Bildungspolitik

"Ein überfälliger Schritt"

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Jutta Allmendinger plädiert auch für ein "Monitoring"-System. © dpa / picture alliance / Peer Grimm
Jutta Allmendinger im Gespräch mit Nana Brink · 28.05.2014
Für Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, ist die Lockerung des Kooperationsverbotes in der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern ein "kleiner Durchbruch". Zugleich begrüßt sie das Milliardenpaket der Koalition für Unis, Schulen und Kindergärten.
Nana Brink: Sechs Monate hat es gedauert, bis die Große Koalition ihr versprochenes Bildungspaket geschnürt hat, sechs Milliarden sind drin im Paket. Eine Milliarde erhalten die Kitas, die restlichen fünf Milliarden Euro fließen in die Bereiche Wissenschaft, Schule und Hochschule. So zum Beispiel übernimmt der Bund ja die Finanzierung des BAföG für Schüler und Studierende, was eigentlich zu 35 Prozent Ländersache ist bislang, genauso wie einen Großteil des Kita-Ausbaus. Ob das Bildungspaket ein Überraschungsei oder eher eine Mogelpackung ist, das frage ich jetzt Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin. Schönen guten Morgen, Frau Allmendinger!
Jutta Allmendinger: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Gibt es Grund zur Freude jetzt bei allen Beteiligten?
Allmendinger: Ja, zunächst einmal sind wir erleichtert. Natürlich bin ich zunächst mal erleichtert, dass Studierende damit rechnen können, dass sie mehr BAföG bekommen ab Ende 2016, ein bisschen mehr sogar als gedacht mit den 500 Millionen im Jahr.
Der zweite Punkt zur Freude ist der Pakt für Forschung und Innovation, also diese drei Milliarden, womit Projekte in der Forschung fortgesetzt werden können. Der dritte Punkt ist jener, dass die Wissenschaft, die Betreuung unterstützt wird mit der einen Milliarde für Kitas, mit den fünf Milliarden für Schulen, Hochschulen.
Und der letzte Punkt – und das war eine Überraschung für mich zumindest - ist das Aufheben des Kooperationsverbots im Bereich der Wissenschaft.
Allmendinger will "Monitoring-System"
Brink: Dazu würde ich gerne noch kommen, vorab aber erst mal die Frage: Sechs Milliarden klingt ja sehr viel. Aber wenn man sich überlegt, dass Bayern alleine 16 Milliarden für Unis, Schulen und Kunst ausgibt im Jahr, ist das doch eigentlich gar nicht so viel!
Allmendinger: Nein, es ist nicht viel. Man muss auch vorausschicken, dass wir ja gar nicht hundertprozentig wissen, ob es tatsächlich ankommt, wo es ankommen sollte, weil wir hier nichts rechtlich Verbindendes haben, sondern wir haben politische Absichten, die dahinter sind. Wir brauchen also ein Monitoring-System dahingehend zu überprüfen, ob die Länder tatsächlich das Geld so ausgeben, wie sie denken.
Man muss auch wissen, dass die BAföG-Entlastung, durch die dieses Geld ja möglich wurde, die einzelnen Bundesländer ganz unterschiedlich trifft, je nachdem, wie viel Studierende sie haben. Und wir hoffen natürlich, dass der Ausbau von Kindertagesstätten, der da drin ist, in allen Ländern voranmarschiert.
Brink: Aber werden da nicht die Kosten, die die Länder ja hatten, einfach an den Bund weiter abgeschoben? Also, unterm Strich gibt es gar nicht unbedingt mehr für Bildung und Wissenschaft?
Allmendinger: Das würde ich in der Tat so stehen lassen, aber das Wichtige ist ja, dass es jetzt endlich mal einen Rahmen gibt und dass wir nach sechs Monaten wissen, woran wir sind. Und das ist das Wichtige, dass es überhaupt Geld gibt. Für die Betroffenen ist das, glaube ich, relativ egal, ob es von Bund oder von Ländern kommt.
Brink: Nun haben wir sozusagen das Geld betrachtet, was in diesem Bildungspaket ist. Kommen wir zu dem Kooperationsverbot, was Sie auch angesprochen haben: Die Große Koalition will ja das Grundgesetz ändern, um dem Bund mehr Spielraum bei der Förderung der Wissenschaften einzuräumen, das ist dieses Kooperationsverbot. Bislang darf ja der Bund sich finanziell in Bereichen nicht engagieren, für die allein die Länder zuständig sind, also zum Beispiel Universitäten und Schulen, das ist ja reine Ländersache. Nun soll das gelockert werden. Ein richtiger Schritt?
"Seit acht Jahren brodelt der Unmut darüber"
Allmendinger: Es ist ein überfälliger Schritt. Wir haben dieses Kooperationsverbot seit 2006, seit acht Jahren, und seit acht Jahren brodelt der Unmut darüber. Man konnte ja Geld in Hochschulen stecken, aber immer nur befristet. Und das gibt uns einfach keine Sicherheit. Allerdings, was nicht erreicht worden ist, was man jetzt ganz ausgespart hat, ist der große Bereich von Schulen. Und das ist etwas, was ich sehr negativ kommentieren würde, weil ja in den Schulen selbst der Ursprung gelegt wird für später eine gute Forschung an Hochschulen. Und wir müssen schlichtweg was dafür tun, dass in Brennpunktschulen viel mehr auch Bundesmittel möglich sind einzusetzen.
Brink: Warum ist man denn da so kurz gesprungen dann?
Allmendinger: Man hat es gar nicht mehr verhandelt. Es war dann ein kleiner Durchbruch – der war für mich in der Tat unerwartet –, dass man es angetastet hat im Bereich der Wissenschaft. Ich hoffe, dass das jetzt ein erster Schritt ist und dass dieser erste Schritt nicht den zweiten, für mich viel notwendigeren Schritt verunmöglicht für die nächsten Jahre!
Brink: Also der in den Bereich Schulen?
Allmendinger: Genau, ja.
Brink: Nun habe ich mich auch gewundert, warum das so schnell und, sagen wir mal, eigentlich geräuschlos über die Bühne geht. Immerhin wird ja der Bund da massiv Einfluss nehmen auf die Bildungspolitik der Länder!
Ein Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
Mehr Geld für BAföG-Empfänger gibt es ab Ende 2016.© dpa / Universität Jena / Jan-Peter Kasper
Allmendinger: Auf die Bildungspolitik jetzt an Hochschulen ausschließlich. Ich würde nicht sagen, dass da von direktem Einfluss die Rede ist, sondern was jetzt möglich ist, was in vielen, vielen anderen Ländern möglich ist, ist, dass Länder, die jetzt auch mit der Schuldenbremse zu kämpfen haben, in ihre Hochschulen dauerhaft Gelder geben können, die vom Bund getragen werden für langfristige Projekte, und nicht immer für dieses kurzfristige Stoppelzeug, welches wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zuträglich ist.
Brink: Was wären dann die wichtigsten Projekte oder, sagen wir mal, die wichtigsten Felder, auf denen der Bund mehr Geld in Zukunft in die Hand nehmen müsste?
Der allerwichtigste Fall ist, "dass dieses BAföG erhöht wird"
Allmendinger: Der allerwichtigste Fall ist jetzt in der Tat, dass dieses BAföG erhöht wird und dass das sich so umsetzt. Das Zweite ist, dass wir wirklich, Bund und Länder, darauf achten, dass diese sechs Milliarden da ankommen, wo sie ankommen müssen.
Immerhin, diese eine Milliarde, die kann nicht nur quantitativ für Kitas ausgegeben werden, sondern sie muss zu einer qualitativen Verbesserung von Kitas führen, sonst nutzt das niemandem. Es muss meines Erachtens, da wiederhole ich mich jetzt sehr stark, noch mal diskutiert werden, ob wir dieses Kooperationsverbot nicht auch auf der Ebene der Schulen lockern. Ich finde, es ist ein Gebot zu kooperieren und dieses Kooperationsverbot muss auch da weg. und man sollte den Impuls, der jetzt gestern gesetzt wird, dahingehend weiter ausbauen.
Brink: Welches Instrument sehen Sie dann, wie das kontrolliert werden kann, wo gibt es da Möglichkeiten?
Allmendinger: Wir haben zunächst einmal mal ja gar keine rechtlichen Möglichkeiten.
Brink: Deshalb frage ich.
Allmendinger: Da müsste die rechtliche Möglichkeit, die jetzt geöffnet worden ist, natürlich brauchen wir hier eine Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat, erst mal, um es für die Wissenschaft aufzuheben. Aber ich hoffe, dass das ein Impuls ist, der dann auch hin zur Bildung geht, und dass es eben keine Bremse ist.
Brink: Jutta Allmendinger, Präsidentin de Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Schönen Dank, Frau Allmendinger, für das Gespräch!
Allmendinger: Ich danke Ihnen auch, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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