Biografie des Malers Felix Nussbaum

"Lasst meine Bilder nicht sterben"

Das Bild "Tanz an der Mauer" aus dem Jahr 1930 im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück
Das Bild "Tanz an der Mauer" aus dem Jahr 1930 im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück © Friso Gentsch/dpa
Von Peter Kaiser · 09.09.2016
Der deutsche Maler Felix Nussbaum wurde in Auschwitz ermordet, doch sein Werk lebt bis heute: In der Biografie "Orgelmann" erzählt der Journalist Mark Schaevers auf atemberaubende Weise das Leben und Schicksal Nussbaums.
Der Abend des 6. September 2016 ist im "Bücherbogen" am Berliner Savignyplatz ein besonderer Abend. Lange schon vor der Lesung hier mit dem Brüsseler Autor Mark Schaevers sind die Stühle besetzt, Erwartung liegt spürbar in der Luft.
Über zwölf Jahre lang hat Mark Schaevers alles, was er nur bekommen konnte zum Leben und Werk des deutschen Malers Felix Nussbaum zusammengetragen und in der Biografie: "Orgelmann. Felix Nussbaum - ein Malerleben" verarbeitet. Dabei hatte er auch eine eigene Intention:
"Mein Projekt war, Felix Nussbaum wieder nach Belgien zu bringen. Die Hälfte seines Werkes hat er in Belgien gemalt. Ich glaube, er hat ein volleres Leben gekriegt mit den Sachen, die ich gefunden habe."

Berühmtes Selbstbildnis mit Judenpass

In Deutschland ist Felix Nussbaum kein Unbekannter mehr. Viele Werke des 1904 in Osnabrück geborenen Malers hängen im Felix Nussbaum-Haus in seiner Heimatstadt. So auch das berühmteste Bild von ihm: das Selbstbildnis mit Judenpass. Inge Jähner im Nussbaum–Haus in Osnabrück steht vor dem Bild. Das Selbstbildnis, sagt sie, sei zu einer Ikone geworden.
Inge Jähner: "Das ist eben doch der Preis der Berühmtheit, die ihn nur als den, in der Rezeption, als den Holocaustmaler bekannt gemacht hat. Er wollte nichts weiter sein als ein Künstler, der unsterblich wird."
Felix Nussbaum studierte in Hamburg und Berlin Malerei, 1924 lernte er die Malerin Felka Platek kennen, die er später heiratete. Nach Ausstellungserfolgen Anfang der 1930er Jahre ist er im Oktober 1932 Studiengast der Villa Massimo in Rom. Hier gelingt Mark Schaevers eine überaus eindrucksvolle Geschichte von Aufstieg und Vernichtung der Kunst an sich, die die Biografie Nussbaums nicht nur rahmt. Denn Nussbaum hat in Rom einen Kollegen, wie er gegensätzlicher nicht zu ihm sein kann: Arno Breker.
Mark Schaevers: "Es sind die zwei Schicksale, die so weit voneinander gehen. Nussbaum, der vernichtet ist durch das Nazi-Regime, aber nach dem Krieg gibt es vier Werke, dann sind es 20, jetzt sind es 400 oder 500 Werke, die auf dem Werkverzeichnis gesammelt sind. Also Nussbaum ist ein Name jetzt und er wird geehrt."

Arno Breker, der "Sohn Hitlers"

Auf der anderen Seite ist der "Sohn Hitlers", wie Jean Cocteau einmal von Arno Breker sagte.
Schaevers: "Aber nach dem Krieg, Breker ist nicht vernichtet, aber seine Werke werden ja vernichtet durch die Amerikaner. 90 Prozent meiner Werke sind vernichtet, sagt er. Und er hat nie eine Rehabilitierung gehabt, wie er wollte. Also als Künstler ist er vernichtet und Nussbaum ist ein großer Künstler geworden."
Der "Orgelmann" auf dem Umschlag des Buches von Mark Schaevers ist das 1943 entstandene Gemälde von Felix Nussbaum. Ein Orgelmann, der mit dem Rücken zu einer apokalyptischen Szene hinter sich sitzt, und ins Leere starrt. Schaevers ist jeder noch so winzigen Spur im Leben Nussbaums gefolgt. So zitiert er in der Lesung etwa Willi Prins, einen Mitgefangenen Nussbaums im August 1944. Sieben Jahre zuvor waren Nussbaum und seine Frau Felka Platek in Brüssel vor den Nazis untergetaucht und dann denunziert worden.
Schaevers: "Willi Prins heißt der Mann, der sich am 17. Januar 1983 meldet. Zu der Zeit ist er 84 Jahre alt, und wohnt seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz. (...) Felix Nussbaum, schreibt Prins, hatte er als einen sehr sensiblen, noblen Menschen kennengelernt, der trotz der Lebensumstände in der Dossin-Kaserne überaus gepflegt aussah."

Orgelmann aus der Asche

Mit dem letzten Deportationszug werden die Nussbaums vom Sammellager Mechelen nach Auschwitz gebracht. Dort verliert sich ihre Spur… Nussbaum soll gesagt haben:
"Wenn ich auch untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben, zeigt sie der Nachwelt!"
Für den Verleger Wolfgang Hörner vom Berliner Galiani Verlag, in dem "Orgelmann" erschienen ist, war das Buch eine Herzensangelegenheit. Denn die "Phoenix aus der Asche-Geschichte" zeige,
"dass wenn sich die richtigen Leute kümmern, sich dafür einsetzen, so ein Künstler wieder entdeckt werden kann, seine Kunst wieder entdeckt werden kann. Und plötzlich alles wieder da ist. Und dann die enorm farbige Art von Schaevers, wie er Nussbaum beschreibt. Der dann nicht nur bei Nussbaum bleibt, denn bei Nussbaum selbst gibt es große Lücken. Und er füllt dann diese Lücken mit Parallelbiografien über Bekannte von Felix Nussbaum, über die er dann Rückschlüsse zieht. Und plötzlich bekommt so ein Skelett ganz viel Fleisch und wird sehr lebendig."
Es heißt, die noch in Jerusalem lebenden Nichten Felix Nussbaums, die die belgische Erstausgabe von "Orgelmann" lasen, wären begeistert und voll des Lobes gewesen. Die Anwesenden am Premierenabend in Berlin jedenfalls waren beeindruckt, nicht wenige angesichts des Schicksals Nussbaums nachdenklich, denn Flucht und Vertreibung ist in unseren Tagen erneut ein brennendes Thema. Das Buch ist ein "Must read" – für alle, die ein deutsches Malerleben auf eine Weise erzählt bekommen wollen, wie man sie in Deutschland kaum kennt.
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