Brauchtumspflege oder Chance auf Neuentdeckungen?
Einen solch grandiosen Alleinunterhalter wie Mozart gibt es 2009 erfreulicherweise nicht. Immerhin aber doch drei Komponisten, die mit zugegebenermaßen unterschiedlicher Nachhaltigkeit zu den „Best of“ der Musikgeschichte gezählt werden: Georg Friedrich Händel, Joseph Haydn und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Ullrich Bohn beleuchtet ein wenig die Aktivitäten, die um die drei in diesem Jahr gemacht werden. Und er lässt dabei auch einen spitzzüngigen, ewigen musikalischen Revoluzzer zu Wort kommen:. Den ehemaligen Geiger und heutigen Musikvermittler Reinhard Goebel.
Die beiden wichtigsten Händel-Feste in Halle und Göttingen, das dritte in Karlsruhe bleibt da wohl eher auf dem Teppich, übertrumpfen sich geradezu im „namedropping“. Göttingen etwa bietet unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles und dank großzügigen Sponsorengeldern die Filmregisseurin Doris Dörrie auf, die bei ihrem ersten Ausflug ins Barockopern-Fach vom japanischen Butoh-Tänzer und -Choreographen Tadashi Endo assistiert wird. Folglich die Ideen aus dem Film „Kirschblüten – Hanami“ anscheinend hier jetzt zur Zweitverwertung anstehen.
Auch Händels Geburtsstadt Halle an der Saale fährt groß auf. Bei den Schirmherren immerhin mit Königin Elisabeth II. und Bundespräsident Horst Köhler. Inhaltlich aber stellt man sich hier breiter auf und betrachtet Händel fortan als Europäer. Das gilt für die Neugestaltung der Dauerausstellung im Händel-Haus nach fast 25 Jahren ebenso, wie für zwei aufwändige Filme über den „Barockstar“ und für ein Projekt junger Künstler, mit dem diese neue Sichtweisen auf den alten Händel auszuprobieren versuchen und damit sodann auch nach Bregenz und Luxemburg reisen werden.
Und wie immer so werden in Halle auch zum Jubiläum so viele Händel-Opern wie sonst nirgends aufgeführt, reichen sich die Barockensembles quasi die Klinke in die Hand und als Krönung gibt sogar noch Cecilia Bartoli ihre Visitenkarte in Sachen Händel ab.
Wichtiger aber erscheint doch die Frage, ob wir auch in puncto Interpretation der Händelschen Werke wirklich noch etwas Neues und Aufregendes erleben werden? Oder doch nur die mittlerweile gebräuchlichen Standards historischer Aufführungspraxis aufgetischt bekommen. Nähmaschinenschnell und gespickt mit gesanglichen Leuchtkugeln. Auch hier trifft einen der harsche Blick des Musikvermittlers Reinhard Goebel:
„Manche Leute, ob Publikum oder Presse, die hören ja sowieso nicht aktuell. Die hören ja nicht, was da geboten wird, sondern die haben die Musik ja schon abgespeichert im Kopf und die wollen es so hören, wie sie es da drin haben. Wie viel Leute hören uns wirklich wach zu? Wenige doch eigentlich. Ich verteidige gerne den Komponisten gegen seine Liebhaber. Wir haben nicht das geringste Recht daran rumzunörgeln, und zu sagen, na ja, das ist doch wohl ein bisschen schnell oder so... Das ist doch alles nur relativ!“
Das gilt für die Musik Joseph Haydns wohl in nicht mehr ganz so großem Maße. Haben doch Musiker und Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt, Ton Koopman, Christophe Rousset oder Réne Jacobs, um nur einige zu nennen, hier schon reichlich klangliche Pionierarbeit geleistet, um das allzu brav-betuliche, das „papahafte“ des gebräuchlichen Haydn-Bildes aufzubrechen, damit der wahre Klassiker, der wahre Joseph Haydn zum Vorschein kommt.
2009 – das sogenannte Haydn-Jahr, könnte da noch sehr viel mehr bewirken. Vor allem im österreichischen Burgenland, in Eisenstadt und auf Schloss Esterházy, wo die Haydn-Pflege eine jahrzehntlange Tradition besitzt und wo jetzt von Ende März bis Mitte September, um seinem kompositorischen Schaffen überhaupt gerecht zu werden, ein Haydn-Gipfel nach dem anderen abgehalten wird.
Bliebe noch als dritter im Bunde der Jubilare Felix Mendelssohn-Bartholdy, der, wie Franz Liszt meinte, wie keiner sonst den Regenbogenduft und die glänzende Emphase eines hochzeitlichen Hoffestes in seiner Sommernachtstraum-Musik wiedergeben konnte:
Und doch fällt die Rezeptionsgeschichte seiner Werke verglichen mit solchen Wertschätzungen eher dürftig aus. Denn neben der „Sommernachtstraum“-Musik sind es vor allem die Symphonien, das Violinkonzert oder auch zuweilen das Oratorium „Elias“, die unter dem Stichwort „häufiger gespielt“ anzutreffen sind. Immerhin Leipzig, wo Mendelssohn-Bartholdy als Komponist, Gewandhauskapellmeister und als Gründer des ersten deutschen Konservatoriums wirkte, wird sich seiner in diesem Jahr in gebührender Weise annehmen. Mit den Mendelssohn-Festtagen von Mitte August bis Mitte September, u.a. mit Riccardo Chailly, Martha Argerich und Maurizio Pollini.
Aber, da hebt Reinhard Goebel deutlich den Finger und meldet Widerspruch an, wirklich prickelnde Interpretationen der Symphonien beispielsweise seien dann sicherlich nicht dabei. Da sieht Goebel viel eher bei Philippe Herreweghe oder bei Sir Roger Norrington und seinem RSO Stuttgart die weitaus besseren Ansätze, mit prägnanten Phrasierungen und vor allem ohne Vibrato:
„In unserer Feuilleton-Gackerei, da reden ja so viele Leute mit, die gar keine Ahnung haben. Die sollen doch selbst ihre Untersuchungen machen. ‚Die Leute haben immer vibriert, man kann doch gar nicht ohne Vibrato spielen!‘ Woher wissen sie das. Klar, haben sie ohne Vibrato gespielt. Der Norrington hat absolut Recht. Es gibt gar nichts daran zu kritteln!“
Und damit kann's losgehen, das Musikjahr 2009. Mit wahrscheinlich genauso viel guten wie schlechten, langweiligen wie elektrisierenden Konzerten und Aufführungen. Begleitet vom tosenden Beifall oder vom Buhgewitter des Publikums, und von den Lobeshymnen und den Verrissen der werten Kritiker, wenn mal wieder die Hörgewohnheiten nachhaltig auf den Kopf gestellt wurden:
Auch Händels Geburtsstadt Halle an der Saale fährt groß auf. Bei den Schirmherren immerhin mit Königin Elisabeth II. und Bundespräsident Horst Köhler. Inhaltlich aber stellt man sich hier breiter auf und betrachtet Händel fortan als Europäer. Das gilt für die Neugestaltung der Dauerausstellung im Händel-Haus nach fast 25 Jahren ebenso, wie für zwei aufwändige Filme über den „Barockstar“ und für ein Projekt junger Künstler, mit dem diese neue Sichtweisen auf den alten Händel auszuprobieren versuchen und damit sodann auch nach Bregenz und Luxemburg reisen werden.
Und wie immer so werden in Halle auch zum Jubiläum so viele Händel-Opern wie sonst nirgends aufgeführt, reichen sich die Barockensembles quasi die Klinke in die Hand und als Krönung gibt sogar noch Cecilia Bartoli ihre Visitenkarte in Sachen Händel ab.
Wichtiger aber erscheint doch die Frage, ob wir auch in puncto Interpretation der Händelschen Werke wirklich noch etwas Neues und Aufregendes erleben werden? Oder doch nur die mittlerweile gebräuchlichen Standards historischer Aufführungspraxis aufgetischt bekommen. Nähmaschinenschnell und gespickt mit gesanglichen Leuchtkugeln. Auch hier trifft einen der harsche Blick des Musikvermittlers Reinhard Goebel:
„Manche Leute, ob Publikum oder Presse, die hören ja sowieso nicht aktuell. Die hören ja nicht, was da geboten wird, sondern die haben die Musik ja schon abgespeichert im Kopf und die wollen es so hören, wie sie es da drin haben. Wie viel Leute hören uns wirklich wach zu? Wenige doch eigentlich. Ich verteidige gerne den Komponisten gegen seine Liebhaber. Wir haben nicht das geringste Recht daran rumzunörgeln, und zu sagen, na ja, das ist doch wohl ein bisschen schnell oder so... Das ist doch alles nur relativ!“
Das gilt für die Musik Joseph Haydns wohl in nicht mehr ganz so großem Maße. Haben doch Musiker und Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt, Ton Koopman, Christophe Rousset oder Réne Jacobs, um nur einige zu nennen, hier schon reichlich klangliche Pionierarbeit geleistet, um das allzu brav-betuliche, das „papahafte“ des gebräuchlichen Haydn-Bildes aufzubrechen, damit der wahre Klassiker, der wahre Joseph Haydn zum Vorschein kommt.
2009 – das sogenannte Haydn-Jahr, könnte da noch sehr viel mehr bewirken. Vor allem im österreichischen Burgenland, in Eisenstadt und auf Schloss Esterházy, wo die Haydn-Pflege eine jahrzehntlange Tradition besitzt und wo jetzt von Ende März bis Mitte September, um seinem kompositorischen Schaffen überhaupt gerecht zu werden, ein Haydn-Gipfel nach dem anderen abgehalten wird.
Bliebe noch als dritter im Bunde der Jubilare Felix Mendelssohn-Bartholdy, der, wie Franz Liszt meinte, wie keiner sonst den Regenbogenduft und die glänzende Emphase eines hochzeitlichen Hoffestes in seiner Sommernachtstraum-Musik wiedergeben konnte:
Und doch fällt die Rezeptionsgeschichte seiner Werke verglichen mit solchen Wertschätzungen eher dürftig aus. Denn neben der „Sommernachtstraum“-Musik sind es vor allem die Symphonien, das Violinkonzert oder auch zuweilen das Oratorium „Elias“, die unter dem Stichwort „häufiger gespielt“ anzutreffen sind. Immerhin Leipzig, wo Mendelssohn-Bartholdy als Komponist, Gewandhauskapellmeister und als Gründer des ersten deutschen Konservatoriums wirkte, wird sich seiner in diesem Jahr in gebührender Weise annehmen. Mit den Mendelssohn-Festtagen von Mitte August bis Mitte September, u.a. mit Riccardo Chailly, Martha Argerich und Maurizio Pollini.
Aber, da hebt Reinhard Goebel deutlich den Finger und meldet Widerspruch an, wirklich prickelnde Interpretationen der Symphonien beispielsweise seien dann sicherlich nicht dabei. Da sieht Goebel viel eher bei Philippe Herreweghe oder bei Sir Roger Norrington und seinem RSO Stuttgart die weitaus besseren Ansätze, mit prägnanten Phrasierungen und vor allem ohne Vibrato:
„In unserer Feuilleton-Gackerei, da reden ja so viele Leute mit, die gar keine Ahnung haben. Die sollen doch selbst ihre Untersuchungen machen. ‚Die Leute haben immer vibriert, man kann doch gar nicht ohne Vibrato spielen!‘ Woher wissen sie das. Klar, haben sie ohne Vibrato gespielt. Der Norrington hat absolut Recht. Es gibt gar nichts daran zu kritteln!“
Und damit kann's losgehen, das Musikjahr 2009. Mit wahrscheinlich genauso viel guten wie schlechten, langweiligen wie elektrisierenden Konzerten und Aufführungen. Begleitet vom tosenden Beifall oder vom Buhgewitter des Publikums, und von den Lobeshymnen und den Verrissen der werten Kritiker, wenn mal wieder die Hörgewohnheiten nachhaltig auf den Kopf gestellt wurden: