Brandenburgische Sommerkonzerte

Italiens Frühbarock im Kloster Zinna

Der Tenor Georg Poplutz
Solist beim Konzert in Kloster Zinna: Der Tenor Georg Poplutz © J. Kratschmer/Website Georg Poplutz
Moderation: Volker Michael · 14.07.2019
Weltpremieren der Musik um 1650 verspricht das Konzert des Johann-Rosenmüller-Ensembles bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten. Leiter Arno Paduch hat tief in den Archiven nach Werken von bekannten und unbekannten Meistern der Zeit gegraben.
Die Jahre nach 1600 waren eine Zeit des Umbruchs. In Italien hatte sich eine neue Art des Musikmachens durchgesetzt: der vom Generalbass begleitete Sologesang. Dieses Phänomen kam der Neuerfindung des musikalischen Subjekts gleich und war ein Abbild einer neuen Form von Individualismus. Der Mensch mit seinen Gefühlen trat in den Mittelpunkt des Kunstwerks und verdrängte damit die göttliche Ordnung, die von der komplexen Mehrstimmigkeit der Renaissance symbolisiert worden war.
Das Ensemble steht in einem barocken Kirchenraum
Spezialisten für alte Musik: Das Johann-Rosenmüller-Ensemble ist spezialisiert auf die historische Aufführungspraxis© Das Johann Rosenmüller Ensemble
Bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten in der Klosterkirche Sankt Marien im Kloster Zinna bei Jüterbog im Süden des Bundeslandes bieten die Spezialisten des Johann-Rosenmüller-Ensembles um den Zinkenisten und Musikwissenschaftler Arno Paduch Werke revolutionärer italienischer Komponisten und solche von deutschen Musikern, die zum Studium nach Italien gingen.

Verhinderter Thomaskantor

Allen voran Johann Rosenmüller, der verhinderte Thomaskantor, der 1645 nach Venedig reiste und später dort viele Jahre wirkte. Rosenmüller wurde vor 400 Jahren im Vogtland geboren und genoss zu Lebzeiten einen ausgezeichneten Ruf als Schöpfer von Kirchen- wie von Instrumentalmusik. Seine Karriere bekam allerdings einen gehörigen Knick, als er in Leipzig wegen Vorwürfen verhaftet wurde, er habe die Knaben der Thomasschule missbraucht. Er floh nach Italien und kehrte erst spät nach Deutschland zurück, diesmal an den musikliebenden Hof in Wolfenbüttel.
Kloster Zinna bei Jüterbog in Brandenburg
Intime Atmosphäre für Konzerte: Das Kloster Zinna bei Jüterbog in Brandenburg© Brandenburgische Sommerkonzerte
Johann Philipp Krieger wiederum ist ein deutscher Komponist, der bei Rosenmüller in Italien studierte. Einige Namen in diesem erlesenen Programm aus geistlichen Konzerten für Tenor und Ensemble und Werken für Solo-Laute oder Instrumentalensemble dürften auch Barockliebhaber noch nicht gehört haben, etwa Christoph Bernhard oder Nicolò Corradini.

Intim und authentisch

Dagegen wirken Namen wie Samuel Scheidt und Claudio Monteverdi aber auch Girolamo Frescobaldi vertraut. Doch auch ihre Musik dürfte an diesem Tag in Kloster Zinna in besonders intimer Atmosphäre und nach kritischem Quellenstudium sehr authentisch erklingen. Ensembleleiter Arno Paduch hat wieder tief in die Archive geschaut und wertvolle Stücke ausgegraben, die an diesem Nachmittag im Kloster Zinna erstmals seit ihrer Entstehung vor 350 Jahren zu hören sein dürften.
Das Gespräch, das Volker Michael in Kloster Zinna mit der Geschäftsführerin der Brandenburgischen Sommerkonzerte, Constanze Büchner, und dem Leiter des Johann-Rosenmüller-Ensembles, Arno Paduch, geführt hat, können Sie hier hören:
Brandenburgische Sommerkonzerte
Klosterkirche St. Maria, Kloster Zinna bei Jüterbog
Aufzeichnung vom Nachmittag
Johann Rosenmüller
"Vulnera Jesu Christi" (Leipzig 1652/53)
Sonata prima per Violino e Violone (Nürnberg 1682)
Allessandro Piccinini
Toccata XII - Chiaccona (Bologna 1623)
Johann Philipp Krieger
"Laetare anima mea"
Samuel Scheidt
Canzona Bergamasca SSWV 560
Christoph Bernhard
"Schaffe in mir Gott, ein reines Herz" (Hamburg 1665)
ca. 20.45 Uhr Konzertpause, darin: Arno Paduch im Gespräch mit Volker Michael über die Werke des Abends, die zum Teil erstmals öffentlich zu hören sind
Nicolò Corradini
"Cantate Domino" (Venedig 1613)
Girolamo Frescobaldi
Canzona a 4 (Venedig 1634)
Partite sopra l‘Aria di Monicha (Rom 1637)
Claudio Monteverdi
"Nigra sum, sed formosa" aus der Marienvesper (Venedig 1613)
Giovanni Girolamo Kapsberger
Toccata seconda arpeggiata (Venedig 1604)
Johann Rosenmüller
"Aurora rosea semper rutilans"

Johann-Rosenmüller-Ensemble:
Georg Poplutz, Tenor
Volker Mühlberg, Violine
Clemens Schlemmer, Dulzian
Laura Frey, Violone
Ulrich Wedemeier, Chitarrone
Zita Mikijanska, Orgel
Arno Paduch, Zink und Leitung

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