Mehr zum "Archivkoffer" des Geheimen Staatsarchivs Preußische Kulturbesitz auf den Seiten des Archivs
Der Koffer der Erkenntnis

Geschichtsunterricht ist mitunter trocken und langweilig für Schüler. Abhilfe schafft der sogenannte Archivkoffer der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Vollgepackt mit Zeitzeugnissen wie Propagandaplakaten, alten Geldscheinen und Karten, lässt er Geschichte lebendig erscheinen.
"Wer möchte anfangen?", sagt Christoph Ruprecht. Er steht hinter einem Lehrerpult und vor einer digitalen Tafel. Das Smartboard benutzt er an diesem Morgen nicht.
Im Projektkurs "Geschichtswerkstatt" in der Schule an der Haveldüne sollen seine Zehntklässler ganz analog vorstellen, welche originalgetreue Nachbildung sie sich aus dem Archivkoffer ausgesucht haben. Benjamin Hübner macht mit seiner Gruppe den Anfang:
"Auf meinem Propaganda-Plakat geht es um die Jugend Deutschlands im Ersten Weltkrieg. Hier stehen auch drei Gedichte drauf: 'Es geht zum Sturme dran und drauf. Die Trommel hallt – Bum! Bum! Der Franzl baut die Festung auf. Der Michel stößt sie um.' Damit wird höchstwahrscheinlich gemeint sein, dass sie sich drauf vorbereiten soll, eine Verteidigung aufzubauen, aber auch damit rechnen sollte, dass sie gestürzt werden kann."
Geschichtslehrer Ruprecht geht es nicht darum, Fakten abzufragen. Die Schüler sollen die Objekte mit ihrem Vorwissen einordnen und verknüpfen. Dazu ermuntert er sie immer wieder, genau hinzuschauen und zu formulieren, welche Aussagen in den Dokumenten womöglich stecken. Die Kinder auf Benjamins Propagandaplakat spielen zum Beispiel nicht mit Spielsachen, sondern mit Schwertern und Pfeil und Bogen.
"Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass die Kinder sich schon in so frühen Jahren auf den Krieg vorbereiten müssen, sondern erst im Alter von 16 bis 18 Jahren. Aber auf dem Bild sieht es schon so aus, als ob sie sich schon mit zehn oder neun Jahren darauf vorbereiten würden, in den Krieg zu ziehen und das hat mich schon ein bisschen verwundert."
Zu Beginn des Unterrichts sollen die Teilnehmer erst einmal den Archivkoffer und seine Einzelteile kennenlernen. Drei Schülerinnen zeigen buntbedruckte Geldgutscheine aus der Zwischenkriegszeit. 50 Mark oder auch 200 Millionen Mark – und trotzdem waren sie nichts wert.
Noch viel mehr steckt in einem Koffer
Und noch viel mehr Material steckt in dem grauen, handgepäckgroßen Koffer aus fester Pappe: Übersetzungstafeln oder eine Bleischlange, um Buchseiten während des Lesens runterzudrücken, und eine Lupe.
"Da gibt es zum Beispiel alte Karten, ein Patent des Bügelflaschenverschlusses: also Dokumente ganz unterschiedlicher Art. Auch das Eiserne Kreuz oder Listen von Hugenotten, die eingewandert sind – mit Namen und Beruf."
Bei der Auswahl der Themen geht der Lehrer – anders als im normalen Geschichtsunterricht – auf die Interessen der Schüler ein. Die Idee zur berlinweit einmaligen Zusammenarbeit mit einem Archiv hatte der Geschichtslehrer Alexander Klaehr:
"Dass sie 'mal an einen anderen Lernort kommen und mit den Dingen in Kontakt kommen, die sie nur aus Schulbüchern kennen – nämlich mit Quellen."
Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem war an einer Kooperation gleich interessiert. Vor fünf Jahren hatte man dort einen eigenen Servicebereich "Kulturelle Bildungsarbeit" eingerichtet, sicherlich auch, um im digitalen Zeitalter die eigenen Kompetenzen sichtbarer zu machen.
Archivarin Constanze Krause leitet ihn. Zuerst zeigte sie der Gruppe ganz klassisch das Archiv. Aber dann überlegten Krause und Klaehr, wie die Schüler auch im Unterricht mit den Archivalien arbeiten könnten. Die Idee des Koffers war geboren, erklärt Kause.
"Wir haben dann im Archiv nach geeigneten Quellen recherchiert. Die ausgewählten Archivalien haben wir dann dem Lehrer vorgestellt. Und wir haben von einigen Transkriptionen angefertigt, so dass die Schüler auch selbst schauen können, was hab ich da rausgelesen. Denn es ist nicht die Schrift, die wir heute gewohnt sind."
In der Historikerwerkstatt gemeinsam auf der Suche
Detektivarbeit ist also gefragt, um alle 46 Archivalien des Koffers zu entschlüsseln. Gemeinsam mit der Schule ist dazu ein umfangreiches Begleitheft mit einer CD entstanden. Seit dem Sommer können sich andere Schulen einen zweiten Koffer und ein fertiges Unterrichtskonzept ausleihen. Die Nachfrage ist groß.
Außerdem will das Geheime Staatsarchiv die Archivalien für seine Führungen nutzen. Beide Seiten profitieren also von ihrer Allianz. Schulleiter Markus Prill hat das Pilotprojekt aber auch aus einem anderen Grund von Anfang an unterstützt:
"Unsere Schule hat ihr größtes Augenmerk auf die Berufs- und Studienorientierung. Und hier habe ich eine große Chance darin gesehen, beides voranzubringen – natürlich auch aufgrund der Berufsgruppen, die im Geheimen Staatsarchiv vertreten sind."
Die integrierte Sekundarschule hat sich in den vergangenen Jahren sehr engagiert, um ihren Schülern einen guten Übergang in eine Ausbildung oder eine weiterführende Schule zu bieten.
Nicht alle Schüler in der Historikerwerkstatt wollen gleich Archivar werden oder Geschichte studieren. Paul, Kiara und Benjamin ziehen aber ein positives Fazit.
- "Ich find’s natürlich auch besser, wenn man manche Sachen mal in echt sieht, mal ins Staatsarchiv geht."
- "Ich hab mich für den Kurs entschieden, weil mich das weiterbringen könnte. Vielleicht auch fürs Abitur. Es macht Spaß und ich hab schon viel mehr gelernt, als im normalen Geschichtsunterricht."
- "Geschichte weitermachen, weiß ich noch nicht. Aber mit dem Kurs kann ich mir das auf jeden Fall vorstellen."
- "Ich hab mich für den Kurs entschieden, weil mich das weiterbringen könnte. Vielleicht auch fürs Abitur. Es macht Spaß und ich hab schon viel mehr gelernt, als im normalen Geschichtsunterricht."
- "Geschichte weitermachen, weiß ich noch nicht. Aber mit dem Kurs kann ich mir das auf jeden Fall vorstellen."