Biografien über Hildebrand Gurlitt

Der Kunsthändler Adolf Hitlers

Das Grab von Hildebrand Gurlitt auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf
Das Grab von Hildebrand Gurlitt auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf © picture alliance / dpa / Martin Gerten
Von Eva Hepper · 04.04.2016
Der Schwabinger Kunstfund in der Wohnung von Cornelius Gurlitt rückte auch den Vater wieder in den Fokus: Hildebrand Gurlitt. Zwei neue Biografien, eine von Cathrine Hickley und eine von dem Autorengespann Nicola Kuhn und Meike Hoffmann, gehen den Widersprüchen in seinem Leben nach.
"Hitlers Kunsthändler" heißen gleich zwei Biografien von Hildebrandt Gurlitt. Die eine stammt von der britischen Journalistin Catherine Hickley, die andere von der Journalistin Nicola Kuhn und der Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, die Mitglied der 2013 eingesetzten Taskforce zur Klärung des NS-Raubkunstverdachts war.
Beide Biografien erzählen chronologisch und schildern den 1895 in Dresden geborenen Kunsthändler als ambivalente Figur, deren Leben sich in ein Davor und Danach einteilen lässt. Zunächst kämpft Hildebrandt Gurlitt, der in Frankfurt Kunstgeschichte studiert hat, für die Moderne. Als Leiter des Zwickauer Museums (1925-1930) und des Hamburger Kunstvereins (1931-1933) zeigt er visionäre Ausstellungen mit den Brücke-Malern, Wassily Kandinsky und Max Beckmann. An beiden Orten kollidiert er mit rechtsnationalen Kräften und wird entlassen. Brillant leuchten Kuhn und Hoffmann diese Zeit und den kulturhistorischen Kontext aus.

Eine fulminante Kehrtwende

Fortan arbeitet Gurlitt als Galerist. Dann folgt die fulminante Kehrtwende: Von 1938 an ist er für die Nationalsozialisten als einer von vier Kunsthändlern tätig, die "entartete" Kunst gegen Devisen ins Ausland verkaufen; später stattet er Hitlers Führermuseum aus. Den Richtungswechsel erklären die drei Biografinnen mit Gurlitts prekärer Situation als sogenannter Vierteljude: Seine Unabdingbarkeit als Chefeinkäufer ist eine Lebensversicherung. So stellt es Hildebrand Gurlitt nach 1945 selbst dar. Die Rechtfertigung lässt ihn das Entnazifizierungsverfahren unbeschadet überstehen und seine Kunstsammlung behalten. Atemlos liest man, wie ihm das gelang.
Auch später versteht es Gurlitt, sich schadlos zu halten: 1948 gelangt er mit Hilfe seines großen Netzwerkes wieder in Amt und Würden und weist als Leiter des Düsseldorfer Kunstvereins Anfragen jüdischer Erben nach geraubten oder unter Zwang verkauften Kunstwerken zurück. Die Geschäftsbücher und viele Kunstwerke seien im Krieg vernichtet worden. An diese Lügen hält sich nach seinem Tod 1956 durch einen Verkehrsunfall auch seine Witwe, in deren Wohnung nicht wenige der gesuchten Werke hängen. 2013 wird bekannt, dass ihr Sohn Cornelius mit der hinterlassenen Sammlung lebt.
Beide Biografien bestechen durch brillante Recherche, viel Quellenmaterial und eine dichte Erzählweise. Sie zeichnen das differenzierte Bild eines Kunstliebhabers, der zum Opportunisten wurde und dem Angst, Egoismus und Gier am Ende sämtliche Moral austrieben.

Die Mühen der Provenienzforschung

Die letzten Kapitel beider Bücher widmen sich Cornelius Gurlitt, dem "Schwabinger Kunstfund", der mühevollen Provenienzforschung und dem großen Thema Restitution. Erst hier unterscheiden sich die Werke grundlegend. Hickley nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie die zögerliche Aufarbeitung anprangert, den Unmut der hochbetagten jüdischen Erben thematisiert und die spärlichen Ergebnisse der Taskforce bemängelt. Diese Sichtweise kann oder darf sich Hoffmann als deren ehemaliges Mitglied nicht zu eigen machen; so wirkt ihre Biografie in diesem Punkt geradezu ärgerlich unentschieden.

Cathrine Hickley, Gurlitts Schatz: Hitlers Kunsthändler und sein geheimes Erbe
Aus dem Englischen von Karin Fleischanderl
Czernin Verlag, Wien 2016
336 Seiten, 24,90 Euro

Meike Hoffmann/Nicola Kuhn: Hitlers Kunsthändler. Hildebrandt Gurlitt 1895-1956
C.H. Beck Verlag, München 2016
400 Seiten, 24,95 Euro

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