Ukraine-Krieg

Warum Rohstoffhändler um ihre Existenz fürchten

08:12 Minuten
Kleine Brocken des Harzes Benzoe Siam
Benzoe Siam ist ein Harz und gehört zum Rohstoffsortiment von Stephan und Sören Schiffer aus dem brandenburgischen Schönefeld. © picture alliance / blickwinkel / R. Koenig
Von Christoph Richter · 05.04.2022
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Wer als Rohstoffhändler die Kleb- und Farbstoffindustrie beliefert, kommt an Erdölrohstoffen nicht vorbei. Die aber kommen teils aus Russland. Das bringt viele Unternehmen in große Bedrängnis, wie das Beispiel eines Familienbetriebs in Brandenburg zeigt.
Stephan Schiffer ist der Seniorchef des Unternehmens BECI Handels GmbH: ein Rohstoffhändler, ein Brandenburger Familienbetrieb, der sich auf den Handel von Chemikalien zwischen Deutschland beziehungsweise Westeuropa und den GUS-Staaten spezialisiert hat. Gemeint sind damit Russland, Belarus und Ukraine. 
In einem Regal im Büro des Familienbetriebs stehen in kleinen Fläschchen Proben der Materialien, mit denen das Unternehmen handelt.
"Im Prinzip handeln wir mit sämtlichen Rohstoffen für die Papierindustrie, für die Klebstoff-, die Farbstoffindustrie", erläutert der Chef.

Erdölrohstoffe kamen bislang aus Russland

Das Unternehmen residiert in einem unscheinbaren Bürobau in Schönefeld, am Stadtrand von Berlin, in direkter Nähe des Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg. Die Firma beschäftigt zwei festangestellte Mitarbeiter. Seit 1991 handelt man mit Chemikalien, erzählt Juniorchef Sören Schiffer. 
„Die Rohstoffe kommen zum Teil aus Deutschland, aber auch aus Iran, Irak. Aus Afrika kommen die Wachse, die wir dann nach Russland liefern. Aber viele Produkte kommen aus Russland. Wie Ruß oder Erdölrohstoffe, die eben aus Russland kommen", sagt Schiffer.
Es seien alles keine sogenannten Dual-Use-Güter, die für zivile und militärische Zwecke gleichermaßen verwendet werden können, ergänzt Stephan Schiffer, der Geschäftsführer des Unternehmens ist. Sondern man vertreibe Produkte für den ganz normalen Hausgebrauch.

Der Senior hat Sorgenfalten

Aber die Lage sei hoch kompliziert, schiebt er noch hinterher. Sorgenfalten haben sich tief ins Gesicht gegraben: „90 bis 95 Prozent unseres Geschäftsfeldes ist erst mal komplett zusammengebrochen. Und wir haben daher jetzt Außenstände von einer halben Million Euro etwa.“
Das Vorgehen von Putin hätte er nie für möglich gehalten, meint Schiffer Senior. Er ist 56 Jahre alt und ein gelernter Außenhandelskaufmann. Zu DDR-Zeiten hat er Chemieanlagen, damals noch in die Sowjetunion, exportiert. Er kenne seine Geschäftspartner und Russland sehr gut, sagt er. Der russische Angriffskrieg geht ihm nicht in den Kopf, er wirkt angeschlagen.
Seniorchef Stephan Schiffer und Juniorchef Sören Schiffer sitzen im Büro der BECI Handels GmbH im brandenburgischen Schönefeld.
Der Rohstoffhandel von Stephan und Sören Schiffer ist von den Folgen des Ukrainekrieges betroffen.© Deutschlandradio / Christoph Richter
„Ich kann es nicht verstehen. Ich kann es nicht verstehen. Auch wenn man jetzt im Nachhinein die ganzen Berichte hört, die ganzen Dokumentationen, nein, wir können es nicht verstehen.“ Ähnlich ergehe es auch ihren russischen Geschäftspartnern, etwa in der Lack– und Farbenindustrie oder pharmazeutischen Betrieben.
„Von Prinzip her sind die auch, was die ganze Situation betrifft, komplett fassungslos. Damit hat keiner gerechnet. Zumal man ja sagen muss: Seit 30 Jahren machen wir das Geschäft. Kurz nach 1990 hatten wir angefangen. Und seitdem kennen wir die Leute und seitdem ist man hin-und hergeflogen. Man hatte auch private Beziehungen mit der Zeit. Ja, auch die können die Situation absolut nicht begreifen.“

Seit 2014 verschlechtert sich die Lage

Das Unternehmen BECI ist einst aus der Insolvenzmasse des DDR-Außenhandelsbetriebs Chemie Import-Export hervorgegangen. Das Russland-Geschäft war eines der Kernbereiche. Die Lage ist seit 2014, seit Russland die Krim annektiert hat, nicht einfach, sagen die verunsicherten Firmeninhaber.
Jetzt – seit Kriegsbeginn – sei sie hoch kompliziert. Doch die Sanktionen umgehen, indem man über Drittstaaten die Geschäfte abwickelt, das kommt für Stephan Schiffer nicht infrage. Er schüttelt energisch den Kopf.

Wir werden uns an diese Sanktionen halten. Ja, es hat mit Mehraufwand zu tun. Ja, die Geschäfte müssen zusätzlich von der BAFA genehmigt werden. Das ist die Bundesanstalt für Ausfuhr in Deutschland, die letztlich die Hoheit haben, die sagen, Lieferung darf raus, nein, Lieferung darf nicht raus. Oder andersrum: Darf rein, darf nicht rein. Wir werden definitiv nicht über Dritt-, Vier- oder Fünftländer die Geschäfte versuchen weiter aufrechtzuhalten.

Stephan Schiffer, Unternehmer und Seniorchef von BECI

Vor dem Krieg habe man monatlich etwa vierzig LKW- bzw. Container-Ladungen in Richtung Russland geliefert. Jetzt sei es nur noch ein Bruchteil, mehr als zwei Drittel der Lieferungen würden aktuell ausfallen. Aus Russland in Richtung Westeuropa beziehungsweise Deutschland seien seit Kriegsbeginn lediglich zwei bis drei Chemikalien-Lieferungen angekommen. 

Firma fordert Mittelstands-Krisengipfel

Wie es weitergeht? Achselzucken. Das Problem: Die Transportkosten hätten sich verdoppelt bis verdreifacht. Mittlerweile müsse man 12.000 Euro und mehr für einen LKW zahlen, wofür man vorher zwischen 2.000 und 4.000 Euro gezahlt habe, erklärt Juniorchef Sören Schiffer. Und alles werde immer teurer und teurer.
Der Jahresumsatz des Brandenburger Rohstoff-Händlers beläuft sich nach eigenen Angaben auf etwa fünf Millionen Euro. Womit man dieses Jahr rechnet? Vater und Sohn wollen darüber eigentlich gar nicht nachdenken. Sie hoffen, den Krieg ohne Kündigungen oder gar Insolvenz zu überstehen.
Sie fordern einen Mittelstands-Krisengipfel. Denn: „Wenn jetzt nicht mal bald was von der Politik kommt, sieht es bei vielen mittelständischen Unternehmen nicht gut aus.“

Energiepreisanstieg und gestörte Lieferketten

Nach einer sogenannten Blitzumfrage des Deutscher Industrie- und Handelskammertags, des DIHK, sind Betriebe im Land Brandenburg beziehungsweise in Ostdeutschland von den Auswirkungen des Ukrainekrieges stärker betroffen als der Bundesdurchschnitt. 
Bei acht von zehn Brandenburger Betrieben seien die steigenden Energie- und Rohstoffkosten, aber auch gestörte Lieferketten deutlich spürbar. Zudem hat sich bei etwa zwölf Prozent die finanzielle Situation deutlich verschlechtert. Jedes vierte ostdeutsche Unternehmen habe aufgrund des Krieges bereits jetzt Geschäftspartner verloren, so Volker Treier vom DIHK.

Die Lage ist schwierig, sie spitzt sich auch für die ostdeutschen Betriebe noch stärker zu als im Bundesdurchschnitt, als Folge dieses Krieges oder der Wirkungen aus den Sanktionen.

Volker Treier, Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Letztlich sei ein zügiges Maßnahmenpaket gefordert, wie etwa die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung. Aber auch die Umsetzung des KfW-Programms, wie es etwa FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner in Aussicht gestellt habe, müsse schnell kommen, fordert Torsten Stehr.
Der Außenhandelsexperte der IHK Potsdam sagt: „Der Krieg ist ein Monat alt, das müsste jetzt sehr bald kommen. Denn Unternehmen haben uns auch mitgeteilt, dass sie durch die Situation in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind.“

Der Juniorchef ist etwas optimistischer

Sören Fischer, der Junior-Chef, teilt sich das Büro mit seinem Vater. Der ruckelt unruhig hin und her, verschränkt seine Arme. Er macht sich Sorgen. „Man schläft schon unruhiger seit Wochen. Ja, ist schwer.“
Sören Schiffer macht Mut, ist etwas zuversichtlicher. Und verbreitet jugendlichen Elan und Optimismus: „Ist ja nicht die erste Krise, die wir bewältigen. Es gab früher schon Krisen. Und irgendwo ist man doch wieder gestärkt rausgekommen.“

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