Boykott-Drohung von Nan Goldin

Kein Geld von umstrittenen Sponsoren

05:26 Minuten
Nan Goldin im Rahmen einer "End Overdose Crisis" vor dem Büro des New Yorker Gouverneurs Cuomo.
Nan Goldin protestierte auch schon Ende November 2018 im Rahmen einer "End Overdose Crisis" - Aktion vor dem Büro des New Yorker Gouverneurs Cuomo. © imago stock
Von Tobias Armbrüster · 25.02.2019
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Die National Portrait Gallery in London plant eine große Nan-Goldin-Ausstellung. Doch die US-Fotokünstlerin droht damit, die Schau abzusagen, sollte das Museum eine Millionenspende der amerikanischen Sackler-Stiftung annehmen.
Der Streit um die amerikanisch-britische Sackler-Familie schwelt schon länger und setzt viele Museen weltweit unter Druck. Die National Portrait Gallery in London kriegt ihn jetzt allerdings besonders zu spüren. Am Drücker sitzt die amerikanische Foto-Künstlerin Nan Goldin. Sie wirft, wie viele andere Amerikaner, der Familie Sackler vor, mit sogenannten Opioiden ein Vermögen angehäuft zu haben.
Mit Medikamenten also, die schwer abhängig machen und die vor allem in den USA seit den 90er-Jahren eine regelrechte Krise ausgelöst haben - mit vielen Todesopfern und vernichteten Existenzen. Auch Nan Goldin, 65 Jahre alt, war nach einer Operation lange abhängig.

Goldins Kampagne dauert schon länger an

"Das war eine schlimme Zeit, mein Leben wurde immer kleiner. Am Ende habe ich nur noch in einem einzigen Zimmer gehaust. Ich wollte kein Tageslicht mehr sehen. Ich hatte keinen Kontakt zur Außenwelt. Auch kein Internet, nichts. Irgendwann war ich dann auf 400 Milligramm am Tag und habe dann eine Überdosis genommen. Ich habe es gerade so überlebt."
So Nan Goldin im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung der "New York Times". Wie gesagt, ihre Kampagne gegen die Stiftung der Sackler-Familie dauert schon länger an. Die Sacklers sind wohlgemerkt nicht irgendein Förderer im Kulturbetrieb. Der Name dieser Stiftung steht auf den Wänden der größten Museen.

Mehr als eine Million Euro Bauzuschuss

Auch der National Portrait Gallery in London haben die Sacklers ihre Unterstützung angeboten – mehr als eine Million Euro Zuschuss zum Bau eines neuen Museumsflügels. Und auch Nan Goldin sagt, dass sie so etwas bis vor wenigen Jahren nicht gestört hätte:
"Ich bin mit Sackler-Museen groß geworden. Der Name Sackler stand für mich immer für Museen, die ich liebe. Und dann habe ich eines Tages einen Zeitungsartikel gelesen über die Verbindung zwischen dem Namen Sackler und diesen Medikamenten und danach einen deutlichen Artikel im ‚New Yorker‘, der die Frage gestellt hat: Wo bleiben bei diesem Skandal eigentlich die Aktivisten, so wie in der Aids-Krise?"

Sacklers: "Billig-Produkte aus China haben die Krise ausgelöst"

Und da ist Nan Goldin zur Aktivistin geworden. Jetzt hat sie eben damit gedroht, eine Retrospektive in der National Portrait Gallery wieder abzusagen, wenn das Museum die Spende der Sacklers annehmen sollte. Die Stiftung der Sackler-Familie gibt zur Zeit keine Interviews. Die Sacklers haben sich aber in der Vergangenheit immer wieder dagegen gewehrt, mit der Opioid-Krise in Verbindung gebracht zu werden.
Teile der Familie haben tatsächlich nichts mehr mit der Pharma-Industrie zu tun, und der Familienzweig, der sein Geld noch mit Medikamenten verdient, sieht das Problem anderswo: Billig-Produkte aus China hätten die Krise ausgelöst, der Anteil der Sacklers sei nur gering.
Nan Goldin hält dagegen: Die Sackler-Familie habe etwas gut zu machen an Millionen von Medikamentenopfern – deswegen hat sie schon mehrere Protestaktionen organisiert, vor allem in amerikanischen Museen: "200.000 people dead – Sacklers lie…"

Das Museum nimmt Anschuldigungen ernst

Die National Portrait Gallery in London nimmt die Anschuldigungen offenbar sehr ernst. Das Museum prüft schon seit längerer Zeit, ob es die Spende der Familie Sackler annehmen soll. Die Boykottdrohung von Nan Goldin ist da nur ein weiterer Hebel - und der Name der Fotografin ist natürlich ein Name mit Gewicht. Das Museum selbst gibt zu der Angelegenheit auch keine Interviews.
Die Gallery teilt nur schriftlich mit, das Angebot der Sacklers werde zur Zeit mit den ethischen Vorgaben des Hauses abgeglichen. Die internen Beratungen dazu dauern an.

"Private Kunstförderung immer häufiger problematisch"

In der übrigen britischen Kunstwelt wird das natürlich mit großem Interesse verfolgt. Zu den Beobachtern gehört auch Javier Pes vom Online-Dienst "artnet-News":
"Das Museum muss natürlich gut überlegen, denn es geht hier um einen großen Betrag. Und die anderen Museen gucken sicher, ob die National Portrait Gallery die Sackler-Familie als Geldgeber weiter akzeptiert oder ob dieses Haus quasi ausschert. Die private Kunstförderung wird immer häufiger problematisch gesehen. Ich erinnere mich an Sponsoren wie den Ölmulti BP oder den Zigaretten-Hersteller Philip Morris. Die hatten in den letzten Jahren auch große Schwierigkeiten."
Die Drohung von Nan Goldin gegenüber einem der bekanntesten britischen Museen - diese Drohung deutet auf ein großes Dilemma in der Kunstwelt hin, denn Staat und Kommunen ziehen sich immer mehr aus der Museumsförderung zurück. Die Museen sind deshalb immer stärker auf privates Förderer angewiesen, aber wie dieser Fall wieder einmal zeigt: Privates Geld kann für Streit sorgen und für Image-Probleme.


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