Blixa Bargeld zum neuen Neubauten-Album

"Sounds, Klänge - total überbewertet"

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Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten steht auf dem Haven Festival 2018 in Kopenhagen mit geschlossenen Augen und die Hände über den Kopf gehoben auf einer Bühne.
Einstürzende-Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld wird wegen des Coronavirus erst nächstes Jahr mit seiner Band und dem neuen Album auf Tour gehen. © picture alliance / Photoshot / Gonzales Photo / Christian Hjorth
Moderation: Oliver Schwesig · 15.05.2020
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Sie gehören zu den größten deutschen Musik-Exportschlagern: die Band Einstürzende Neubauten. Nun ist ihr Album "Alles in allem" erschienen. Neue Klänge zu schaffen - einst ihr Markenzeichen - sei nicht mehr wichtig, sagt Frontmann Blixa Bargeld.
Die Band Einstürzende Neubauten sind – neben Kraftwerk – vielleicht die international bekannteste deutsche Band, und das ohne Unterbrechung seit Jahrzehnten. Mit unbequemen Kunst- und Musik-Happenings aus dem schmutzigen Westberlin der 80er zur international renommierten Avantgardeband: Das ist die Kurzbiografie der Neubauten. Die Band ist seit ihrer Gründung 1980 immer wieder auf der Suche nach neuen Klängen und neuen Konzepten. In jedem Jahrzehnt ihrer Karriere hat sie mit Projekten Neuland betreten.
Am heutigen Freitag erscheint ihre neueste Platte mit dem Titel "Alles in allem". Songtitel wie "Am Landwehrkanal", "Tempelhof" oder "Wedding" legen eine Berlin-Platte nahe. Doch der wirkliche Berlinbezug sei schon im Laufe der Arbeit an dem Album weggefallen, sagt Frontmann der Band, Blixa Bargeld. Viele Stücke hätten aber im Laufe der Zeit ihre Titel geändert und so topografische Referenzen entwickelt. Aber: "Die einzige echte Referenz, die da ist, ist ‚Grazer Damm‘". In dieser Straße sei er aufgewachsen, 17 Jahre habe er dort gelebt. "Das ist sozusagen autobiografisch und auch ein Traumprotokoll. Aber das Album hätte ich nicht ‚Grazer Damm‘ nennen wollen."

"Klänge sind nicht wichtig"

Zur Suche nach neuen Sounds, ein Markenzeichen der Band, sagt Bargeld: "Sounds, Klänge – total überbewertet. Klänge sind nicht wichtig. Es gibt keinen Klang, der besser ist als ein anderer Klang." Für ihn sei es "viel, viel wichtiger, den Dingen etwas zu entlocken, die Dinge soweit zu bringen, dass sie etwas preisgeben – und das dann in einen Kontext zu stellen, dass es einen Sinn ergibt". Die Band habe immer wieder neue Gegenstände gefunden, mit denen sich etwas Neues anstellen ließ und die man auch in einen neuen Kontext stellen konnte. "Aber es ist nicht mehr so einfach und auch nicht mehr so wichtig."
Mit dem tradierten Musikbetrieb haben die Einstürzenden Neubauten bereits seit Langem gebrochen. Seit fast zwei Jahrzehnten ist die Berliner Band Vorreiter in Sachen Crowdfunding. Unterstützer, auch Supporter genannt, bekommen gegen eine kleine Gebühr exklusives Material der Band im Netz zu sehen und unterstützen auch die Veröffentlichung von Platten. Die Mitarbeit der Fans nimmt inzwischen großen Raum ein, wie auf der Band-Webseite zu sehen ist.

Tour aufs nächste Jahr verschoben

"Abgesehen von der Tatsache, dass nur diese Unterstützer es uns ermöglichen, so ein Album durchzuziehen, beschleunigt es auch die Arbeit", erklärt Bargeld. Es gebe Formate, bei denen die Band zusammen spiele, Neues entwickle und die Supporter simultan übers Internet Kommentare dazu abgeben könnten. Das habe bei der aktuellen Platte etwa dazu geführt, dass der Song "Welcome to Berlin" keinen Platz darauf fand. Beim Song "Ten Grand Goldie" stamme ein Großteil des Materials von den Unterstützern der Band, auch der Titel. Sie sollten Worte zuliefern oder Sätze, die ihnen kurz zuvor gesagt worden waren. "Ten Grand Goldie" hatte jemand zu seiner Arbeitskollegin namens Goldie gesagt.
Wegen der Coronakrise müsse die Tour aufs nächste Jahr verschoben werden. Das sei schwer, meint Bargeld. Aber schlimmer sei, dass ein Event mit 500 Unterstützern abgesagt werden musste. Es sei ein ausgedehntes Programm geplant gewesen: eine Generalprobe in Potsdam, ein Konzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, eine Tour zu Neubauten in Berlin mit Blixa Bargeld als Tourleiter und eine Listening-Session im Meistersaal der Hansastudios. Das könne nicht nachgeholt werden. "Das ist bitter und desaströs", sagt der Musiker.
(abr)
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