Das Irrlicht und seine Boten

Von Peter Mayer · 25.06.2011
Die Neuzeit bescherte der westlichen Welt die totale Industrialisierung. Auf ihrer Rückseite: folgenreiche Entdeckungen. Eine Flut von Botschaften aus dem Jenseits ergießt sich bis in die Gegenwart übers Land und erreicht durch das Internet immer neue Pegelstände.
Die Meister der Trance vermehren ihre Jüngerschar, bei Séancen schweben die Tische, Schamanen und Hexen kehren zurück, esoterischer Nebel breitet sich aus. Helena Petrowna Blavatsky, eine Generalstochter aus der Ukraine, zog sinnsuchend durch die Welt und stopfte sich dabei gierig ihren Rucksack mit fremden Weisheiten voll.

Auch Dichter erfasste die fiebrige Heilssuche. Hermann Hesse brachte nicht nur mit seiner "Morgenlandfahrt" ein esoterisches Sonderangebot unter die Leser. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen tanzend, heilspredigend und hygienefeindlich Inflationsheilige durchs Land. "Denken ist Feigheit", dieser Satz wird dem Balten Roman Fedorowitsch von Ungern-Sternberg nachgesagt, der in der Mongolei mit einer Söldnerschar als "wiedergeborener Kriegsgott" Menschen massakrierte.

Bleibt noch im Reigen der Irrationalen Aleister Crowley, der Großmeister des Satanismus, den Zeitungen als verruchtesten Mann der Welt verhöhnten. Auf dem Ersten Kongress Deutscher Okkultisten 1896 verkündeten die Teilnehmer mit himmelstürmender Überzeugungskraft: "Die verteufelte Alchemie und die verspottete Astrologie werden aus ihrem Vergangenheitsgrabe wieder auferstehen und der Irrationalismus auf der ganzen Linie siegen." Die Männer waren wohl Propheten.

Etwa seit der Französischen Revolution von 1789 haben sich in Europa und Amerika Vorstellungen und damit verbundene Praktiken ausgebreitet, die von ihren Anhängern und Kritikern unter dem Namen Okkultismus und Esoterik zusammengefasst werden. Beide Begriffe wurden bereits im 19. Jh. auch als Eigenbezeichnung verwendet. Welche Vorstellungen und Praktiken zum Okkultismus gezählt werden, ist dabei im einzelnen bei seinen Anhängern umstritten wie ebenso der Name Okkultismus und Esoterik. Den einen dünkt Esoterik vornehmer und die anderen meinen, unter dem Namen Esoterik alle jene nach ihrer Meinung unausgewiesenen Behauptungen des Okkultismus zusammenfassen zu können.

Brennpunkt Esoterik. Okkultismus, Satanismus, Rechtsradikalismus (Stadt Hamburg)
Okkultismus ist in seiner Grundlinie die Rückkehr des modernen Geistes in die vorwissenschaftliche Weltsicht der Magie. Okkultisten sind irgendwie immer wissenschaftsverdrossen. Sie versuchten, in der ihnen vorgezeigten vernünftigen Welt zu leben. Aber dieser Versuch misslang. Nun führen sie ihre Intuition und ihr Erkenntnisdrang zurück in die Gefilde magischer Weltsicht und intuitiver Weltdeutung. Das heißt nicht, dass der Okkultismus ein direkter Erbe der originalen, vorwissenschaftlichen Magie ist.

Kirchen, Sekten, Religionen (Evangelische Informationsstelle der Schweiz)

Kulte und Sekten
Gefährliche Zeiterscheinung oder moderne Religionsvielfalt?
Helmut Langel
Kurz, bündig und sachlich beleuchtet der Autor, der auf langjährige Erfahrungen mit Sekten und Psychokulten zurückblickt, dieses Phänomen und geht dessen gesellschaftlichen Ursachen auf den Grund. Der Wert des Buches liegt in einer realistischen Schilderung der Praktiken einiger ausgewählter Sekten. Besonderes Augenmerk widmet der Autor destruktiven Kulten mit religiöser Ideologie wie Scientology, der Vereinigungskirche, dem Universellen Leben, der Transzendentalen Meditation und der Bhagwan-Osho-Bewegung. Weitere Kapitel befassen sich mit dem Psychokult und dem Okkultismus. Neben methodischen Hilfen zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema bietet der Band Begriffserklärungen und Glossare, Literaturhinweise und Adressen von Beratungsstellen.
Kulte und Sekten (Landeszentrale für politische Bildung NRW)
Auszug aus dem Manuskript:
Auf die Geister, die sie rufen, ist Verlass.
Vierzehn Personen, die allesamt guten paranormalen Willens sind, sitzen in einem holzvertäfelten Kellerraum. Sie sitzen im Dunkeln, dicht an dicht um eine Vorhangglocke, die aussieht wie ein riesiger Kaffeewärmer. Unter dieser Hülle hat das Medium Platz genommen. Das Protokoll bezeichnet die nachfolgende Séance, die am 14. Januar des Jahres 2010 stattgefunden hat, als "außergewöhnlich".
Nach Instruktionen und Gebet, so heißt es weiter in den Aufzeichnungen, versetzte sich das Medium in Trance und kurz darauf meldete sich Hans Bender.

Dieser Hans Bender war während seines irdischen Lebens Professor für Grenzgebiete der Psychologie in Freiburg. Er wurde immer dann gerufen, wenn es zum Beispiel in einem Haus spukte. Jetzt, da er schon bald zwanzig Jahre die Erde verlassen hat, wirkt er bei der Felix-Gruppe für angewandte Spiritualität in Hanau als so genannte Transwesenheit. Kai Mügge, Sozialpädagoge und Filmemacher, hat den Zirkel in seinem Keller gegründet. Hans Bender gibt aus dem Jenseits die Instruktionen.
Erst aber fängt ganz von allein ein an der Decke hängendes Windspiel an zu klingen, ohne dass ein Luftzug seine nebeneinander hängenden Röhren aus Metall angestoßen hätte. Dann streicht eine unsichtbare Hand über die Wände. Es klopft und klatscht und knirscht. Als nächstes tritt im Programm der Phänomene ein im Dunkel gerade noch wahrnehmbarer geheimnisvoller Puschel auf, der sich zu der Hand eines Erwachsenen verdichtet, wie der transzendentale Zeremonienmeister Bender die Runde aufklärt.
Kaum hat der Einflüsterer aus dem Off über die Metamorphose orakelt, bei der sich ein fellartiger Knäuel in eine Menschenhand verwandelte, spüren die Teilnehmer der Séance auch schon, dass sie am Arm oder am Knie oder in ihrem Schoss berührt werden. Es kitzelt sie kaum, und es gruselt sie nicht, aber jeder fühlt im Raum eine "unglaublich hohe Energie" angesammelt.
Auch eine am Boden liegende Trompete wird von dieser Energie ergriffen. Das Instrument, das eigentlich ein mit Leuchtfarbe bepinselter Aluminium-Trichter ist, richtet sich auf, hebt ab, schwebt wie ein Kinderdrachen durchs Kabinett und dreht Loopings haarscharf an den Nasen der Anwesenden vorbei. Dann kommt der der Irrwisch wieder auf den Boden zur Ruhe.

Hans Bender im WDR Stichtag 2007

Hans Bender und die Gründung des "Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene"
Hans Bender bei Wikipedia
Das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP)beschäftigt sich mit der systematischen und interdisziplinären Erforschung von bisher unzureichend verstandenen Phänomenen und Anomalien an den Grenzen unseres Wissens.

Bonin, Werner F.:
Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. !1
München : Scherz, 1976.
Ulrich Linse
Geisterseher und Wunderwirker
Heilssuche im Industriezeitalter. Europäische Geschichte.
1996 Fischer (TB.), Frankfurt
Weltkulturen und Weltreligionen werden nach 'Rezepten‘ des Heils 'geplündert‘, schreibt der Geschichtswissenschaftler Ulrich Linse in seinem Buch über "Geisterseher und Wunderwirker". Schamanen und Hexen kehren zurück; 'heidnische‘ Stammestraditionen - von den Indianern über die Kelten und Germanen - werden beschworen; und neben den alten werden neue 'Kultbücher‘ der 'Mystik‘ und des Okkultismus verbreitet./

Fanny Moser
Der Okkultismus - Täuschungen und Tatsachen (1935)
Sabine Doering-Manteuffel
Okkultismus
Geheimlehren, Geisterglaube, magische Praktiken.
2011 Beck

Stimmen und Zeichen aus dem Totenreich, Schutzengel und Vampire, Zauberei, Geisterbeschwörung und Wunderheilung: Der Okkultismus ist heute verbreiteter denn je. Sabine Doering-Manteuffel erklärt anschaulich, wie sich aus vormodernen Wurzeln wie Wahrsagerei, Magie und Alchemie parallel zu Rationalismus und Aufklärung die moderne Esoterik entwickelt hat.