Bill Gates und sein Image

"Die Stiftung hilft mit Blutgeld"

Bill Gates auf einem Monitor beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2015
Bill Gates' Image bekommt Kratzer. Er ist hier auf einem Monitor auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos zu sehen. © dpa / picture alliance / Jean-Christophe Bott
Kathrin Hartmann im Gespräch mit Dieter Kassel |
Die Autorin Kathrin Hartmann erhebt schwere Vorwürfe gegen die Melinda-und-Bill-Gates-Stiftung: Sie investiere in die "schmutzigsten Konzerne der Welt", sagte sie anlässlich des 60. Geburtstages des Microsoft-Gründers. Mit ihren Investitionen schaffe die Stiftung erst die Probleme, gegen die sie kämpfen wolle.
Mit einem Budget von mehr als 42 Milliarden Dollar ist die Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates die reichste und mächtigste der Welt. Mit diesem Geld bestimme sie über die "Zukunft aller gesellschaftsrelevanten Bereiche - wie Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Armuts- und Hungerbekämpfung", sagt die Autorin Kathrin Hartmann. Doch das seien Bereiche, die "unter demokratische Kontrolle gehören - und nicht unter die von Milliardärsstiftungen".
Zwar will Hartmann, wie sie sagt, Gates und dessen Stiftung nicht unterstellen, dass sie nicht helfen wollten. Allerdings:
"In der Stiftung selbst sitzen Angehörige der Pharma- und Saatgutindustrie wie beispielsweise Monsanto. Man kann praktisch sagen: Die Stiftung selbst ist eine Lobby-Organisation und Privatisierungsmaschine. Und man muss durchaus die Frage stellen, möglicherweise ob der Schaden, der durch die Investments angerichtet wird, die diese Stiftung tätigt und mit denen sie ihre vielen Milliarden generiert, nicht sogar an anderer Stelle womöglich die Hilfsprogramme zunichte macht oder erst die Probleme schafft, gegen die die Stiftung kämpfen will."
So habe die Stiftung 2007 im Nigerdelta ein Impfprogramm gegen Polio gestartet. Die Menschen dort litten allerdings unter den "katastrophalen Folgen der Ölförderung" - wie Asthma und einem schlechten Immunsystem. Im selben Jahr habe die Stiftung 423 Millionen Dollar in Aktien von BP, Exxon und Shell investiert. Das sei bis heute so:
"Die Stiftung investiert in Konzerne der Öl-, Kohle-, Chemie- und Bergbauindustrie, darunter befinden sich einige der schmutzigsten Konzerne der Welt (...) Das sind Unternehmen, denen nicht nur Umweltzerstörung, sondern auch Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Da kann man, wenn man es genau nimmt, sagen: Die Stiftung hilft mit Blutgeld."


Das vollständige Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Bill Gates, der feiert seinen 60. Geburtstag heute nicht als Chef von Microsoft, denn mit dem operativen Geschäft der von ihm gegründeten Firma hat er seit Jahren nichts mehr zu tun. Öffentlich wahrgenommen wird er und will er auch selber werden inzwischen vor allem im Zusammenhang mit seiner Stiftung. Da macht er mit viel Geld die Welt viel besser – wobei das allerdings die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann nicht glaubt, nicht mal heute an seinem Geburtstag. Sie hat gerade ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Aus kontrolliertem Raubbau", vertritt darin die These, dass die so genannte Green Economy in weiten Teilen gar nicht umwelt- und ressourcenschonend ist, und sie glaubt auch nicht an das Gute in der Melinda-und-Bill-Gates-Stiftung. Guten Morgen, Frau Hartmann!
Kathrin Hartmann: Guten Morgen!
Kassel: Wie kann denn das schlecht sein, wenn ein reicher Mann sein Geld für wohltätige Zwecke einsetzt?
Hartmann: Das ist schon mal der erste große Mythos, der sich um Bill Gates und seine Stiftung rankt. Es ist gar nicht mal sein Privatvermögen, das er hergibt, und über das diejenigen, denen er helfen will, frei verfügen könnten, sondern es ist seine Stiftung, die er gegründet hat. Der hat er insgesamt 30 Milliarden Dollar überlassen. Und das finde ich einen sehr interessanten Aspekt. Seit dieser Mega-Spende, die er zwischen 2007 und 2013 da getätigt hat, hat sich sein Privatvermögen bereits wieder verdoppelt auf 85 Milliarden Dollar *). Das ist mehr, als manche Staaten zur Verfügung haben.
Die Stiftung hat ein zehn Mal höheres Budget als die WHO
Kassel: Aber ist das nicht das Wesen von Stiftungen nicht nur in den USA, man braucht halt erst mal Stiftungskapital, das tut irgendjemand da rein, und danach muss die Stiftung mit dem Geld arbeiten?
Hartmann: Natürlich, das ist das Wesen der Stiftung, aber wir reden hier über die reichste und mächtigste Stiftung der Welt sozusagen. Die Stiftung hat ein Budget von mehr als 42 Milliarden Dollar, das ist zehnmal so viel wie die Weltgesundheitsorganisation hat. Und es ist auch nicht so, dass diese Stiftung ja auch wiederum spendet und das zur freien Verfügung wäre, sondern mit diesem vielen, vielen Geld bestimmt diese Stiftung zunehmend über die Entwicklung und Zukunft aller gesellschaftsrelevanten Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Armuts- und Hungerbekämpfung - was alles Bereiche sind, die unter demokratische Kontrolle gehören und nicht unter die von Milliardärsstiftungen, die – in der Regel haben Milliardäre von den Problemen der Allgemeinheit ja relativ wenig Ahnung –, sondern die müssen wir unter unserer Kontrolle behalten und demokratisch legitimiert entscheiden, wie unser Geld für unsere Zukunft verwendet wird.
Die Menschen leiden wegen der Ölförderung, geimpft werden sie gegen Polio
Kassel: Wenn Sie sagen, Milliardäre haben von den Problemen der Allgemeinheit meist wenig Ahnung, wollen Sie damit sagen, dass die Melinda-und-Bill-Gates-Stiftung sich auch für die falschen Ziele einsetzt?
Hartmann: Ich will es andersherum sagen. Die Ziele an sich – und ich würde der Stiftung auch gar nicht unterstellen und auch Bill Gates nicht unterstellen, dass sie nicht wirklich helfen wollen. Aber das Problem ist, dass die Stiftung selbst und wie sie ihr Vermögen generiert, an sich schon hochproblematisch ist. Die Stiftung ist ganz eng verzahnt mit anderen Milliardären und insbesondere mit der Industrie. In der Stiftung selbst sitzen Angehörige der Pharma- und Saatgutindustrie wie beispielsweise Monsanto. Man kann praktisch sagen, die Stiftung selbst ist eine Lobbyorganisation und Privatisierungsmaschine.
Und man muss durchaus die Frage stellen möglicherweise, ob der Schaden, der durch die Investments angerichtet wird, die diese Stiftung tätigt und mit der sie ihre vielen Milliarden generiert, nicht sogar an anderer Stelle womöglich die Hilfsprogramme zunichte macht oder erst diese Probleme schafft, gegen die die Stiftung kämpfen will. Ich will da mal ein Beispiel geben. Es gab 2007 ein Impfprogramm der Stiftung gegen Polio im Nigerdelta. Andersherum ist es aber so, dass die Menschen dort unter den katastrophalen Folgen der Ölförderung leiden. Die haben Asthma, Atemwegserkrankungen, ein schlechtes Immunsystem, Augenkrankheiten. Die Natur ist zerstört, führt zu Armut und Hunger.
Aber im selben Jahr hat die Stiftung 423 Millionen Dollar in Ölkonzerne, Aktien von BP, Exxon, ENI und Shell investiert. Und das ist bis heute so. Die Stiftung investiert in Konzerne der Öl-, Kohle-, Chemie- und Bergbauindustrie. Darunter finden sich einige der hundert schmutzigsten Konzerne der Welt. Da gehört BP dazu, Glencore, Rio Tinto, Shell, da gehört Dow Chemical, Coca Cola, Monsanto dazu, Giganten der Pharmaindustrie. Und das sind Unternehmen, denen ja nicht nur Umweltzerstörung, sondern auch Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Und da kann man, wenn man es genau nimmt, sagen, die Stiftung hilft mit Blutgeld. Und das legitimiert letztlich auch noch diese Firmen und ihre Arbeitsweise, und das finde ich ein großes Problem.
Gates ist ein Gegner öffentlicher Gesundheitssysteme
Kassel: Nun wird aber gerade diesen Firmen, gerade internationalen Rohstoffindustriekonzernen in Nigeria zum Beispiel ja immer vorgeworfen, wenn ihr schon da diese Ressourcen abbaut, dann tut doch auch was für die Leute. Also, ist es nicht wohlfeil, dann zu sagen, wenn einer immerhin beides tut, ist es auch wieder nicht recht?
Hartmann: Na ja, die Firmen tun ja nichts ...
Kassel: Ja, aber er, indem er die Firmen unterstützt, aber ja auch die Leute. Zum Beispiel hat ja die Bill-Gates-Stiftung allein in diesem Jahr, ich habe es nachgelesen, 1,6 Millionen im nigerianischen Bundesstaat Kaduna für Impfstoffe ausgegeben. Man kann ja sagen, ein Teil ist schlecht, aber das wenigstens ausgleichen zu wollen, ist doch nicht auch schlecht.
Hartmann: 1,6 Millionen sind natürlich nichts gegenüber 400 Millionen Investments in Firmen, die dort genau diesen Schaden anrichten. Und das ist natürlich noch ein weiteres Problem, dass die Stiftung bestimmt, wogegen gekämpft werden soll. Die Stiftung setzt sich ja zum Beispiel nicht dafür ein, das öffentliche Gesundheitssysteme aufgebaut werden, die den Menschen dort langfristig und verlässlich helfen, sondern sucht sich einzelne Flagship-Krankheiten aus, Impfungen. Keine Frage, dass es Geld für diese Impfungen braucht und dass das gemacht werden muss. Aber was passiert, wenn die Stiftung weg ist, wenn sie ihre Effizienzziele nicht verfolgt? Das ist das eine.
Und das andere ist natürlich, dass die Stiftung selber überhaupt keiner Kontrolle unterliegt. Die kann im Prinzip nach ihrem Gutdünken machen, was sie will. Und das darf insbesondere in armen Ländern, die ja insofern volatil sind, weil dort der Umweltschaden immer weiter zunimmt, weil die Armut ja manifest ist, jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können. Das heißt, es braucht da ganz stabile Gesundheitssysteme, die aber Gates nicht einrichtet, weil er ein totaler Gegner von öffentlichen Gesundheitssystemen ist. Was ich ein großes Problem finde, wenn der reichste Mann der Welt, der auf so was gar nicht angewiesen ist, sagt, er gibt dafür kein Geld her. Das hat er tatsächlich einmal gesagt, dass es von ihm keinen Cent an die Einrichtung öffentlicher Gesundheitssysteme gibt. Und das ist auch etwas, wofür die Menschen vor Ort kämpfen, denen er in der Regel auch nur vor der Kamera zuhört.
Kassel: Bill Gates wird heute 60 Jahre alt. Kathrin Hartmann, Autorin des Buches "Aus kontrolliertem Raubbau" würde ihm dazu eventuell aus reiner Menschlichkeit noch gratulieren, aber zu seiner Stiftung nicht. Frau Hartmann, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Hartmann: Danke Ihnen!
Kassel: Wünsche Ihnen auch ohne Geburtstag noch einen schönen Tag!
Hartmann: Danke!
Kassel: Tschüs!
*) Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle weicht das Wortprotokoll von der Audio-Fassung ab. Die Zahl wurde von der Interviewpartnerin nachträglich korrigiert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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