Bildungspolitik

Länder bei Finanzierung der Universitäten "überfordert"

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Studenten bei der Erstsemesterbegrüßung am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau in Rheinland-Pfalz © picture-alliance / dpa / Thomas Frey
Horst Hippler im Gespräch mit André Hatting · 20.06.2014
Die Personal-Ausstattung der Universitäten sei international nicht wettbewerbsfähig, beklagt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Deshalb solle das Verbot der Kooperation zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich abgeschafft werden. Davon erhofft er sich eine bessere Grundfinanzierung.
André Hatting: Eines der großen Themen der letzten Großen Koalition war die Föderalismusreform. Damit ist die Macht der Länder gestärkt worden, auch in der Bildung. Das geht so weit, dass die Bundesrepublik mit den Universitäten und den Schulen nicht zusammenarbeiten darf - es herrscht Kooperationsverbot, festgeschrieben im Grundgesetz. Die neue Große Koalition stellt nun fest, die jahrelange Kritik an diesem Verbot war nicht so ganz unberechtigt. In dieser Woche hat Kulturstaatsministerin Johanna Wanka ihren Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes verschickt. Der muss jetzt mit Ressorts abgestimmt werden, das kann dauern. Und außerdem erfordert eine Grundgesetzänderung auch die Mehrheit im Bundesrat. Am Telefon ist nun einer der schärfsten Kritiker des Kooperationsverbots, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Horst Hippler. Guten Morgen!
Horst Hippler: Ja, schönen guten Morgen!
Hatting: Nennen Sie uns doch bitte mal die zwei wichtigsten Gründe, warum das Kooperationsverbot Ihrer Meinung nach am besten sofort abgeschafft gehört!
Hippler: Ich denke, einer der wichtigsten Gründe ist, dass wir in Deutschland einen Punkt erreicht haben, an dem sehr, sehr viele junge Leute akademische Bildung einfordern. Und in dieser Situation sind die Länder einfach finanziell überfordert, diese Aufgabe allein zu schultern. Da gibt es eine Gesamtverantwortung von Bund und Ländern, für diese jungen Leute tatsächlich auch ein gutes Angebot zu machen und zu leisten, unabhängig vom Bundesland. Und deshalb muss der Bund sich, glaube ich, beteiligen, das ist einer der wichtigsten Gründe. Und zum anderen ist die Finanzsituation in einigen Bundesländern so, dass man denen auch helfen muss, dass sie ihre Hochschulen so gut ausstatten, damit sie im internationalen Wettbewerb auch tatsächlich bestehen können und mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu Kooperationen kommen können.
Hatting: Geht es also tatsächlich vordergründig um Geld?
Hippler: Es geht natürlich immer wieder um Geld, um nichts anders. Ich denke mal, das ist die wichtigste Frage, wie stellen wir uns im nationalen und internationalen Wettbewerb so auf, dass wir konkurrenzfähig bleiben können, dass wir attraktiv sind für die besten Köpfe der Welt in Deutschland, und dass wir unseren Lebensstandard halten können.
Hatting: Gab es eigentlich einen einzigen Moment als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, an dem Sie das Kooperationsverbot gut gefunden haben?
Hippler: Ich habe das schon immer für schlecht befunden, auch damals, als ich noch Rektor in Karlsruhe war, ich habe das keine gute Idee gefunden.
"Der Bund ist ein guter Moderator"
Hatting: Eine Idee dahinter soll ja sein, der Bund soll sich gefälligst nicht in die Belange der Länder einmischen, nicht in die Bildung einmischen. Fürchten Sie nicht, dass das in Zukunft passieren kann, wenn das Kooperationsverbot fällt?
Hippler: Ich glaube, das hat es ja schon immer gegeben, dass Bund und Länder an dieser Stelle zusammenarbeiten müssen. Wir wissen auch, dass in einem Land mit 16 Bundesländern es ganz, ganz wichtig ist, dass man auch gemeinsam darüber redet, wie es weitergeht, und nicht nur in einem Wettbewerb sich gegeneinander aufstellt, sondern auch in einem Miteinander. Und ich denke, da ist der Bund auch tatsächlich ein guter Moderator.
Hatting: Schon jetzt kann die Bundesregierung ja spezielle Forschung zumindest fördern. Warum sind Sie für eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbots?
Horst Hippler hält ein Faltblatt mit der Aufschrift "Weiter sparen heißt schließen - Universitäten in Not" hoch. 
Horst Hippler, Präsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz vor einer Kundgebung für eine bessere Finanzaustattung der Universitäten am 21.05.2014 in Freiburg© dpa / picture alliance / Patrick Seeger
Hippler: Es geht nicht um das Fördern der Forschung, es geht um die Grundfinanzierung, die bei den Hochschulen das große Problem bedeuten. Denn Forschungsgelder gibt es, man kann sich darum bewerben, die werden wettbewerblich ausgeschrieben. Und da geht es ja immer um befristete Projekte und da geht es nicht um eine Grundfinanzierung. Studierendenzahlen, die wir jetzt haben, 500.000 Anfänger pro Jahr, das wird noch bis 2025 ungefähr so bleiben und da müssen die Hochschulen in der Lage sein, auch tatsächlich Personal für einzustellen, damit man diesem Bildungsauftrag tatsächlich gerecht werden kann.
Hatting: Leidet unter dieser Grundversorgung, die Sie genannt haben, das Niveau der Universitäten in Deutschland im internationalen Vergleich?
Hippler: Da bin ich ganz sicher. Denn wir haben heutzutage ein Verhältnis von Studierenden zu Hochschullehrer, was international nicht wettbewerbsfähig ist, und das muss sich ändern. Dafür braucht man eine Grundfinanzierung, damit man hinreichendes Personal einstellen kann und damit man auch den jetzt durch die Exzellenzinitiative ausgebildeten jungen Wissenschaftlern eine Perspektive in der Wissenschaft geben kann.
Hatting: Eine entscheidende Änderung soll ja sein, dass das BAföG in Zukunft komplett vom Bund übernommen werden soll, bislang sind das 65 Prozent. Wie wichtig ist diese Entlastung?
Hippler: Ich denke mal, das ist ein Teil des ganzen Paktes. Die Länder haben dafür sozusagen auch in diesem Paket den Auftrag, der Grundgesetzänderung zuzustimmen. Und ich denke mal, es ist ganz wichtig, dass die Länder an dieser Stelle, wenn sie entlastet werden, auch ihren Anteil dazu beitragen, das Geld dann in die Hochschulen hineinzustecken. Und wenn das dann tatsächlich passiert, dann ist es so, dass der Bund natürlich nachhaltig den Ländern hilft, aber ihnen nicht reinredet.
Hatting: Für eine Grundgesetzänderung braucht die Große Koalition auch den Bundesrat, dort ist sie auf die Stimmen der Grünen angewiesen. Die wiederum wollen mehr Geld für die Sozialpolitik, machen also ihre Zustimmung davon abhängig. Befürchten Sie jetzt ein Gepoker, das die Abschaffung des Kooperationsverbots in die Länge zieht?
Hippler: Das glaube ich nicht, das wäre eine Katastrophe, wenn das noch mal in die Länge gezogen würde. Zumal alle Parteien, die vor der Bundestagswahl im Bundestag vertreten waren, uns versichert haben, dass sie einer Grundgesetzänderung zustimmen werden.
"Ich denke, wichtig ist, das in Schritten zu machen"
Hatting: Die Grünen sagen auch: ganz oder gar nicht! Also, wenn schon Abschaffung, dann bitte auch für die Schulen. Sehen Sie das auch so?
Hippler: Ja, das ist die alte Forderung. Und ich denke mal, dass man sagt, an dieser Stelle sollen die Länder ihre konkrete Zuständigkeit abgeben, halte ich für falsch. Ich denke mal, wichtig ist, das in Schritten zu machen und zu schauen, wie sich das entwickelt. Ich glaube, das ist besser, als eine ganz große Lösung auf einen Schlag zu machen, die, ich denke mal, die Kompetenz und den Wettbewerb im Schulbereich ... Der ist wichtig, aber auch der ist abzustimmen. Dafür braucht man nicht unbedingt eine Grundgesetzänderung.
Hatting: Die Bundesregierung hat vereinbart in ihrem Koalitionsvertrag, in den kommenden vier Jahren sechs Milliarden Euro zusätzlich für Schulen und Universitäten zu zahlen. Ist Ihnen eigentlich schon gesagt worden, was die Universitäten davon abbekommen?
Hippler: Nein, das ist noch ein bisschen offen, das muss man noch verhandeln. Es gibt ja den großen Pakt, den Hochschulpakt, der sich damit befasst, Unterstützung zu liefern, dass diese 500.000 Studienanfänger pro Jahr tatsächlich adäquat bedient werden können. Dieser Pakt ist erst mal jetzt auszufinanzieren, der Hochschulpakt II, und dann muss im Jahr 2016 ein neuer Pakt geschlossen werden für die nächsten Jahre, die kommen. Und da ist es dann auch wichtig, dass er dann nachhaltig gestaltet wird, damit man auch tatsächlich auf Dauer Personal einstellen kann in den Hochschulen. Ich denke mal, das ist die wichtigste Frage, wie das geht. Dieser Pakt wird gerade verhandelt.
Hatting: Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, über die geplante Abschaffung des Kooperationsverbots. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hippler!
Hippler: Ja, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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