"Bis hin zu jüdischen Kochbüchern"

Von Heinz-Peter Katlewski · 25.05.2012
Vor drei Jahren zog die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover mit ihrem Gemeindezentrum in eine geräumige, ehemalige Kirche. Dort hat sie viel Platz und den nutzt sie unter anderem für den Aufbau einer Bibliothek.
"Ich habe angefangen als Ehrenamtliche meine Beschäftigung. Weil: Das war ein Traum von mir, …. schon viele, viele Jahre. Ja, und Aufbau. Das ist unsere Bibliothek, das ist für mich ein Kind, das groß geworden."

Irina Sheps ist die erste und bislang einzige hauptamtliche Mitarbeiterin der neuen Jüdischen Bibliothek Hannover. Mittlerweile muss Sie auf den zwei hell erleuchteten Regal-Etagen unter dem hohen Pultdach des Gemeindezentrums "Etz Chaim" der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover eine wachsende Anzahl davon bewältigen.

4000 Bände sind bereits in den Bestand eingestellt. Allein 2000 warten noch darauf. Und es kommen ständig neue herein. Die Arbeit bleibt allerdings nicht allein an Irina Sheps hängen. Jede Woche trifft sich eine Gruppe von freiwilligen Helfern. Sie übernimmt die meisten Aufgaben. Einer davon ist der Jurist Kay Schweigmann-Greve:

"Signaturen vergeben, Bücher für die Eingabe in den GBV, diesen wissenschaftliche Bibliotheksverbund im Internet vorbereiten, Bücher an den richtigen Ort stellen. Darüber hinaus habe ich als quasi besondere Aufgabe das Einkleben von Ex Libris. Unsere Bibliothek bietet Spendern die Möglichkeit, ein Ex Libris einzukleben - "Gespendet von" oder aus Anlass eines Firmenjubiläums oder eines runden Geburtstages", so dass die Bibliothek, wenn der Bestand dann mal aufgebaut ist, in den Büchern nachvollziehen kann, wo die Bücher eigentlich herkommen."

Kai Schweigmann-Greve ist nicht nur einer der regelmäßigen Helfer. Er ist auch Vorsitzender der Israel-Jacobson-Gesellschaft. Das ist ein säkularer Kulturverein im Rahmen des Zentrums der liberalen Gemeinde. Ihm gehören nicht nur Juden, sondern auch viele Freunde jüdischen Lebens an.

"Unser Hauptzweck ist, Träger der Jüdischen Bibliothek Hannover zu sein. Das ist auch unsere Hauptaktivität in den vergangenen Jahren gewesen, einen jüdischen Buchbestand von Theologie, säkularem jüdischem Denken, Literatur, Geographie, Geschichte, sehr viel Biographien bis zu jüdischen Kochbüchern aufzubauen."

Der Bestand besteht aus Büchern und einigen DVDs in Deutsch, Jiddisch, Hebräisch, Englisch und Russisch. Gerade auch die russischsprachige Literatur soll noch wachsen, denn - obwohl die Jüdische Bibliothek Hannover als eine öffentliche Bibliothek konzipiert ist, die für jeden Interessierten offen ist, ist sie auch eine der Gemeinde - und die besteht zum weit überwiegenden Teil aus Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion.

Der studierte Finanzmathematiker Evgueni Berkovitch zum Beispiel stammt ursprünglich aus Moskau. Als Vorstandsmitglied der Israel-Jacobson-Gesellschaft baut er die russischsprachige Abteilung auf. Mit etwa 400 Büchern ist sie zwar noch klein, aber schon recht vielseitig:

"Zum Beispiel jüdische Religion, Talmud, Tora auf Russisch. Außerdem gibt's so'n Lexikon, Enzyklopädie auf Russisch, Jüdische Enzyklopädie natürlich. Also, wir sammeln nicht alle russischen Bücher, sonst nur über Juden und von Juden und jüdische Thematik."

Abgesehen von zwei Nachlässen und einem in der Schweiz aufgekauften jüdischen Antiquariat gerieten bislang die meisten Bücher durch Spenden in die Regale. Einen unerwartet günstigen Verlauf nahm eine Spendenaktion, mit der einige der 73 Folianten der hebräisch-englischen Schottenstein-Edition des Talmud gekauft werden sollten. Doch es dauerte nicht lange, da konnten alle Bände angeschafft werden. Dass es so kam, darüber staunt auch die Geschäftsführerin der Israel-Jacobson-Gesellschaft,

"Wir haben an unseren Interessentenkreis, die hier an den Veranstaltungen teilnehmen, im monatlichen Veranstaltungskalender der Gemeinde, das veröffentlicht und haben um Spenden gebeten. Ich glaube, nach vier Wochen hatten wird das ganze Geld zusammen. Manche Leute haben bis zu fünf Bände gestiftet. Und dann war das Geld schon da."

Ein Geheimnis dieses Erfolges dürfte sein, dass die Bibliothek mehr ist als nur eine Ansammlung von Büchern. Sie lebt, denn in ihren Räumen ist auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten ständig was los. Noch einmal Kai Schweigmann-Greve von der Israel-Jacobson-Gesellschaft, dem Trägerverein der Jüdischen Bibliothek Hannover:

"Es gibt zwei regelmäßige Veranstaltungen. Das eine ist jeden ersten Mittwoch im Monat abends eine deutschsprachige Literaturveranstaltung. Es gibt ungefähr zehnmal im Jahr diesen kulturellen Abend mit jiddischer Literatur, deutsch-jüdischer Literatur, auch Ausblicke auf die russisch-jüdische Literatur…"

... um nur die regelmäßigen Termine zu nennen. Die Jüdische Bibliothek Hannover ist im Internet über die Datenbanken des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes der norddeutschen Bundesländer erreichbar und natürlich vor Ort, in der Fuhsestraße 6, zu den offiziellen Lesezeiten.


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