stärkerer Überwachung laut, nach verschärften Grenzkontrollen und einer Beschränkung der Zuwanderung. Frankreich hat die Notstandsgesetze auf drei Monate verlängert und seine Sicherheitsgesetzgebung verschärft. In Belgiens Hauptstadt Brüssel wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen; Konzerte, Fußballspiele und Märkte abgesagt.
Doch wie viel mehr Sicherheit brauchen wir? Wie viel Freiheit geben wir dafür auf? Stimmen, die angesichts der Anschläge zu Besonnenheit raten, haben es jetzt schwer: Umfragen zufolge halten mehr als 90 Prozent aller Deutschen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Land für angebracht. Nur fünf Prozent befürchten, dass ihre Grundrechte zu stark beschnitten werden könnten.
Frankreich und Großbritannien haben schon vor den Anschlägen die Kompetenzen ihrer Geheimdienste ausgeweitet. In Frankreich gibt es seit mehr als zehn Jahren die Vorratsdatenspeicherung. Die Anschläge wurden trotzdem nicht verhindert. Wie effektiv ist mehr Überwachung, wie effektiv sind die Geheimdienste? Wie viele Bürgerrechte sollen wir aufgeben im Namen von mehr Sicherheit? Welche Maßnahmen wären zum Schutz der Bevölkerung tatsächlich sinnvoll oder angebracht? Und wird Europa in dieser Lage weiter auseinanderdriften, werden die einzelnen Nationen sich weiter abschotten?
Zu Gast im Studio:
Wolfgang NeskovicWolfgang Neskovic war Richter am Bundesgerichtshof, Mitglied bei der SPD und den Grünen. Für die Linke saß er im Bundestag. Neskovic untersuchte im Parlamentarischen Kontrollgremium die Aktivitäten des Geheimdienstes und setzte sich im BND-Untersuchungsausschuss mit den Verwicklungen Deutschlands mit dem US-Geheimdiensten auseinander.
Ulrike GuérotUlrike Guérot ist Politikwissenschaftlerin und Gründerin sowie Direktorin des European Democracy Lab an der European School of Governance, wo sie sich mit der Zukunft der europäischen Demokratie beschäftigt.
Peter WelcheringPeter Welchering arbeitet als Wissenschafts- und Technikjournalist zu den Themen Überwachung und Datensicherheit.
Literaturtipp:
Pankaj Mishra: ISIS. Die Attraktion des Ressentiments und der bevorstehende Flächenbrand. In: Lettre International
Ulrike Guérot: Für ISIS sind wir die Hasenfüße
Judith Butler: Rede anlässlich der Verleihung des Adorno-Preises
Moderation: Philip Banse
Redaktion: Meike Laaff und Jana Wuttke
Web: Nora Gohlke
Bild: Autorretrato von Danielle Pereira auf Flickr, CC BY