"Braucht so jemand den Buchpreis?"
Ein makelloses Buch? Durchaus. Doch der Buchpreis für Bodo Kirchhoff? Falsch, meint unser Kritiker Kolja Mensing: Zu etabliert sei der Autor. Ein Argument, das sein Kollege Jörg Plath nicht unterstützt, ihn stört etwas anderes an "Widerfahrnis".
Kritiker Kolja Mensing ist sich sicher: Die Entscheidung, Bodo Kirchhoff mit dem Deutschen Buchpreis auszuzeichnen, war falsch. Natürlich habe die Novelle "Widerfahrnis" ein "explizites Formbewusstsein, starke Bilder, eine feine, elaborierte Sprache" - und die großen Themen seien auch enthalten. Also sei das Buch "möglicherweise wirklich makellos". Aber: "Es ist natürlich auch Teil eines Alterswerkes eines durchaus etablierten und durchgesetzten Autors." Das sei Kirchhoff seit seinem großen Erfolg "Infanta" von 1990. Nun stelle sich die Frage:
"Braucht so jemand den Deutschen Buchpreis? Und wenn man ihm den gibt, was passiert dann eigentlich im nächsten und übernächsten Jahr? Fangen wir dann an, Leute wie Peter Handke, Martin Walser, Martin Mosebach, Rainald Goetz usw. immer wieder auf die Shortlist zu holen und zu sagen, die haben es doch auch irgendwie verdient, weil die haben schon so viel Tolles geschrieben und machen immer noch mal was Neues? Das kommt mir komisch vor."
Mensings Favorit wäre Thomas Melle mit seinem Buch "Die Welt im Rücken" gewesen - ein Krankheitsbuch mit "ungeheurer Sogwirkung". Gerade der Deutsche Buchpreis, findet der Kritiker, müsse schauen, was "da draußen auf dem Buchmarkt" passiere: Tatsächlich löse sich die Form Roman auf - zugunsten auto-fiktionalen, autobiografischen Schreibens.
Jörg Plath kann nichts dabei finden, auch erfolgreiche Autoren auszuzeichnen. Er kritisiert allerdings, genau wie Mensing, dass Kirchhoff das aktuelle Flüchtlingsthema nur wie "Dekor" behandle: Es sei innerhalb der Novelle "leer".