Biografie

Begegnung mit höheren Wesen

Helena Petrowna Blavatsky, zeitgenössische Aufnahme der russischen Okkultistin, Philosophin und Mitbegründerin der Theosophischen Gesellschaft
Helena Petrowna Blavatsky, zeitgenössische Aufnahme der russischen Okkultistin, Philosophin und Mitbegründerin der Theosophischen Gesellschaft © dpa / picture alliance / RIA Nowosti
Von Eva Hepper · 13.12.2013
Ursula Keller und Natalja Sharandak erzählen in ihrem Werk das Leben der Okkultistin Helena Petrowna Blavatsky aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Autorinnen gehen chronologisch vor und stützen sich auf Originalquellen und Sekundärliteratur.
Schon ihr erster Biograf Alfred Percy Sinnett stöhnte: Über Madames Werdegang kursierten so viele Gerüchte, Legenden und Fantasiegeschichten, dass Dichtung und Wahrheit untrennbar wären. Hatte sie sich wirklich 1851 mit 20 Jahren als Zirkusreiterin in Konstantinopel verdingt? Sollte sie später tatsächlich im italienischen Mentana an Garibaldis Seite in die Schlacht gezogen sein? Und war es ihr allen Ernstes gelungen, Jahre im hermetisch abgeschlossenen Tibet zu verbringen?
Im Gegensatz zu Sinnett konnte Madame Blavatsky, die schon zu Lebzeiten weltweit bekannte Okkultistin und Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, mit den verschiedenen Zuschreibungen gut leben. Mehr noch: Sie beförderte sie kräftig und ließ dem nachfragenden Biografen ausrichten, "Präsentierte man ihr Leben nur in trockenen Fakten, wäre die ideale Madame B. auf immer verloren", man müsse schließlich auch "der Fantasie Nahrung" geben, um "Begeisterung für sie und ihr Ideensystem" zu wecken.
Etwa 125 Jahre nach Sinnett versuchen Ursula Keller und Natalja Sharandak in ihrer aktuellen Blavatsky-Biografie erst gar nicht, mit trockenen Fakten aufzuwarten und die eine Wahrheit herauszukristallisieren. Stattdessen erzählen die Autorinnen das abenteuerliche Leben der 1831 im russischen Jekaterinoslaw als Kind einer Adelsfamilie geborenen Helena Petrowna Blavatsky (HPB) aus verschiedenen Blickwinkeln – chronologisch sortiert und gestützt auf Originalquellen und Sekundärliteratur.
Verschiedene Versionen zu Blavatskys Leben
Tatsächlich bieten die Biografinnen diverse Versionen zu Blavatskys im Dunkeln liegenden jungen Erwachsenenjahren, zu ihren fantastischen Reisen um die Welt, ihrer okkulten Begabung, ihren spiritistischen Darbietungen, ihrer Begegnung mit höheren Wesen (sogenannten Meistern) und schließlich den Ursprüngen der 1875 in New York gegründeten "Theosophischen Gesellschaft". Auch Blavatskys Schriften und deren Zustandekommen – angeblich wurden sie ihr von den Meistern diktiert – beleuchten Keller und Sharandak wie auch die zahlreichen Fälschungs- und Scharlatanerie-Vorwürfe ihrer Kritiker und den zeitgeschichtlichen Kontext.
Dabei gelingt den Autorinnen eine überzeugende Darstellung des unabhängigen Charakters und Charismas Madame Blavatskys und der revolutionären Sprengkraft ihrer Ideen einer universellen Philosophie unabhängig von Hautfarbe, Religionszugehörigkeit und Geschlecht. Hier wird nachvollziehbar, warum die eigenwillige Frau zu einer der schillerndsten und einflussreichsten Figuren ihrer Zeit werden konnte.
Über die Wirkung des Werkes bis heute - etwa auf Künstler und Intellektuelle - hätte man allerdings gerne mehr gewusst. Auch die aktuelle Kritik zu Blavatskys Darlegung der arischen Wurzelrasse kommt zu kurz und auch die Anmerkungen lesen sich dürftig, in denen die Autorinnen auf die Sekundärliteratur verweisen, ohne diese aber einzuordnen. Hier werden die Leser des sonst sprachlich und inhaltlich überzeugenden Buches leider allein gelassen.

Ursula Keller/Natalja Sharandak: Madame Blavatsky. Eine Biografie
Insel Verlag 2013, 24,95 Euro

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